Ein Forscherteam rund um die Wiener Veteriärin Christina Nagel nahm die Pferdegeburten bei 17 Stuten des Brandenburgischen Staatsgestütes in Neustadt genau unter die Lupe. Vor und während des Abfohlens wurden kontinuierlich ein Elektrokardiogramm bei den Müttern aufgezeichnet sowie Cortisol- und Adrenalinwerte aus Speichel und Blut der Tiere entnommen. Auf diese Weise sollte der Stresspegel der werdenden Mütter ermittelt werden. Die Auswertung aller Daten verblüffte selbst die Wissenschaftler: "Die normale Pferdegeburt ist das Gegenteil einer Stressreaktion", fasst Christina Nagel die Forschungsergebnisse, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Theriogenology“ veröffentlich wurden, zusammen.
Geburt im Schnelldurchlauf
Anders als ihre menschlichen Kolleginnen, die sich oft stundenlang abmühen ihren Spross zur Welt zu bringen, verläuft die Geburt bei Pferdemüttern im Schnellsiedeverfahren. Nach 10 bis 20 Minuten Wehen ist der ganze Spuk vorbei. Und obwohl die rasche Austreibung des Fohlens mit entsprechend starken Kontraktionen verbunden ist, bleiben Stuten durch und durch entspannt. „Überraschenderweise kam es während der Geburt der Fohlen zu keiner Zunahme der mütterlichen Herzfrequenz. Stattdessen setzten bei den meisten der untersuchten Stuten immer wieder einzelne Herzschläge sogar ganz aus“, erklärt Nagel. Ursache dafür ist eine verzögerte Erregungsleitung im Herzen - beim Pferd ein Ausdruck von Entspannung. Zudem zeigten die Messergebnisse ganz klar, dass der erwartete "Adrenalinstoß" völlig ausblieb, sämtliche untersuchten Stuten setzten währen der Geburt kaum Stresshormone frei. Auch die Sorge um das neugeborene Fohlen stellte keine Belastung für die Muttertiere dar. Im Gegenteil: Der Kontakt mit dem gesunden Neugeborenen war mit einer messbaren Erleichterung bei den Stuten verbunden.
Ruhe ist das Um und Auf
Damit bei der Pferdegeburt alles ganz entspannt ablaufen kann, ist eine ruhige Umgebung essentiell. Ist sie nicht gegeben, können Pferde ihr Niederkommen sogar hinauszögern. „Das stellt in freier Wildbahn einen Überlebensvorteil dar. Erst wenn die Umwelt als sicher und gefahrlos empfunden wird, ist der Weg frei für die Fohlengeburt. Die läuft dann aber extrem schnell ab“, erklärt Christine Aurich, Leiterin des Forschungsinstituts. Auch domestizierte Pferdemütter legen wert auf Ruhe, wehalb „alle untersuchten Stuten ihr Fohlen in der Nacht bekamen, wenn es im Stall besonders ruhig war", so Aurich.