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In Absetzerherden scheint der Zeitpunkt der Geburt eine entscheidende Rolle hinsichtlich des sozialen Ranges zu spielen. © www.slawik.com

Wer zuerst kommt: Früh geborene Fohlen dominanter

Ein Artikel von Pamela Sladky | 16.12.2015 - 09:42
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In Absetzerherden scheint der Zeitpunkt der Geburt eine entscheidende Rolle hinsichtlich des sozialen Ranges zu spielen. © www.slawik.com

Fohlen, die früh im Jahr geboren werden, haben einen reichlich kühlen Start ins Leben. Statt grüner Weide bei frühlingshaften Temperaturen heißt die neue Welt sie in ihren ersten Lebensmonaten mit Schnee und Eis willkommen. Doch was anfänglich als Nachteil erscheint, macht sich schon bald bezahlt. Spätestens zum Zeitpunkt des Absetzens sind es nämlich diese wenigen Monate Lebensvorsprung die dafür sorgen, dass ältere Fohlen eine ranghöhere Position in der sozialen Struktur der Herde einnehmen – und sie auch behalten. Das haben die Untersuchungen einer Gruppe polnischer Wissenschaftler ergeben.

Das Team um Martina Komárková vom veterinärwissenschaftlichen Institut der Karls-Universität in Prag fand heraus, dass der Rang in der Herde maßgeblich vom Geburtszeitpunkt und damit vom Alter beeinflusst wird. 66 Kladruberstuten und deren Fohlen aufgeteilt in acht verschiedene Herden dienten den Forschern als Studienobjekt. Die Pferde wurden über zwei Fohlen- und Absetzsaisonen hinweg beobachtet. Im Anschluss nahm man die daraus hervorgegangenen Fohlenherden im Dreijährigenalter noch einmal unter die Lupe.

Moderner Absetzvorgang unterbricht Lernprozess

Bislang war man davon ausgegangen, dass sich das Dominanzverhalten der Mutter maßgeblich auf ihr Fohlen überträgt. Ranghohe Stuten zeigen bisweilen aggressiveres Verhalten gegenüber dem Nachwuchs rangniedriger Stuten und auch bei Konflikten mit Gleichaltrigen kann die Stute den Ausschlag geben, ob sich der eigene Nachkomme durchsetzt oder unterliegt. Weil Fohlen vor allem von der Mutterstute lernen, schien es logisch anzunehmen, dass sie deren Dominanzverhalten ebenfalls übernehmen. Auch wenn diese Theorie für Herden in freier Wildbahn durchaus gültig sein mag, in der modernen Pferdehaltung scheint sie nicht der ausschlaggebende Faktor für den späteren sozialen Rang zu sein, wie die Studienergebnisse von Komárková und ihren Kollegen nahelegen.

„Das heißt natürlich nicht, dass Fohlen den sozialen Rang unter anderen (natürlicheren) Voraussetzungen nicht auch erlernen können“, so die Zoologin. „Fohlen beobachten ihre Mütter (und in freier Wildbahn auch ihre Väter) und lernen Verhaltensmuster, die sie später im Leben anwenden. Unsere Studie legt die Vermutung nahe, dass frühes und abruptes Absetzen diesen Lernprozess unterbricht.“

Heute ist es vielfach üblich Fohlen nach dem Absetzen in einer Herde mit Gleichaltrigen unterzubringen. Im Rahmen der Studie waren die Youngsters zu diesem Zeitpunkt zwischen vier und sieben Monaten alt. Sommerfohlen oder späten Frühling geborene Tiere sind zu diesem Zeitpunkt deutlich jünger als Winterfohlen. Und das macht sich gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkbar. Weil die älteren Absetzer ihren jüngeren Kollegen körperlich in Größe und Kraft überlegen sind, können sie sich in Konflikten leichter durchsetzen, erklärt Komárková. Hinzu kommen ihr Vorsprung an Erfahrung in Bezug auf soziale Kompetenz und die Tatsache, dass ältere Absetzer schon länger Zeit hatten sich an die veränderte Situation zu gewöhnen, während neu angekommenen Fohlen immer noch stark unter dem Verlust ihrer Mütter leiden.

„Das ist nicht weiter verwunderlich zumal der Abspänprozess eines Saugfohlens in freier Wildbahn zumindest drei Monate später erfolgt als in der modernen Pferdezucht und das Fohlen noch weitere ein bis zwei Jahre bei seiner gewohnten Herde bleibt - ganz im Gegensatz zur kompletten Trennung, wie sie heute üblich ist“, so die Wissenschaftlerin.

Geburtsvorsprung hält an

In der Studie waren die dominantesten Tiere in der Regel solche, bei denen die Trennung von der Mutter bereits länger zurücklag und die gleichzeitig zu den ältesten unter den Fohlen zählten. Dieser Startvorteil gegenüber jüngeren Fohlen blieb. Folgeuntersuchungen an den knapp Dreijährigen Jungpferden zeigten, dass sich die Rangordnung innerhalb der Herde nicht wesentlich veränderte. Winterfohlen ware allgemein dominanter als ihre später geborenen Kollegen.

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