Die gescheiterten Verhandlungen haben zur Folge, dass sich die ÖBf AG und die etwa 1.000 Reiter der Wienerwaldregion ab sofort in einem vertragslosen Zustand befinden. Reiten im Wald gilt damit bis auf weiteres als verboten. © minad - Fotolia.com
Reiten im Wienerwald hat eine jahrhundertelange Tradition. Schon die Rittmeister und edlen Damen trafen sich hier zu ausgedehnten Ritten, um dieNatur vom Rücken der Pferde aus zu genießen. Auch heute noch ist der Reittourismus für die Region ein wichtiger Faktor. Viele Urlaubs-, Reit- und Einstellbetriebe profitieren von den reiterlich attraktiven Strecken diesesGebietes. Über zwölf Jahre hinweg war der Verein „Reitregion Wienerwald“ Vertragspartner der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) AG und sicherte damit ein abwechslungsreiches Wegenetz für Reiter im Wienerwaldgebiet. Doch nicht nur die Reiter profitierten von der Vereinbarung, auch die ÖBf AG kam dabei auf ihre Kosten. Durch das in drei Bereiche geteilte Verteilersystem mit ca. 800 Reitern konnte jährlicher ein Erlös von rund 80.000 Euro erwirtschaftet werden, insgesamt wurde über die gesamte Zeitspanne hinweg knapp eine Million Euroinkassiert und an die ÖBf AG überwiesen.
Weil die Praxis in den vergangenen Jahren jedoch gezeigt hatte, dass eine Weiterführung der seinerzeit vereinbarten Nutzungsbedingungen nicht mehr vertretbar war, wurde seit 2006 in vielen Gesprächen über eine Anpassung der Vereinbarungen verhandelt. Leider kam man dabei zu keinem Konsens, die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien müssen als gescheitert angesehen werden, wie der Verein „Reitregion Wienerwald“ heute in einer Pressemitteilung erklärte. „Ständig steigende Jahresfestsummen, logistisch und wirtschaftlich nicht erfüllbare Auflagen, rechtlich bedenkliche Formulierungen und der Versuch von Haftungsübertragungen, verbunden mit einem im Vergleich zum Stift Heiligenkreuz* auch noch höheren Markenpreis bei wesentlich niedrigerer Nutzungsfrequenz erschweren bzw. blockieren praktisch eine Akzeptanz in derReiterschaft“, so die Vereinsführung.
Vertragslose Situation – Reiten auf eigene Verantwortung
Die gescheiterten Verhandlungen haben zur Folge, dass sich die ÖBf AG und die Reiter ab sofort in einem vertragslosen Zustand befinden. Für die Reiter in der Wienerwaldregion bedeutet das im Klartext, dass rein rechtlich gesehen Reiten im Wald verboten ist. Wer trotzdem im Wald mit seinem Pferd unterwegs ist, tut dies künftig ohne rechtliche Absicherung und ist damit für sein Handeln selbst verantwortlich, was entsprechende Folgen wie hohe Bußgeldforderungen zur Folge haben kann. „Wir sehen es als problematisch an, dass ein Bundesbetrieb die wirtschaftlich und nachhaltig naturbezogenen Interessen einer so großen Region und an die gut 50 Betriebe und deren Familien mit deren Wirtschaftsfaktor zum Vorteil einer Minderheit wie der Hobbyjagd vernachlässigt. Wir sind auch überzeugt davon, dass in der Öffentlichkeit wenig Verständnis für diese Vorgehensweise erzielbar sein wird“, ist man beim Verein „Reitregion Wienerwald“ überzeugt.
*Auch in dieser Region gab es vor einiger Zeit eine ähnlich problematische Situation, die jedoch mittlerweile vom Stift Heiligenkreuz in bestem Konsens mit der Reiterschaft und den zuständigen Stallbesitzern zu aller Zufriedenheit gelöst werden konnte.
Helmut Mayer, bis 1. Mai 2012 stellvertretender Obmann des Vereins „Reitregion Wienerwald“, kommentiert einen Tag vor seinem Rücktritt die gescheiterten Verhandlungen mit der Österreichische Bundesforste AG (ÖBf) um eine Neuregelung der vertraglichen Vereinbarungen über die Reitwege im Wienerwald.
Pferderevue: Herr Mayer, die heute ausgesendete Pressemeldung setzt einen Schlusspunkt unter fünf Jahre Ringen um neue Vertragsbedingungen. Wieso sind die Verhandlungen gescheitert?
Helmut Mayer: Nach fünf Jahren erfolglosen Verhandelns mussten wir erkennen, dass der Österreichischen Bundesforste AG nicht daran gelegen ist, eine akzeptable Basis für die Reitwegesituation im Wienerwald zu schaffen. Wir hatten gehofft, ähnlich sinnvolle Regelungen wie mit dem Stift Heiligenkreuz vereinbaren zu können, stoßen aber, wie es scheint, auf taube Ohren.
Pferderevue: Was sieht der Vertrag mit dem Stift Heiligenkreuz vor?
Helmut Mayer Ab dem Jahr 2008 hat das Stift einen neuen Vertrag ausgearbeitet, früher gab es hier genau die gleichen Probleme. Jetzt hat das Stift die Reitmarkenvergabe selbst in die Hand genommen, es wird regelmäßig kontrolliert, und das Stift richtet die Wege selbst her und markiert sie. Das funktioniert jetzt so gut, dass das Stift mehr Geld als früher erhält und diese Mehreinnahmen in Form von mehr Wegen den Reitern wieder zurückgibt. Das Stift ist zufrieden, und die Reiter sind zufrieden. Es funktioniert also, wenn man will.
Pferderevue: Welche inakzeptablen Forderungen stellen die ÖBf in ihrem Vertragsentwurf, den Sie nicht unterzeichnen wollen?
Helmut Mayer: Im wesentlichen wollen die ÖBf den alten Vertrag weiterführen, ergänzt um ein paar Punkte, die uns darin bestärkt haben, dass es so nicht geht. Z. B.“Verstöße von Reitern gegen die Benutzungsbedingungen sollen dem Betreiber – da sind wir als Verein gemeint – als Vertragsverletzungen zugerechnet werden“. Das kann kein vernünftig denkender Mensch unterschreiben. Außerdem problematisch: Wir garantieren den ÖBf einen Festpreis, d. h. wir müssen eine bestimmte Summe an den ÖBf bezahlen, die wir über verkaufte Reitmarken erst einnehmen müssen. Weil aber eine Kontrolle völlig fehlt und die Preise für die Reitmarken auch laufend erhöht wurden, ist die Zahlungsmoral in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, im Bereich Nord z. B. von 270 Marken auf 200 Marken im Jahr. Rein rechtlich kann nur der Grundeigentümer kontrollieren, aber die ÖBf lehnen das ab. Aber wie sollen wir dann bitte einem Reiter plausibel machen, dass er zahlen muss? Außerdem muss der Verein die Wege erhalten und markieren – und dafür fehlt uns schlicht das Geld und die personellen Ressourcen. Wir sind lauter Ehrenamtliche, ich kann nicht in meiner Freizeit kontrollieren, dass die ÖBf zu ihrem Geld kommen. Das sind also im wesentlichen die Punkte, die von uns erfüllt werden müssten und die nicht erfüllbar sind.
Pferderevue: Sehen Sie Ihre Bemühungen nunmehr als endgültig gescheitert – oder gibt es noch Hoffnung für die rund 1000 Reiterinnen und Reiter, die sich legal auf den Wegen im Wienerwald bewegen wollen?
Helmut Mayer Vorerst ist das ein Schlusspunkt. Es bringt ja nichts, wenn man fünfmal in Gesprächen das Gefühl hat, verstanden worden zu sein – und eine Woche später einen Vertragsentwurf erhält, der einen glauben lässt, man habe gegen Wände gesprochen. Wenn wir den Vertrag jetzt nicht unterschreiben, haben die ÖBf in Zukunft 1000 Ansprechpartner. Bislang hatten sie einen, der ihnen das Geld lieferte. Jetzt ist das ihr Problem – und nicht mehr unseres.
Das Gespräch mit Helmut Mayer führte Eva Morawetz.