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Ein gesunder, gut bemuskelterPferderücken ist die Grundlage für ein leistungsbereites, zufriedenes Pferd. © www.slawik.com

Ausbildung

10 Power-Übungen für einen starken Pferderücken

Ein Artikel von Dr. Britta Schöffmann | 01.02.2018 - 09:41
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Ein gesunder, gut bemuskelterPferderücken ist die Grundlage für ein leistungsbereites, zufriedenes Pferd. © www.slawik.com

Sobald man ein Pferd reiten möchte, ist zielgerichtetes Aufbautraining wichtig. In dem Moment nämlich, in dem sich der Reiter auf einen untrainierten Pferderücken setzt, sinkt dieser erst einmal, ähnlich einer Hängebrücke, ein wenig nach unten: Das Reitergewicht wirkt senkrecht ein, der Bauch hängt nach unten durch, dasselbe gilt für den Rücken. Auf Dauer führt diese Haltung zwangsläufig zu Verspannungen und Schmerzen. Ziel jedr Reitpferdeausbildung muss es deshalb sein, dieses Durchhängen zu verhindern, indem die notwendigen Strukturen im Pferdekörper so gestärkt werden, dass die Oberlinie des Pferdes, ähnlich einer Bogensehnenbrücke, stabil bleiben kann. Die nachfolgenden neun Power-Übungen helfen dabei, den Pferderücken so weit zu stärken, dass er das Reitergewicht auch auf Dauer unbeschadet tragen kann.

1. Übergänge

Sämtliche Übergänge sind Gold für den Rücken – vorausgesetzt, sie gelingen gut. Und gut heißt: flüssig von hinten nach vorn, also von der Hinterhand ausgehend durch den Pferdekörper. Fehlerhaft und rückenschädlich sind hingegen stockende Übergänge, vor allem, wenn sie gegen die Reiterhand ausgeführt werden. Beim Lösen und auch bei gerade angerittenen Pferden bieten sich zunächst einfache Übergänge zwischen den Gangarten in Form von Übergängen von Schritt – Trab – Schritt und von Galopp – Trab – Galopp an. Später kommen dann auch einfache Übergänge innerhalb der Gangart als Tritte/ Sprünge verlängern und wieder verkürzen (zulegen – einfangen) hinzu. All diese Übergänge fördern die Schubkraft.

Was die Übung bringt:
- Beckenkippung
- Aufwölbung der Lendenwirbelsäule
- Stabilisierung der Brustwirbelsäule
- Entlastung des Nacken-Rückenbandes
- Training der Bauchmuskulatur
 

2. Noch mehr Übergänge

Bei fortgeschrittenen Paaren bieten sich darüber hinaus Übergänge mit versammelnder Wirkung an. Dazu zählen Gangartenübergänge Trab – Halt, Galopp – Schritt – Galopp sowie Tempounterschiede zwischen Arbeitstempo und Versammlung (Förderung der Tragkraft) und Verstärkungen (Schub- und Tragkraft).

Was die Übung bringt:
- vermehrte Beckenkippung  
- stärkere Hankenbeugung  
- Aufwölbung der Lendenwirbelsäule  
- Entlastung des Nacken-Rückenbandes  
- Stärkung der Hinterhandmuskulatur  
- Training der Bauchmuskulatur  
- Verlagerung des Schwerpunktes in Richtung Hinterhand

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Rückwärtsrichten kräftigt die Bauch- und Hinterhandmuskulatur und hilft die Lendenpartie aufzuwölben. © www.slawik.com

3. Rückwärtsrichten

Das Rückwärtsrichten fördert die Versammlungsfähigkeit eines Pferdes und stärkt die Hinterhand. Damit diese positiven Effekte auch eintreten können, gilt es, auf eine korrekte Ausführung zu achten. Das Pferd muss im Zweitakt diagonal nach hinten treten und den Hilfen durchlässig und ohne Spannung folgen. Für den Anfang reichen einige wenige Tritte, nach und nach können die Anforderungen vorsichtig gesteigert werden, wenn sich das Pferd willig und ohne Angst geschmeidig rückwärtsrichten lässt. Dabei nicht auf ausgiebiges Loben vergessen. Pferde bewegen sich in freier Natur nur selten mehr als ein, zwei Schritte rückwärts. Entsprechend widernatürlich ist es für sie, sich darüber hinaus im Retourgang zu bewegen.

Maximales Rückentraining erzielt man, wenn man das Rückwärtsrichten auf eine sanfte Steigung verlegt. Dabei muss das Pferd weit unter seinen Körperschwerpunkt fußen. Aber Vorsicht: Diese Übung ist extrem anstrengend und erfordert viel Sensibilität des Reiters, damit das Pferd nicht überfordert wird!

Was die Übung bringt:
- Beckenkippung  
- vermehrte Hankenbeugung  
- Aufwölbung der Lendenwirbelsäule  
- Entlastung des Nacken-Rückenbandes

Gleich weiterlesen: Mit diesen Übungen stärken Sie den Pferderücken vom Boden aus. Bei Rückenproblemen spielt eine fachgerechte Bewegungstherapie eine zentrale Rolle. Kann das Pferd aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht geritten werden, ist Gymnastizierung vom Boden aus angesagt. Acht effektive Übungen, die Sie ganz einfach selbst durchführen können, finden Sie hier.

4. Rückwärtsrichten, daraus antraben

Diese Übung ist eine verstärkte Kombination aus versammelnder und schiebender Bewegungen. Beim Übergang vom Rückwärts ins Vorwärts muss das Pferd sein Körpergewicht (und das des Reiters) mit der Kraft seiner Hinterbeine aus der tiefen Hankenbeuge wieder nach vorn schieben.

Was die Übung bringt:
- vermehrte Hankenbeugung  
- Aufwölbung der Lendenwirbelsäule  
- Entlastung des Nacken-Rückenbandes  
- intensiver Wechsel zwischen Tragen und Schieben, erhöhte Muskelbeanspruchung  
- Kraftaufbau der Hinterhand  
- Training der Bauchmuskulatur

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Arbeit in Biegung fördert die Beweglichkeit und stärkt insbesondere die seitliche Bauchmuskulatur. © www.slawik.com

5. Biegearbeit

Jegliche Arbeit in Biegung verkürzt die Innenseite der Muskulatur, auch die des langen Rückenmuskels, und dehnt die Außenseite. Auf diese Weise verbessert sie die Beweglichkeit der Gelenke der Hinterhand, Hankenbeugung und Lastaufnahme werden gefördert und auf lange Sicht gesehen auch die Geraderichtung und Versammlung. Je nach Ausbildungsstand gehören dazu Große Touren, Kleine Touren und Schlangebögen, später auch die Seitengänge. Letztere führen zusätzlich zu mehr Beweglichkeit im Schultergürtel – Voraussetzung für die Kräftigung dieser Partie und damit auch für das Anheben des Schulterbereichs (quasi des vorderen Stützpfeilers der funktionierenden Bogensehnenbrücke).

Was die Übung bringt:
- Förderung der lateralen Beweglichkeit  
- Kräftigung der seitlichen Bauchmuskulatur  
- Verbesserung der Geraderichtung  
- Förderung von Tragkraft  
- Anhebung des Schultergürtels  
- vermehrte Schulterfreiheit

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Im Galopp wird die gesamte Rückenlinie angehoben. © www.slawik.com

6. Galopparbeit

Viele Pferde werden viel zu wenig im Galopp gearbeitet. Dabei ist gerade diese Gangart so wichtig für den Pferderücken. Durch den natürlichen Bewegungsablauf des Galopps erreicht das Pferd in der Flugphase Sprung für Sprung einen Moment, in dem sich alle vier Beine aufwärts Richtung Rumpf bewegen. Dabei spannt sich automatisch die Bauchmuskulatur des Pferdes und hebt den Rücken an. Voraussetzung dafür ist ein taktsicherer und rund gesprungener Galopp, gern auch in Form eines frisch vorwärts gerittenen Arbeitsgalopps.

Was die Übung bringt:
- Training der Bauchmuskulatur
- Anheben der gesamten Rückenlinie
- Kräftigung sämtlicher Muskeln

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Streckt sich das Pferd vorwärts-abwärts, wird das Nacken-Rückenband gedehnt und über die Verbindungsstellen der Dornfortsätze am Widerrist auch der Rücken angehoben. © www.slawik.com

7. Wechselnde Kopf-Hals-Einstellungen

Mal in Gebrauchshaltung, mal in Dehnungshaltung vorwärts-abwärts, mal in relativer Aufrichtung: So sollte die Arbeit mit einem Pferd, natürlich immer passend zum jeweiligen Ausbildungsstand, aussehen. Ausschließliches Reiten im Vorwärts-Abwärts bringt das Pferd auf die Vorhand, verhindert auf Dauer das wichtige Unterfußen der Hinterbeine Richtung Schwerpunkt und ist somit eher rückenschädlich als hilfreich. Ausschließliches Reiten in Aufrichtung ermüdet dagegen die Halsmuskulatur, führt zur Kompensation über den Rückenmuskel, dort zu Verspannungen und schließlich zu Rückenproblemen. Die Kunst liegt also im Wechsel der Halspositionen. Je weiter ein Pferd ausgebildet und je kräftiger seine Oberhalsmuskulatur ist, desto länger kann es in Aufrichtung geritten werden. Bei weniger gut ausgebildeten bzw. jüngeren Pferden sollten die Momente in Aufrichtung entsprechend kürzer ausfallen. Plötzliches Hinter-die-Senkrechte-Geraten, Aufrollen, Zähneknirschen, Schweifschlagen – all das kann ein Hinweis auf eine Muskelermüdung sein und sollte mit einer aktiven (vorübergehend in Dehnungshaltung arbeiten) oder passiven (Schritt am hingegebenen Zügel) Pause beantwortet werden.

Was die Übung bringt:
- verbesserte Durchblutung des Rückenmuskels  
- Verhinderung von Ermüdung durch Verpannung/Sauerstoffmangel/Übersäuerung  
- Unterstützung der Funktionskette Halswirbelsäule – Rücken (beim Absenken Erhöhung des Zugs auf das Nackenrückenband mit Anheben des Brustkorbes und Auffächerung der Brustwirbel nach vorn

8. Cavaletti-Arbeit

Das Reiten über Cavaletti lädt das Pferd ein, sich leicht vorwärts-abwärts an die Reiterhand heranzudehnen. Zusätzlich muss es über den Bodenricks die Beine aktiver anheben und mit der Hinterhand mehr unter den Schwerpunkt fußen.

Was die Übung bringt:
- Aufwölbung der gesamten Oberlinie (auch im Bereich der Brustwirbelsäule)  
- Aktivierung von Vorderbeinen, Schultergürtel und Hinterbeinen  
- allgemeine Verbesserung von Anlehnung und Losgelassenheit

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Über dem Sprung wölbt das Pferd seine gesamte Oberlinie auf - kleine Hindernisse fördern die Beweglichkeit. © www.slawik.com

9. Gymnastikspringen

Jedes Pferd sollte ab und zu über Hindernisse geritten werden. Das bringt erstens Abwechslung in den Trainingsalltag, zweitens kann es helfen, den Pferderücken zu lockern oder locker zu halten. Untrainierte Pferde sollten allerdings nicht zu hoch springen, da dies wiederum zu einer Überbelastung vor allem der Brustwirbelsäule während der Landung führen könnte. Kleine Hindernisse, geritten aus einem fleißigen, rhythmischen Galopp, sind hingegen eine gute Gymnastik für Pferde aller Sparten. Dabei ist darauf zu achten, dass das Pferd ruhig und durchlässig in feiner Anlehnung zum Sprung kommt und weder eng aufgerollt wird noch sich mit hochgerecktem Kopf der Reiterhand entzieht und davonstürmt. Eine schöne Bascule, also die der Flugkurve entsprechende bogenförmige Haltung des Pferdes über dem Sprung, ist wichtig, damit die positiven Effekte des Springens zum Tragen kommen können.

Was die Übung bringt:
- Aufwölbung der gesamten Oberlinie  
- vermehrte Beugung der Hanken  
- vermehrte Kraftentwicklung der Hinterhand  
- Training der Bauchmuskulatur

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Bergauf und bergab in hügeligem Gelände ist ein hervorragendes Training für den Pferderücken. © www.slawilk.com

Bergauf- und bergabreiten

Für rückengeplagte Pferde oder auch zur Vorbeugung von Rückenproblemen ist das Reiten im Gelände – und hier vor allem das Bergauf- und Bergabreiten – ideal, denn es trainiert Muskeln, Bänder und Gelenke, die man im Training sonst nicht so gut oder nicht so intensiv erreichen kann. Geht es bergauf, muss das Pferd seine Körpermasse kraftvoll mit seiner Hinterhand schieben. Dabei senkt es automatisch seinen Hals und nimmt eine Dehnungshaltung ein – Schubkrafttraining pur. Beim Bergabreiten dagegen wird sich ein Pferd instinktiv aufrichten und mit seinen Hinterbeinen weiter unter seinen Schwerpunkt nach vorn fußen, um nicht vornüber zu kippen – Tragkrafttraining in Vollendung. Abhängig vom Trainings- und Gesundheitszustand des Pferdes muss hier natürlich behutsam vorgegangen werden, und die Anforderungen dürfen erst nach und nach gesteigert werden.

Was die Übung bringt:
- Förderung von Schub- und Tragkraft  
- deutliche Aufwölbung der Oberlinie (bergauf)  
- deutliche Aufwölbung der Lendenpartie (bergab)  
- allgemeiner Kraftaufbau

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Dieser Artikel von Dr. Britta Schöffmann wurde erstmals in Ausgabe 9/2017 der Pferderevue veröffentlicht. Pferderevue AbonnentInnen können diese Artikel zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach in unserem E-Paper-Bereich einloggen und in allen Heften aus über 25 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!