Wer seinem Pferd auch noch in dessen letzter Stunde zur Seite stehen will, muss sich früher oder später mit dem Thema Sterbebegleitung auseinandersetzen. Denn wie im Leben spielt auch an der Grenze des Lebens der Mensch eine wichtige Rolle für das Pferd. © Jonnysek - fotolia.com
Pferde machen es uns nicht leicht: In den seltensten Fällen entschläft der geliebte Freund friedlich während der Nacht, tief auf weichem Stroh gebettet und wohlig umsorgt. Einen solchen Abschied wünscht sich jeder für seinen Schützling – tatsächlich muss man sich aber mit dem Gedanken der Sterbehilfe anfreunden, will man dem Pferd ein kurzes und schmerzloses Ableben bereiten.
Den Pferdebesitzer trifft bei der Tötungsentscheidung eine große Verantwortung. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, verlangt tiefgreifende Überlegungen über die Würde und den Wert des Lebens – Gedanken, die einem Menschen angesichts des einst so agilen Pferdes schwerfallen und mitunter gerne an andere delegiert werden. Wie oft hört man von ausrangierten Pferden, die – aus den Augen, aus dem Sinn – auf eine Gnadenweide im Ausland verpflanzt werden und irgendwann auf telefonisch geäußerten Wunsch des Besitzers getötet werden. „Er soll ja nicht leiden“, wird eine derart gefällte Entscheidung meist begründet – dabei stellt sich die Frage, ob denn mit dem Wörtchen „er“ vielleicht nicht auch der Besitzer selbst gemeint ist.
Der richtige Zeitpunkt
Viele Pferdehalter überlegen sich schon im Vorhinein Kriterien für ein zufriedenes Pferdeleben. Diese Kriterien helfen im Ernstfall, eine Entscheidung zu fällen, wenngleich die eigene Urteilsfähigkeit in diesem Moment meist geschwächt ist. Deshalb ist es besonders wichtig, einen Tierarzt seines Vertrauens zu Rate zu ziehen. Dr. Constanze Zach, FEI-Pferdetierärztin betont die Bedeutung dieses Vertrauensverhältnisses: „Die Entscheidung, ein Pferd zu euthanasieren kann sich – soweit keine akuten Indikationen für eine Tötung sprechen – über mehrere Wochen hinziehen, in denen der Tierarzt gemeinsam mit dem Pferdebesitzer das Pferd eingehend in seinem Sozialverhalten beobachtet und seinen Gesundheitszustand überwacht. Ein wichtiges Kriterium dabei ist, ob sich das Pferd hinlegt. Viele altersschwache Pferde trauen sich nämlich nicht mehr, sich niederzulegen – aus Angst sie könnten bei Gefahr im Verzug nicht mehr flüchten. Da das Pferd aber ein Fluchttier ist, muss es sich immer die Möglichkeit bewahren, rechtzeitig wegzukommen.“
Leidet das Pferd unter Schmerzen „sollte man sich immer überlegen, was man sich als Pferd selbst wünschen würde“, so Dr. Zach. „Als Mensch denkt man auch noch lange nicht ans Sterben, nur weil man Kopfwehmittel nimmt. Ich kenne viele Pferde, die zwar nicht mehr reitbar sind, aber mit einer geringen Dosis Schmerzmittel pro Tag ein erfülltes und glückliches Koppelleben führen.“
Eine weitere Faustregel lautet: Die positiven Aspekte des Pferdedaseins sollten die negativen – wie etwa Schmerzen – überwiegen. Tun sie das nicht, muss man daran denken, das Pferd zu erlösen. Die Entscheidung selbst kann jedoch immer nur im Einzelfall getroffen werden, hier hilft keine pauschalierende Formel. Was zählt, ist Verständnis und Mitgefühl für das Tier und seine naturgegebenen Ansprüche an ein tiergerechtes Leben. Kein Pferd sollte daher um jeden Preis und mit allem erdenklichen Aufwand am Leben gehalten werden, wenn keine Verbesserung seiner Situation in Aussicht ist oder wenn es seinem Herden und Fluchtinstinkt nie wieder nachkommen wird können.
Die Methode der Wahl
Es gibt zwei gängige Methoden der Euthanasie beim Pferd: Das Einschläfern durch Verabreichung von Injektionen und die Betäubung durch den Bolzenschussapparat. Beide Methoden sind, wenn sie fachgerecht durchgeführt werden, weder schmerzhaft noch qualvoll. Welcher Methode man den Vorzug gibt, muss man anhand der eigenen Belastbarkeit und den individuellen Eigenschaften des Pferdes abwägen. Dabei macht es für ein leidendes Pferd wahrscheinlich wenig Unterschied, wer ihm in seinen letzten Stunden beisteht: Was zählt ist, dass der/diejenige ihm Ruhe vermittelt und es nicht durch die eigene Nervosität ängstigt.
Gewissenssache
Pferde sind tapfere Tiere: Jahrelang verrichten sie ihren Dienst für den Menschen, leben oft unter den unnatürlichsten Bedingungen und geben doch keinen Schmerzenslaut von sich. Ein Pferd bis in den Tod zu begleiten kann somit nur ein stiller Dank für dessen Geduld und Gutmütigkeit sein. Abschied nehmen verlangt viel Kraft – Kraft, die uns das Pferd schon sein ganzes Leben lang gewidmet hat.