Manche Pferde laufen wie "mit angezogener Handbremse". Die Ursachen hierfür können vielfältig sein. © www.slawik.com
Diese Frage hat Pferderevue-Leserin Barbara an unsere Expertin für Pferdemedizin Dr. Bernadette Linsbichler gerichtet:
„Unser 8jähriger Arabohaflinger läuft wie "mit angezogener Handbremse". Er wurde bereits tierärztlich durchgecheckt, chiropraktisch behandelt. Eigentlich sollte alles in Ordnung sein, aber wenn der Reiter nicht dauernd am Treiben ist, schläft er völlig ein. Selbst beim Gruppengalopp im Gelände braucht man fast eine Gerte...
Ich bin mir nicht sicher ob er einfach so ein gemütlicher Typ ist (er war schon beim Zureiten sehr brav, hat noch nie gebuckelt o. Ä.) oder ob er irgendwo doch Schmerzen oder irgendeine Blockade hat. Unter einem starken Reiter geht er ganz passabel, aber ich möchte ihn auch nicht quälen falls er irgendwo ein verstecktes Problem hat. Ich hätte doch sehr gerne ein temperamentvolleres Pferd, das er nach seiner Rasse ja auch sein sollte, die "Verwandtschaft" aus gleicher Zucht, im gleichen Stall ist absolut fit!
Dazu Dr. Linsbichler
„Das Temperament eines Pferdes, denke ich, ist immer von mehreren Faktoren abhängig: Rasse, Charakter, Haltungsbedingungen (Offenstall, Boxenhaltung, etc.), Fütterung (Heu ad libitum?, Kraftfutter - wie viel, wie oft und was?, etc.), dem Reiter und seiner Wirkung auf das Pferd und nicht zuletzt die Gesundheit. Für mich ist es natürlich aus der Ferne schwer zu beurteilen, was ihrem Pferd fehlt oder ob ihm überhaupt etwas fehlt.
Aus tierärztlicher Sicht kann man eine komplette klinische Untersuchung durchführen, nach der man dann entscheiden kann, ob eventuell noch weitere Untersuchungen von Nöten sind (z.B.: Verdacht auf Magengeschwüre - Gastroskopie). Ansonsten kann ein großes Blutbild nicht schaden. Ich würde auch das Gangbild des Pferdes beurteilen (zuerst ohne, dann eventuell mit Reiter) und den Rücken untersuchen. Vielleicht hat ihr Pferd zwar keine Blockaden, aber muskuläre Verspannungen im Rücken oder der Sattel passt nicht zu 100%.
Ich persönlich habe auch einen Wallach, der sehr, sehr, sehr gemütlich ist. Seine Eltern waren das glatte Gegenteil davon. Er hat keine gesundheitlichen Probleme, lebt im Offenstall und frisst Heu ad libitum. Ich könnte ihn sicher durch reine Boxenhaltung mit zwei Stunden Tageskoppel und einer Steigerung der Kraftfuttergabe ein wenig spritziger machen. Aber ich habe den Eindruck, dass er so wie er ist, sehr glücklich und zufrieden ist."
Zur Person
Dr. med. vet. Bernadette Linsbichler studierte und promovierte an der veterinärmedizinischen Universität in Wien. 2009 absolvierte unsere Fachautorin für medizinische Belange in Stadl-Paura die Ausbildung zur Turniertierärztin. Nach mehreren Jahren praktischer und sportmedizinischer Tätigkeit im In- und Ausland – unter anderem an der Pferdeklinik der Vetsuisse Fakultät in Zürich und an der Pferdeklinik der Vetmeduni Wien – ist Bernadette Linsbichler seit 2011 mit ihrer selbständigen Pferdefahrpraxis unterwegs, um Pferden und deren BesitzerInnen mit ihrer Fachkompetenz zur Seite zu stehen.
Mehr Informationen zu Dr. med. vet. Bernadette Linsbichler unter www.pferdearzt.at
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