Die Ursache für Unfälle im Rahmen des Unterrichts kann im Bereich des/der Reitlehrers/in, der äußeren Umstände, des Pferdes, des/r Reiters/in selbst oder der Gefährlichkeit des Sportes an sich gelegen sein. Je nach Unfallursache kommen verschiedene Verantwortliche in Frage.
Das ABGB (Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch) enthält in § 1299 ff Sondervorschriften für die Haftung von Sachverständigen und Ratgebern. Sachverständige sind Personen, die sich öffentlich „zu einem Amte, einer Kunst, einem Gewerbe oder Handwerk bekennen oder die freiwillig Geschäfte übernehmen, deren Ausführung besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert“. Sobald jemand einem anderen Reitunterricht erteilt, gibt er zu erkennen, dass er sich die dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zutraut und ist damit als Sachverständige/r im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen. Rechtlich gesehen hat das zur Folge, dass jeder, der Reitunterricht erteilt, einen verschärften Sorgfaltsmaßstab gegen sich gelten lassen muss: Er hat für das Fehlen von Kenntnissen einzustehen, die von einem durchschnittlichen Angehörigen seiner Berufgruppe erwartet werden können. Ob der/die Betreffende das Unterrichten tatsächlich als Beruf oder bloß nebenbei ausübt, ist unerheblich.
Lässt sich der/die ReitlehrerIn für den Unterricht bezahlen, kommt rechtlich gesehen ein Vertrag zustande, und der/die ReitlehrerIn haftet dem/der ReitschülerIn bereits für leichte Fahrlässigkeit! Außerdem hat der/die Geschädigte bei einem Unfall den Vorteil, daß der/die ReitlehrerIn als Vertragspartner beweisen muss, dass er/sie die Pflichten aus dem Reitausbildungsvertrag nicht verletzt hat, also den Unterricht so erteilt hat, daß der/die ReitschülerIn dabei nicht mehr gefährdet wird, als beim Reiten ohnedies üblich und unvermeidbar. Wenn sich herausstellt, dass ein Fehlverhalten des/der Reitlehrers/in unfallursächlich war, kann der/die ReitlehrerIn zum Schadenersatz herangezogen werden – das bedeutet, für Behandlungskosten, Pflegeaufwand, Schmerzengeld und allenfalls auch Verunstaltungsentschädigung und Verdienstentgang aufkommen zu müssen. Bei bleibenden Schäden der/s Verletzten können die zu bezahlenden Geldsummen existenzvernichtende Ausmaße erreichen. Der Abschluss einer Reitlehrerhaftpflichtversicherung und einer geeigneten Rechtschutzversicherung sollte daher eine Selbstverständlichkeit sein. Für den/die ReitschülerIn oder seine Eltern ist es sinnvoll und ratsam, sich das Vorliegen einer Haftpflichtversicherung nachweisen zu lassen, denn „wo nix is“, hat bekanntlich nicht nur der Kaiser sein Recht verloren: Es hilft wenig, wenn der/die ReitlehrerIn rechtlich haftet, aber nicht über das Einkommen/Vernögen verfügt, um für teure Unfallfolgen aufkommen zu können.
Kommt es nach einem Reitunfall zum Gerichtsverfahren, so prüft ein vom Gericht bestellter (allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter) Sachverständiger, ob das Verhalten des/der Reitlehrers/in gewissenhaft und sorgfältig war oder ob ihm eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Dabei ist zwar nicht unbedingt entscheidend, ob die unterrichtende Person über eine anerkannte Ausbilderprüfung, wie etwa den Übungsleiter, verfügt, allerdings ist zu bedenken, daß der vom Gericht bestellte Sachverständige sein Gutachten häufig aufgrund von Aussagen der beteiligten Zeugen und Parteien erstattet, sohin also keine Gelegenheit hat, sich über die Fähigkeiten der unterrichtenden Person selbst ein Bild zu verschaffen. Verfügt die betreffende Person über eine Ausbilderprüfung, so wird auch ein Sachverständiger in aller Regel davon ausgehen, daß diese Person grundsätzlich zur Erteilung von Reitunterricht qualifiziert ist (was freilich noch nicht bedeuten muss, dass ihr im konkreten Fall kein Fehler vorzuwerfen ist).
Zur Beurteilung der Frage, ob ein haftungsrelevantes Fehlverhalten vorlag, stellt der vom Gericht bestellte Sachverständige auf die im Umgang mit Pferden und beim Reiten allgemein anerkannten Regeln und Sorgfaltsmaßstäbe ab. Dabei wird er in der Regel versuchen, sich bei der Erstattung seines Gutachtens primär auf bekannte und veröffentlichte Regelwerke, Bücher, Skripten und Richtlinien zu stützen – also etwa auf die „Richtlinien für Reiten und Fahren der deutschen reiterlichen Vereinigung“ oder z. B. auf das vom BFV in Österreich veröffentlichte Skriptum „Reittheorie, Grundausbildung“ – und erst in zweiter Linie auf seine persönlichen Erfahrungswerte.
Wer sich jetzt die Frage stellt, wie diese im Umgang mit Pferden und beim Reiten allgemein anerkannten Regeln und Sorgfaltsmaßstäbe inhaltlich aussehen, der sollte sich dreimal überlegen, ob er tatsächlich Reitunterricht erteilen möchte! Lediglich beispielhaft sei erwähnt, dass es dabei um Regeln über
- die richtige Deutung des Verhaltens und der Körpersprache eines Pferdes,
- das richtige Herantreten an ein Pferd,
- das richtige Führen, Anbinden, Satteln, Zäumen und Verpflegen eines Pferdes,
- die richtige Reitbekleidung,
- das richtige Auf- und Absitzen, n den korrekten Sitz und die richtige Hilfengebung durch den Reiter,
- das richtige Longieren, n die Einhaltung der Reitbahnordnung,
- das richtige Verhalten beim Reiten im Gelände und im Straßenverkehr und n das Erkennen von Gefahrensituationen und das richtige Reagieren darauf geht.
Auch andere kann die Haftung treffen…
Nicht nur der/die ReitlehrerIn kann bei einem Fehler mit Schadenersatzansprüchen konfrontiert sein: Wenn der/die ReitschülerIn nicht direkt dem/der ReitlehrerIn das Entgelt für den Unterricht bezahlt, sondern dem Reitbetrieb/Reitverein, der dann eine/n bei ihm beschäftigte/n ReitlehrerIn zur Verfügung stellt, dann kommt der Reitausbildungsvertragnicht mit dem/der ReitlehrerIn, sondern mit dem Reitbetrieb/Reitverein zustande. Gleiches gilt übrigens auch für die Erteilung von Reitunterricht in Sommerreitlagern: Auch hier kommt es neben dem Abschluss eines Verpflegungsvertrages (und der Übernahme gewisser Aufsichtspflichten) zum Abschluss eines Reitausbildungsvertrages mit dem Veranstalter des Sommerreitlagers. In diesem Fall haftet der Reitbetrieb/Reitverein bzw. der Veranstalter des Sommerreitlagers für ein schuldhaftes Verhalten des/der von ihm eingesetzten Reitlehrers/in im Rahmen der sogenannten Erfüllungsgehilfenhaftung wie für sein eigenes. Von jedem Reitbetrieb/ Reitverein oder Veranstalter von Reiterlagern sollte daher unbedingt einer Betriebsversicherung für Pferdesportbetriebe abgeschlossen werden! In diesem Zusammenhang sei erwähnt: Gefahrenquellen auf der Reitanlage, wie ein rutschiger Hallenboden, hervorstehende Steine, herausragende Nägel in der Reithallenbande u. s. w., können natürlich ebenfalls Urasche für schlimme Unfälle und damit haftungsbegründend sein!
Reitstunde kostet € 11.000,–
Ihre Arglosigkeit wurde nun für eine Ranklerin zu einem teuren Bumerang. Sie hatte ihrer Bekannten aus Gefälligkeit Reitstunden gegeben, muss nun den Schaden aus deren Unfall bezahlen und wurde sogar strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
Die 40jährige Lustenauerin wollte unbedingt reiten lernen. So longierte sie ihre ehemalige Arbeitskollegin drei Stunden und brachte ihr für 15,– Euro pro Stunde die Grundbegriffe bei. Danach ging es in Rankweil ins Gelände, wo das Pferd der Anfängerin scheute, durchging und sie abwarf. Die Lustenauerin brach sich das Schamund das Schlüsselbein und zog sich mehrere Hautabschürfungen am Kopf zu. Nicht ins freie Gelände. Ihre Instruktorin wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt und musste der Verletzten 9.300,– Euro Schadenersatz plus Prozesskosten bezahlen. Immerhin verbrachte die Patientin zehn Tage im Spital und weitere zwei Monate im Krankenstand. Wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde eine bedingte Geldstrafe von 900,– Euro ausgesprochen. Ein Sachverständiger aus dem Bereich des Reit- und Fahrsportes stellte fest: „Die Ausbilderin hätte zumindest Reitwart sein müssen, um Reitunterricht geben zu dürfen. Außerdem hätte diese Anfängerin niemals einen Ausritt ins freie Gelände wagen dürfen.“ Nicht viel anders sah es das Zivilgericht. Auch dort warf man der Verantwortlichen vor, sich sorglos verhalten zu haben. Ihre Unvorsichtigkeit kam die Beklagte teuer zu stehen. 5.000,– Euro Schmerzengeld, dazu Verdienstentgang, Haushaltshilfe und Prozesskosten: In Summe musste sie der Verletzten 11.000,– Euro bezahlen. „Meine Mandantin war lange in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt, und es ist offen, ob ihr nach diesem Unfall Beschwerden zurückbleiben“, rechtfertigt Surena Ettefagh die Ansprüche seiner Mandantin. Sowohl das Straf- als auch das Zivilurteil sind rechtskräftig. Vorarlberg Online, 16. Juni 2008
Das Pferd – ein unberechenbares Wesen
Neben der angesprochenen Haftung aus dem Reitausbildungsvertrag kommt auch die Haftung des/der Tierhalters/in nach § 1320 ABGB in Betracht. Sie knüpft an die Überlegung an, dass von Tieren – und so auch von Pferden – eine generelle Gefährlichkeit ausgeht, da sie vom Menschen nie vollständig beherrscht werden können. Der/die TierhalterIn ist für alle Schäden, die das Tier verursacht, verantwortlich, wenn er nicht beweisen kann, dass er für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung gesorgt hat. TierhalterIn ist, wer über die Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet – das muss nicht immer der Eigentümer sein.
Wenn dieselbe Person, die der/die ReitschülerIn für den Unterricht bezahlt, mit der er also den Reitausbildungsvertrag geschlossen hat, auch HalterIn des Pferdes ist, so ergibt sich deren Haftung bei unzureichender Verwahrung und Beaufsichtigung des Pferdes meist schon aus dem Reitausbildungsvertrag, und die Tierhalterhaftung tritt der vertraglichen Haftung bloß hinzu. Es kann aber durchaus sein, dass eine andere Person als die, mit der der Reitausbildungsvertrag geschlossen wurde, TierhalterIn ist. Diese Person würde (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für eine Tierhalterhaftung) dann für die Folgen eines Unfalles mit einstehen müssen, wenn sie eine ungeeignete Person mit der Verwahrung und Beaufsichtigung ihres Pferdes betraut hätte. Beispielsweise ist hier an die Konstellation zu denken, dass der Eigentümer des Pferdes erlaubt, dass jemand sein Pferd zum Unterricht einsetzt, obwohl er weiß, dass diese Person nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, um richtig mit dem Pferd umzugehen. Anders verhält es sich wieder, wenn der/die EigentümerIn eines Pferdes sein Pferd bloß vermietet, ohne die Nebenabrede, dass auch Reitunterricht erteilt werden soll. Der Oberste Gerichtshof entschied in so einem Fall (GZ 1 Ob 666/85), dass der Eigentümer nur auf besondere Eigenschaften seines Pferdes hinweisen muss, aber keine darüber hinausgehenden Warnpflichten hat.
Das beliebte Ponyreiten stellt dabei allerdings eine Art „Mittelding“ dar: Einerseits ist bei Kindern davon auszugehen, dass erhöhte Warnpflichten hinsichtlich allgemein drohender Gefahren bestehen, andererseits bleibt die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwahrung und Beaufsichtigung beim Vermieter der Ponys, auch wenn dabei kein Reitunterricht erteilt wird.
Auch wenn die Vielzahl der aufgezeigten Haftungsgrundlagen verwirrend anmutet, ist die Frage, ob jemand für die Folgen eines Reitunfalls haftet, doch recht kurz zusammenzufassen: Wer stets die ihm erkennbare und zumutbare Sorgfalt einhält, hat nichts zu befürchten.
Vertraglicher Haftungsausschluss
In vielen Reitschulen und insbesondere bei Kinderreitlagern wird versucht, die Haftung für Unfälle von vorneherein auszuschließen oder einzuschränken. Man könnte dieses Thema guten Gewissens mit der Aussage abtun: „Es funktioniert nicht.“ Mit der beliebten Tafel „Reiten auf eigene Gefahr“ hat sich der Oberste Gerichtshof (in 2 Ob 516/91) bereits vor 17 Jahren ausführlich beschäftigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass so eine Tafel nicht mehr ist, als ein allgemeiner Hinweis auf die Gefährlichkeit dieses Sportes und daher nicht geeignet, Schadenersatzansprüche zu beschränken.
Doch wie sieht es mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus, die im Reitstall angeschlagen werden oder mit Haftungsausschluß oder Haftungsbeschränkung durch schriftliche und unterschriebene Vereinbarungen? So enttäuschend es für ReitstallbetreiberInnen und ReitlehrerInnen auch sein mag: Vertragsbestimmungen, mit denen die Haftung eines Unternehmers (und als solcher werden Reitstallbetreiber- In und ReitlehrerIn in aller Regel zu qualifizieren sein) für Schäden an der Person, also Schäden am Körper und an der Gesundheit, ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, sind nach § 6 Abs 1 Z 9 Konsumentenschutzgesetz nichtig, sprich unwirksam.
Nicht immer gibt es einen Schuldigen
Der Umgang mit dem Pferd birgt zahlreiche Gefahren, auch hier ist vom/von der ReitlehrerIn Fachwissen gefordert. © www.slawik.com
Bei allen nur erdenklichen Möglichkeiten der Haftung Dritter für Verletzungen beim Reitunterricht sollte niemals in Vergessenheit geraten, dass es bei der Ausübung des Reitsportes zu Schäden kommen kann, für die niemand haftet. So ist häufig die Ursache eines Sturzes vom Pferd gar nicht eruierbar oder selbst durch den/die sorgfältigste/n Reitlehrer- In nicht zu verhindern. Auch die ständige Rechtsprechung vertritt die Auffassung, daß Reiten an sich eine gefährliche Sportart ist, was schon in der Natur des Pferdes als Flucht- und Herdentier und seinem oft unvorhersehbaren Verhalten begründet liegt. Schließlich sind unzählige Konstellationen denkbar, bei denen der/die ReiterIn ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalles zu verantworten hat und sich der Schadenersatz daher im Ausmaß seines/ihres eigenen Verschuldens reduziert.
Dies bedenkend, sollte vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens sorgfältig geprüft werden, ob und in welchem Ausmaß ein Dritter für die Unfallsfolgen haftbar gemacht werden kann. Im Übrigen sollte man sich stets der Gefahren dieses Sportes bewusst sein und auch seine Kinder zu entsprechender Eigenverantwortung und Umsicht im Umgang mit Pferden anhalten! Und in jedem Fall gilt: Versichern beruhigt, und der Abschluss einer guten Unfallversicherung und einer geeigneten Rechtsschutzversicherung kann sich auszahlen.