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Zu Unrecht ermäßigt

Ein Artikel von Mag. Helwig Schuster | 27.02.2012 - 16:00

Pferde sind keine Lebensmittel. Zumindest nicht prinzipiell. Davon geht der Europäische Gerichtshof aus, der jüngst in seinem Urteil gegen die Niederlande gegen einen verminderten Umsatzsteuersatz bei Haltung und anderen Umsätzen mit Sportpferden entschieden hat. Und sehr wahrscheinlich droht auch Österreich in Kürze ein ähnliches Urteil.

Österreichische Rechtslage

Der Normalsteuersatz beträgt in Österreich für die Umsatzsteuer bekanntlich 20 Prozent. § 10 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) normiert Ausnahmen, bei denen sich der Umsatzsteuersatz auf zehn Prozent ermäßigt. Gemäß dem österreichischen Umsatzsteuerrecht unterliegt – wenn überhaupt eine Umsatzsteuerpflicht vorliegt, siehe dazu noch weiter unten – die Lieferung und die Einfuhr von Pferden sowie die Aufzucht, das Mästen und das Halten – also auch die Einstellgebühr – von Pferden generell dem ermäßigten zehn prozentigen Umsatzsteuersatz.

Was sagt das EU-Recht?

Zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union über die Umsatzsteuer hat der Rat der Europäischen Union die sogenannte Mehrwertsteuersystemrichtlinie (RL 2006/112/EG) erlassen. Als Richtlinie stellt sie vereinfacht gesagt eine Anordnung an die Mitgliedstaaten dar, ihr nationales Recht entsprechend der Richtlinie zu gestalten. Kontroll- und Entscheidungsorgan für die Einhaltung der Richtlinien ist der Europäische Gerichtshof (EuGH).

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Noch unterliegt die Pferdehaltung in Österreich einem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Mit dem EuGH-Urteil gegen Österreich könnte sich dies aber in absehbarer Zeit ändern. © Aintschie - Fotolia.com

Gemäß Artikel 98 der erwähnten Mehrwertsteuersystemrichtlinie können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, dies jedoch nur auf Lieferungen und Dienstleistungen, die in Anhang III der erwähnten Richtlinie genannt sind. Ziffer 1 dieses Anhanges III lautet in der deutschen Fassung: „Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten sowie üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse“ Die Niederlande, Deutschland, Frankreich und Österreich leiten aus diesen Bestimmungen ab, dass ein ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Pferden generell zulässig ist, ohne Differenzierung, ob es sich um ein Reit- bzw. Sportpferd einerseits oder um ein Pferd handelt, das „für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln“ bzw. für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung dient. Dies deswegen, da in der Bestimmung des Anhanges III. Ziffer 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gleichwertig lebende Tiere neben anderen Positionen wie Nahrungs- und Futtermittel aufgezählt werden.

Die Europäische Kommission sieht dies anders und hat gegen die Niederlande (Rechtssache C-41/09), gegen Deutschland (C-453/09), gegen Frankreich (C-596/10) und auch gegen Österreich (C-441/09) jeweils Klagen mit der grob zusammengefassten Begründung eingebracht, dass durch die Anwendung eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die Lieferung und Haltung von Reit- und Rennpferden gegen Unionsrecht verstoßen werde.

Urteil gegen die Niederlande

Mit dem Urteil vom 3. März 2011 im Verfahren der Kommission gegen die Niederlande (C-41/09) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass bei Pferden ein ermäßigter Umsatzsteuersatz nur dann zulässig ist, wenn das einzelne Pferd zum menschlichen Verzehr oder zur Futtermittelherstellung vorgesehen ist. Während die deutsche oder die niederländische Fassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie von ihrem Wortlaut her durchaus die Interpretation zulasse, dass beim lebenden Tier nicht das Erfordernis besteht, dass dieses üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln dient, lasse etwa die englische, spanische, griechische oder italienische Fassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie von der Wortinterpretation her das Erfordernis zu, dass der verminderte Umsatzsteuersatz nur zur Anwendung komme, wenn die jeweilige Tiergattung üblicherweise der Verwendung für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln dient.

Bei Abweichungen in den verschiedenen Sprachfassungen sei nun die Norm anhand ihrer Systematik und des von ihr verfolgten Zieles auszulegen, um eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu gewährleisten. Der EuGH meint, dass Ziffer 1 des Anhanges III der Mehrwertsteuersystemrichtlinie insgesamt Nahrungs- und Futtermittel zum Inhalt habe. Pferde seien nicht gewöhnlich und generell dafür bestimmt, in die menschliche oder tierische Nahrungskette zu gelangen (Anmerkung des Autors als Pferdeliebhaber: Dies trifft sicherlich zu!). Daher müsse bei jedem Umsatz mit einem Pferd konkret überprüft werden, ob das jeweils einzelne Pferd dazu bestimmt ist, in die menschliche oder tierische Nahrungskette zu gelangen; nur, wenn dies der Fall ist, könne ein ermäßigter Umsatzsteuersatz zur Anwendung gebracht werden.

Folgen für die künftige österreichsiche Rechtslage

Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten angehalten, die Rechtsvorschriften unionskonform auszulegen. Anhand des zitierten Urteils des EuGH gegen die Niederlande vom 3. März 2011 liegt insofern bereits eine Richtungsweisung auch für die österreichische Rechtslage vor. Bei dieser konkreten Thematik ist freilich zu berücksichtigen, dass bei einer Erhöhung der Umsatzsteuer für die Pensionsviehhaltung und damit für Einstellgebühren (soweit sie überhaupt der Umsatzsteuer unterliegen, siehe unten) von zehn auf 20 Prozent in eine Unzahl von bestehenden Einstellverhältnissen massiv eingegriffen wird.

Meines Erachtens völlig zu Recht wird beim österreichischen Finanzministerium daher vorerst das Einlangen des Urteils des EuGH in dem gegen Österreich anhängigen Verfahren (C-441/09) abgewartet. Danach werden voraussichtlich die einschlägigen Vorschriften an das gegen Österreich gefällte Urteil des EuGHs anzupassen sein, dies – wiederum mit Rücksicht auf die weitreichende Auswirkung auf bestehende Einstellverhältnisse – mit entsprechenden Übergangsfristen. Diese sollten meines Erachtens großzügig, etwa mit einem Jahr oder frühestens zu Beginn des Jahres 2012, bemessen werden. Angesichts der Ähnlichkeit der bisherigen niederländischen Rechtslage im Zusammenhang mit Pferden mit dem österreichischen Umsatzsteuersystem ist aber mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das Urteil des EuGH gegen Österreich inhaltlich weitgehend das gleiche Ergebnis haben wird wie das bereits vorliegende Urteil gegen die Niederlande.

Welche Reitställe wären betroffen?

Nicht jede Pferdeeinstellung unterliegt der Umsatzsteuer. Pferdeställe, die im Sinne des Steuerrechtes als landwirtschaftlicher Betrieb eingestuft und landwirtschaftlich pauschaliert sind, sollten grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit haben, unabhängig vom Leistungsgegenstand keine Umsatzsteuer abzuführen bzw. eine zwölfprozentige Umsatzsteuer – so wie bisher – auszuweisen. Landwirtschaftliche Pferdeställe, bei denen die Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Pauschalierung vorliegen, die aber aus bestimmten Überlegungen für die Umsatzsteuer optiert haben, könnten – immer in Absprache mit dem Steuerberater! – die Möglichkeit haben, zur Pauschalierung überzugehen, um einer allfälligen Umsatzsteuerproblematik aufgrund des zu erwartenden Urteils des EuGHs gegen Österreich auszuweichen.

Es gibt auch Pferdeställe, die steuerlich als Liebhabereibetrieb eingestuft sind, weil sie dauerhaft und nachhaltig keinen Gewinn erzielen. Zum Teil werden derartige Betriebe durch einen Verein geführt. Sofern die Einstufung als Liebhabereibetrieb auch für den Umsatzsteuerbereich gilt, entfällt auf die Einstellgebühr keine Umsatzsteuer (der Betrieb genießt dann natürlich auch keinen Vorsteuerabzug).

Ob im Einzelfall durch Umstrukturierung eines Reitstallbetriebes, etwa durch Auslagerung gewisser Nebenleistungen wie Unterricht, Beritt oder Pferdeverkauf und Reduzierung des Betriebes auf die Pensionstierhaltung, die möglicherweise nicht nachhaltig auf Gewinn ausgerichtet ist, ein Liebhabereibetrieb „geschaffen“ und so die zu erwartende Umsatzsteuerproblematik im Einzelfall entschärft werden kann, wird vermutlich noch einige Steuerberater beschäftigen.