14322013570369.jpg

Klaus Balkenhol gilt als einer der Gralshüter der klassischen Reiterei. Tochter Anabel, Helen Langehanenberg, Laura Tomlinson (aka Bechtolsheimer) und Nathalie zu Sayn-Wittgenstein zählen zu den erfolgreichsten Schülerinnen des heute 75-Jährigen. © Tomas Holcbecher

Zu früh, zu viel: Warum Trainer ihren Pferden oft nicht mehr die nötige Zeit geben

Ein Artikel von Pamela Sladky | 21.05.2015 - 11:37
14322013570369.jpg

Klaus Balkenhol gilt als einer der Gralshüter der klassischen Reiterei. Tochter Anabel, Helen Langehanenberg, Laura Tomlinson (aka Bechtolsheimer) und Nathalie zu Sayn-Wittgenstein zählen zu den erfolgreichsten Schülerinnen des heute 75-Jährigen. © Tomas Holcbecher

Obwohl die moderne Zucht immer bessere Pferde hervorbringt, steigt die Nachfrage nach noch begabteren, noch gesünderen und noch kraftvolleren Pferden stetig. Es ist einfacher, ein Pferd zu verkaufen, das wie ein bereits ausgebildetes Achtjähriges aussieht als eines, das die Optik eines ganz normalen drei- oder vierjährigen Pferdes am Beginn seiner Karriere hat. Mit dem nötigen Nachdruck kann auch ein erst dreijähriges Pferd wie ein voll entwickelter Achtjähriger aussehen.

Heute werden viel zu viele Hengstfohlen als Hengste belassen, die, sofern sie ein positives Körurteil erhalten, ihren Züchtern als Dreijährige deutlich höhere Preise einbringen. Zwischen 250 und 300 Junghengste werden Jahr für Jahr in Deutschland vorgestellt, lediglich 40 bis 50 von ihnen erhalten ein positives Körurteil. Es gibt nur noch wenige Züchter mit dem richtigen Gespür, die ihre Hengstfohlen rechtzeitig kastrieren lassen und ihnen eine altersgerechte Aufzucht auf der Weide ermöglichen. Stattdessen werden sie früh aufgestallt, übermäßig mit Getreide gefüttert, und mit drei Jahren sehen sie aus wie Sechs- oder Siebenjährige. Diese jungen Hengste haben viel Muskelmasse, doch es fehlt die notwendige Knochenstabilität, um diese zu tragen. Zwar sehen sie rein äußerlich voll entwickelt aus, doch sie sind es nicht … und wenn ihre Ausbildung beginnt, beginnt auch ihr Verfall. Auch der heutige Bewerbsdruck beeinflusst die Geschwindigkeit in der Pferdeausbildung zusehends, anders als früher werden heute rund ums Jahr ohne Pause Turniere veranstaltet.

Die sechs Kardinalfehler in der Pferdeausbildung

Zu eng verschnallte Nasenriemen
Ein Pferd setzt sich zur Wehr, indem es die Zunge aus dem Maul streckt. Wenn es notwendig wird, den Nasenriemen der Trense sehr eng zu schnallen, ist in der Basisausbildung des Pferdes etwas Grundsätzliches schief gelaufen: Das Pferd ist nicht entspannt. Doch gerade die nötige Entspannung ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung.

14322017853940.jpg

Heute ein häufiges Bild: Zu eng verschnallte Nasen- und Sperriemen sollen Ausbildungs- oder/und Reiterfehler kaschieren. © Farmer - fotolia.com

Zu frühe Spezialisierung
Täglicher Drill in der Reithalle ist zu viel für junge Pferde. Vor allem in den ersten beiden Ausbildungsjahren ist es wichtig, das junge Pferd nicht zu sehr nur in eine Richtung zu fördern. Das Training sollte abwechslungsreich sein und verschiedene Aspekte beinhalten. Geländereiten beispielsweise ist gut für den Kopf und eignet sich hervorragend zum Krafttraining, wenn es Bergaufpassagen enthält. Auch das Springtraining – entweder unter dem Sattel oder frei – gehört zur Basisausbildung eines jeden Pferdes und sollte neben der klassischen Cavaletti-Arbeit auch kleine Natursprünge im Gelände beinhalten. Abwechslung im täglichen Training hält das Pferd geistig frisch und sorgt für Freude bei der Arbeit. Nur mit einem glücklichen Pferd kann Dressur zur Kunst werden.

Schlecht passende Ausrüstung
Sattel und Zubehör sollten regelmäßig auf ihre Passgenauigkeit hin überprüft werden, denn der Pferdekörper verändert sich im Wachstum und auch mit zunehmender Fitness. Sitzt beispielsweise der Nasenriemen zu tief, kann sich die Haut zwischen Gebiss und Nasenriemen aufreiben und wund werden. Das ist unangenehm für das Pferd und kann einen Verlust von Losgelassenheit nach sich ziehen. Auch das Pferdemaul sollte regelmäßig auf scharfe Kanten an den Zähnen und Probleme mit dem Gebiss hin überprüft werden.

 

14322017874422.jpg

Der Muskelaufbau benötigt den Wechsel von Spannung und Entspannung. Wird Musklatur in einem permanenten Zustand der Kontraktion gehalten, verliert sie an Kraft und Stärke. © Kseniya Abramova - fotolia.com

Zu lange Trainingseinheiten
Das Ziel unseres Trainings ist, die Muskulatur und den Verstand unserer Pferde zu fördern und aufzubauen. Geschmeidigkeit  und Losgelassenheit erfordern eine adäquate Muskelstärke. Der Muskelaufbau benötigt beides – Spannung (Kontraktion) und Entspannung. Blutfluss und Sauerstoffanreicherung erfordern einen entspannten Muskel, wird dieser hingegen in einem permanenten Zustand der Kontraktion gehalten, verliert er an Kraft und Stärke und schrumpft schließlich sogar. Regelmäßige Ruhephasen, vor allem beim jungen Pferd im Schritt an langen Zügel, sind absolut notwendig. Sie erlauben es dem Pferd, sich zu strecken und seine Muskulatur zu entspannen und geben dem Reiter ein völlig neues Pferd zurück. Nur so kann die systematische Gymnastizierung des Pferdes funktionieren.

Angespannter Reiter
Pferde reagieren außergewöhnlich sensibel auf die Anspannung ihrer Reiter. Wer unter Stress steht oder nicht genügend Zeit hat, sollte gar nicht erst mit dem Training beginnen. Geben Sie Ihrem Pferd lieber frei, wenn Sie einen schlechten Tag haben - oder machen Sie gemeinsam einen entspannten Ausritt und verzichten Sie auf das Training am Reitplatz. Das Pferd spiegelt Ihre Laune nur zu gut!

14313411218120.jpg

Lob und regelmäßige Entspannungsphasen am langen Zügel sind essenziell für erfolgreiches Pferdetraining. © Lichtreflexe - fotolia.com

Zu wenig Lob
Das Pferd soll aus Freude heraus Leistung zeigen, nicht, weil es sich unterwirft. Regelmäßiges Lob durch Stimme, Streicheln oder ein Langlassen der Zügel ist essenziell, um das Pferd interessiert und willig zu halten. Bietet Ihr Pferd beispielsweise eine Piaffe an, weil es aufgeregt ist, loben Sie es dafür. Sie sollten in diesem Moment weder mit dem Training aufhören noch eine große Sache daraus machen. Wenn Sie in diesem Moment keine Piaffe wünschen, fordern Sie es sanft auf, vorwärts zu traben, aber lassen Sie sich nie dazu hinreißen, Ihr Pferd dafür zu strafen!

Text: Klaus Balkenhol
Übersetzung aus dem Englischen von Pamela Sladky, Pferderevue
Copyright: Xenophon e.V.