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Hand- und Reitpferd sollten einanderkennen und gut miteinander auskommen,der Kopf des Handpferds sollte sich beim Reiten etwas vor dem Reiterschenkel befinden. © www.perfectshot.at

Mit Handpferd unterwegs: So gelingt der Ausritt zu dritt

Ein Artikel von Sibylle Ortner | 15.06.2015 - 11:50
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Hand- und Reitpferd sollten einanderkennen und gut miteinander auskommen,der Kopf des Handpferds sollte sich beim Reiten etwas vor dem Reiterschenkel befinden. © www.perfectshot.at

Das Ausreiten mit einem Handpferd an der Seite erfordert einiges an reiterlichem Geschick und pferdischem Gehorsam, doch dieses Kunststück zu meistern, kann sich in vielerlei Hinsicht lohnen. Für diejenigen, die über mehr als ein Pferd verfügen, kann das gemeinsame Bewegen von zwei Pferden neben dem Vergnügen auch einen praktischen Nutzen bieten: Zum Beispiel können auch nicht reitbare Pferde auf diese Weise in den Genuss eines Ausritts kommen. Alte und rekonvaleszente Pferde können so ohne die Belastung eines Reiters an der frischen Luft bewegt werden. Junge Pferde können als Handpferd ihre Muskulatur kräftigen und Ausdauer gewinnen, bevor sie angeritten werden. Auch Reitanfänger können davon profitieren, wenn ihr Pferd als Handpferd mitgeführt wird. An dieser „Sicherheitsleine“ können sie schon früh einen Ausritt erleben und Erfahrung sammeln.

Die Ausrüstung

Bevor man mit zwei Pferden losziehen kann, gibt es einiges zu bedenken. Das Pferd, das geritten wird, muss sich über weite Strecken einhändig führen lassen. Für das Reiten mit einer Hand sind aber nicht alle Zaumzeuge geeignet. Das einhändige Führen einer einfach gebrochenen Wassertrense kann den Nussknackereffekt dieser Zäumung nur verstärken, besser geeignet sind deshalb doppelt gebrochene oder auch nicht gebrochene Gebisse wie zum Beispiel ein Pelham mit Stange. Wem das zu scharf ist, der kann auf gebisslose Zäumungen zurückgreifen. Ein kurzschenkeliges Hackamore eignet sich zum Beispiel sehr gut fürs Reiten mit einer Hand.

Der Ausrüstung des Handpferds sollte man ebenfalls Aufmerksamkeit schenken. Das Seil muss so lang sein, dass das Handpferd in engen Passagen hinter dem Reitpferd gehen kann, der Reiter dabei aber beide Hände am Widerrist des Reitpferdes haben kann. Das ist wichtig, denn wenn der Reiter sich immer nach hinten drehen muss, wenn die Pferde ein Stück hintereinander gehen müssen, kann das zu gefährlichen Situationen führen.

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Will man die Führleine verkürzen, kann maneine oder zwei Schlaufen legen. Wie jedes Seil, an dem ein Pferd geführt wird, darf es nicht um die Hand gewickelt werden, ein Knopf am Ende verhindert das Durchrutschen. © www.perfectshot.at

Je nach Größe der Pferde wird also ein Seil von einer Länge zwischen 2,5 m und 4 m benötigt. Viel länger als nötig sollte es nicht sein, denn damit wächst die Gefahr, sich im Seil zu verheddern. Das Seil sollte außerdem einen möglichst leichten Karabiner haben. Es kann immer wieder zu Situationen kommen, in denen es hektisch zugeht, ein schwerer Karabiner kann dabei schon einmal unsanft gegen die Kieferpartie des Handpferdes schlagen, ihm Schmerzen bereiten und es unnötig verschrecken. Wer auf Nummer sicher gehen will, entfernt den Karabiner und befestigt das Seil mit einem Knoten am Halfter. Auch Kletterseile kann man so als Führleine verwenden, sie sind fest und verdrehen sich nicht so leicht, außerdem liegen sie gut in der Hand.

Hat das benutzte Seil keine genähte Schlaufe am Ende, an der man es halten kann, so kann man sich mit einem einfachen Knoten am Seilende helfen. An diesem kann man einerseits spüren, wenn die maximale Länge der Führleine erreicht ist, andererseits rutscht diese dann auch nicht so leicht aus der Hand.

Das Halfter des Handpferdes muss gut sitzen, damit es dem Vierbeiner nicht in die Augen rutscht, wenn man kurz von der Seite anzieht. Knotenhalfter wirken schärfer als normale Stallhalfter. Wer sich unsicher ist, ob er das Handpferd auch tatsächlich halten kann, kann das Seil von links über die Nase oder unter dem Kinn vorbeiführen, bevor es auf der rechten Seite des Halfters befestigt wird.

Gebisse eignen sich nicht für den Zug von der Seite und sind generell zu scharf für diesen Zweck. Ein Pferd, das sich nur mit Gebiss oder eingefädelter Führkette im Gelände halten lässt, ist noch zu ungestüm und als Handpferd nicht geeignet.

Das berittene Pferd

Die Anforderungen an das Reitpferd sind relativ hoch. Aus Sicherheitsgründen muss es sich einhändig im Gelände führen und parieren lassen. Außerdem muss es das Handpferd in seiner Nähe dulden. Ein ruhiges Gemüt und Besonnenheit in hektischen Situationen sind unschätzbare Tugenden für das berittene Pferd der Paarung. Ob ein Pferd dieser Herausforderung gewachsen ist, kann man in der Bahn testen und gegebenenfalls auch trainieren.

Bei einem gut eingespielten Reitpferd- Handpferd-Team lassen sich durchaus beide Hände für die Zügelführung des Reitpferdes verwenden. Das Handpferd richtet sich dabei ganz nach dem Tempo seines vierbeinigen Partner und bleibt auf dem ihm zugewiesenen Platz daneben oder dahinter. Bis es allerdings soweit ist, braucht es viel Übung – und man wird – zumindest am Anfang – nicht umhinkommen, das Seil des Handpferdes einzeln mit einer Hand zu führen. Gerade in der ersten Phase braucht man diese Möglichkeit vermehrt. Das Reitpferd sollte es also am besten schon gewohnt sein, einhändig geführt zu werden.

Für ein Pferd mit solider Grundausbildung stellt dies meist keine große Herausforderung dar. Es hat bereits gelernt, auf Sitz- und Gewichtshilfen zu reagieren – und mit etwas Übung gewöhnt es sich schnell an die neue Situation. Reiter hingegen fühlen sich manchmal ein wenig hilflos, wenn sie exakter Zügelhilfen beraubt werden. Hier braucht es Vertrauen in das Pferd und in das eigene Können. Wer die Dressuraufgabe einer Reiterpassprüfung einhändig reiten kann, darf sich auf einen einhändigen Probeausritt begeben – zunächst ohne Handpferd, um notfalls wieder beide Hände für die Zügel frei zu haben. Wer sich noch nicht sicher fühlt, sollte seine Handpferd-Ambitionen noch ein wenig aufschieben und weitertrainieren.

Einen Artgenossen neben sich zu dulden, kann für manche Pferde ein Problem darstellen. Die beiden Pferde sollten einander zumindest vom Koppelgang oder Freilauf her kennen und mögen. Im Idealfall leben die Pferde gemeinsam in einer Herde und kennen einander gut. Es ist im Übrigen leichter, das rangniedere Pferd als Handpferd zu nehmen. Ein Handpferd, das im Rang höher steht als das Reitpferd, kann unter Umständen unangenehm werden, wenn es zwischendurch auf die Idee kommt, das Reitpferd in seine Schranken zu verweisen oder darauf zu bestehen, dass es hinten gehen soll. Noch unangenehmer kann es werden, wenn man auf einer rossigen Stute sitzt und einen sexuell aktiven Wallach oder gar einen Hengst als Handpferd mitnimmt. Von solchen Ausflügen ist aus auf der Hand liegenden Gründen dringend abzuraten.

Das Handpferd

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Reiter müssen auf Straßen möglichst weit rechts reiten, das Handpferd geht an der Außenseite der Straße. © www.perfectshot.at

Auch das Handpferd muss einige Voraussetzungen erfüllen, bevor es mit ins Gelände darf. Die Naheliegendste ist natürlich, dass es sich gut führen lassen muss. Nicht nur im Schritt, sondern auch im Trab muss es folgen und sich auch gut wieder durchparieren lassen. Um als Handpferd zu bestehen, sollte es auch den Zug von vorne kennen und akzeptieren und nicht auf Druck im Genick mit Panik oder Rückwärtsgehen reagieren. Wenn das Handpferd nämlich während des Ausritts beschließt, noch ein wenig länger an einem Ort zu verweilen, um die Aussicht zu genießen, während das Reitpferd schon weiterzieht, ist man froh, wenn es den Druck im Genick als Zeichen zum Weitergehen versteht. Das sollte zunächst vom Boden aus geübt werden, indem man sich etwa drei Meter entfernt vor das Pferd stellt und es mit kurzen, sanften Zügen am Seil und eventuell etwas stimmlicher Aufforderung zu sich holt. Mit Pferden, die der Druck im Genick in Panik versetzt, sollte dies besonders behutsam und oft trainiert werden, nicht zuletzt deshalb, weil das Anbinden solcher Pferde große Gefahren in sich birgt und durch diese Übung an Sicherheit gewinnt.

Außerdem sollte das Handpferd sich auf der Koppel oder bei anderen Gelegenheiten des freien Auslaufs schnell und einfach einfangen lassen. Bei außer Kontrolle geratenden Situationen im Gelände ist es von großer Bedeutung für die Sicherheit des Reiters, das Handpferd im Notfall loszulassen. Vom Handpferd aus dem Sattel gezogen zu werden, birgt ein hohes Verletzungsrisiko, Loslassen ist in derlei Situationen ein Muss. Ein frei umherlaufendes Pferd stellt natürlich ebenfalls ein Sicherheitsrisiko für sich selbst und andere dar – ein Pferd, das sich schon auf der Koppel nur mit sehr viel Mühe einfangen lässt, ist aus diesem Grunde noch nicht reif für einen Handpferdeausritt.
 

Übung macht den Meister

Bevor man sich daran wagt, mit zwei Pferden loszuziehen, sollte man sich noch ein wenig Training in der Bahn gönnen. Die Zügel des Reitpferdes werden in der linken Hand gehalten, genauso wie das Ende des Führseils des Handpferdes.

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Wichtig ist auch, dass das Handpferd lernt, mit den entsprechenden Signalenaus jeder Situation heraus anzuhalten und stehen zu bleiben. © www.perfectshot.at

Geht das Handpferd dicht neben dem Reitpferd, wird es nötig sein, das Ende des Führseils in Schlaufen zu legen und ebenfalls in der linken Hand zu halten. Ganz wichtig hierbei ist es, keine kreisrunden Schlaufen zu drehen, die sich um die Hand herum zuziehen können. Die Hand kann zerquetscht, der Reiter vom Pferd gerissen werden – es gibt gute Gründe, sich immer an diesen Sicherheitshinweis zu halten. Die rechte Hand ist in erster Linie für das Führen des Handpferdes zuständig. Sie kann aber auch zusätzlich den rechten Zügel des Reitpferdes ergreifen, falls dies nötig wird.

Mit großbogigen Hufschlagfiguren und Gangartenwechsel zwischen Schritt und Trab kann man testen, ob man sich schon fit fürs Gelände fühlt. Das Handpferd soll dabei mit nur wenig Abstand neben dem Reitpferd hergehen. Sein Kopf sollte dabei vor dem Reiterschenkel, aber auf keinen Fall vor der Nasenlinie des Reitpferdes sein, da es sonst das Reitpferd abdrängen kann und man sich danach leicht in einem Maisfeld oder verheddert in einem Apfelbaum wiederfinden kann. In guter Position hat der Reiter eine besonders gute Einwirkung auf das geführte Pferd – und er hat es auch gut im Blick.

Was man ebenfalls üben sollte, ist das hintereinander Gehen. Am besten trainiert man dies mit einem selbst gebauten Engpass. Dafür wird ein Sprung parallel zur Bande aufgebaut, zwei Steher und eine Stange auf Schulterhöhe der Pferde reichen dafür aus. Die Gasse, durch die nun hindurchgeritten werden kann, sollte so breit sein, dass ein Pferd und die Reiterknie bequem passieren können, aber so schmal, dass das Handpferd nicht daneben hindurch passt. Durch Stimme und ein Schlenkern des Führstrickes wird das Handpferd hinter das Reitpferd bugsiert. Dies wird zunächst im langsamen Schritt geübt. Wenn das problemlos klappt, kann die Breite der Gasse etwas erweitert werden. Wenn das Handpferd immer noch brav hinten bleibt, kann man es auch im Trab versuchen.

Auf weiter Flur

Wer sich bereit fühlt, geht nun hinaus aufs Feld. Ganz wichtig für die eigene Sicherheit ist, vor jedem Handpferd-Ritt sicherzugehen, dass die Pferde nicht vor lauter Stallmut kurz vorm Explodieren sind. Herumfliegende Handpferd-Hufe können leicht den Reiter treffen. Zu Temperamentsausbrüchen neigende Exemplare sollten sich also zunächst anderweitig – zum Beispiel an der Longe oder im Freilauf – auspowern dürfen.

Jeder, der schon mal ein kleines Wettrennen auf einem Wiesenweg gewagt hat, weiß, was für eine Wirkung es hat, wenn zwei Pferde nebeneinander galoppieren. Gerade Kopf an Kopf scheinen wie durch Zauberhand verborgene Kräfte aktiviert zu werden, und auch ein Pferd, das sonst eher die gemütlichen Seiten eines Ausritts schätzt, wird plötzlich von neuer Kraft beseelt den Turbo einzuschalten und ordentlich an Tempo zulegen. Dieses Phänomen, das sich BesitzerInnen solch gemütlicherer Zeitgenossen gern zunutze machen, um etwas Schwung in ihre Vierbeiner zu bekommen, gilt auch für das Reiten mit Handpferden. Dies sollte man unbedingt im Hinterkopf behalten, für den Fall, dass man auf die Idee kommt, doch mal im ruhigen Tempo anzugaloppieren. Auch sonst gut parierbare Reitpferde können mitunter vom Rennfieber erfasst werden, wenn ein Artgenosse neben ihnen läuft. Dies gilt es bei der Wahl der Gangart einzukalkulieren.

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Zu dritt die Natur genießen – für ein eingespieltes Team kein Problem! Vorsicht ist beim Galoppieren angesagt, damit daraus kein unkontrollierbares Rennen wird. Ruhigen Zeitgenossen allerdings kann man so zu etwas mehr Antrieb verhelfen. © www.perfectshot.at

Sind Pferde und ReiterIn im Handpferd-Reiten geübt, kann auch ein berittenes Handpferd ins Gelände geführt werden. Auf diese Weise können auch ReitanfängerInnen erfahren, wie schön es ist, durch Wald und Wiese zu reiten. Aber auch geübte ReiterInnen auf ungestümen Pferden können manchmal an einer „Sicherheitsleine“ entspannter einen Ausritt wagen.

Hierfür braucht es aber einen entsprechend erfahrenen ReiterIn, der auch mit einem aufbrausenden Handpferd zurechtkommt. Wird ein Reiter auf einem Handpferd geführt, ist es wichtig, dass die Pferde Abstand zu einander wahren, damit keine Reiterbeine zwischen den Pferdebäuchen eingeklemmt werden. Auch das lässt sich im Vorfeld üben. Mit Seilwacklern, Stimme oder Handsignalen soll hierbei das Handpferd ein Stück zur Seite rücken. Zum Einstudieren kann man auch mit Gertensignalen arbeiten, falls man noch Platz in der rechten Hand findet. Wer eine Gerte auf einen Handpferd-Ausritt mitnehmen möchte, sollte ein Exemplar mit Handschlaufe verwenden, damit sie auch losgelassen werden kann, wenn man Seil und Zügel neu sortieren muss. Eine kurze Gerte ist einer langen vorzuziehen, da man mit ihr weniger Gefahr läuft, unabsichtlich Signale zu geben, die gerade nicht gewünscht sind.

Auch wenn dies alles ein wenig kompliziert klingt, ein gut eingespieltes Team wird eine große Freude am Handpferd-Reiten entwickeln. Natürlich erfordert es mehr Konzentration, zwei Pferde gleichzeitig zu lenken, aber mit Übung wird auch das immer leichter. In solchen Fällen macht es für den Reiter kaum einen Unterschied mehr aus, ob er mit einem oder zwei Pferden unterwegs ist. Und es gibt auch genügend Pferde, denen das Handpferd-Reiten so zusagt, dass es von Anfang an ohne Probleme funktioniert.

Wer vom Handpferd- Fieber richtiggehend gepackt wird, kann natürlich auch weiter trainieren. Geschicklichkeitsparcours mit Slaloms, kleinen Sprüngen und Schreckhindernissen stellen eine immer wieder verlockende Herausforderung dar, die sich im Schwierigkeitsgrad nach Belieben steigern lässt. Das Reiten mit Handpferd bietet also ein weites Feld, auf dem man sein Können ausbauen und der Lust am Reiten frönen kann.
 

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Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Ausgabe 11/2013 der Pferderevue veröffentlicht. Pferderevue AbonnentInnen können ihn zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach unter Service/Online-Archiv einloggen und in allen Heften aus 25 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!

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