Fast jeder macht’s und keiner weiß, warum eigentlich. Gemeint ist das Abklopfen, das rhythmische Tätscheln des Pferdehalses, dass – je nach Situation – sogar in ein regelrechtes „Abwatschen“ ausufern kann. Vor allem dann, wenn sich der Reiter ganz besonders freut. Doch taugt diese Form des Lobes überhaupt als Belohnung?
Schon lange wird diese Frage in Reiterkreisen recht kontrovers diskutiert. Während die einen strikt am gewohnten Abklopfen festhalten, weil sie der Meinung sind, ihr Pferd wisse schon ganz genau, wie’s gemeint ist, sind andere überzeugt, dass die Vierbeiner ein sanftes Streicheln oder Kraulen deutlich mehr schätzen.
Auch die Wissenschaft hat sich mit dem Thema beschäftigt. Für ihre Studie1) nahm die britische Pferdewissenschaftlerin Emily Hancock die unmittelbare Reaktion von 16 Pferden im Grand-Prix-Spécial der Olympischen Spiele in London unter die Lupe. Am meisten wurde nach dem Bewerb geklopft, 15 von 16 Reitern lobten auf diese Weise ihr Pferd, zwölf von ihnen klopften sogar über eine Minute lang. Gestreichelt wurde hingegen kaum. Hancock stellte fest, dass gut ein Drittel der Pferde deutliche Reaktionen auf das Klopfen zeigte, meist in Form eines schnelleren Tempos - was möglicherweise aber auch durch das Vorbeugen des Reiters im Sattel veranlasst worden sein könnte.
Im zweiten Schritt untersuchten Hancock und ihr Team von der der Nottingham Trent University die Auswirkungen des Klopfens im täglichen Umgang. Zehn Pferde (fünf Schulpferde sowie weiter fünf Tiere einer Animal Rescue Organisation) wurden dazu viermal für je 30 Sekunden lang am Hals geklopft, jeweils unterbrochen durch eine 15 Sekunden andauernde Pause. Dabei wurde die Herzfrequenz und Verhalten der Tiere aufgezeichnet.
Während die Auswertung der Herzfrequenzen keine nennenswerten Ergebnisse brachte, ergab die Beobachtung der Pferde eine ganz eindeutige Präferenz. Anders als das Kraulen am Widerrist, das ein Absenken des Halses und bisweilen sogar Fellpflege-imitierende Bewegungen mit der Oberlippe hervorrief, reagierten die Pferde auf das Klopfen mit einem gesteigerten Ohrenspiel und vermehrter Unruhe. Am deutlichsten fiel die Reaktion eines vierjährigen Pferdes aus der Tierrettung aus, das bisher zwar keine Gewalteinwirkung erfahren hatte, aber sehr isoliert gehalten worden war. Es riss auf das Klopfen den Kopf hoch und stürmte rückwärts.
Kein natürliches Verhalten
„Das Kraulen des Widerrists kann das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier stärken und ist die effektivere Belohnung“, fasst Emily Hancock ihre Erkenntnisse zusammen. Die Wissenschaftlerin sieht dies darin begründet, dass auch Pferde einander gerne an dieser Stelle kraulen, wohingegen das Klopfen auf den Hals kein natürliches Verhalten zwischen befreundeten Pferden sei. Reiter und Pferdebesitzer sollten deshalb dazu ermutigt werden, ihr Pferd lobend zu kraulen denn zu klopfen, so Hancock.
In dasselbe Horn stößt eine weitere Studie, durchgeführt von einer Gruppe von Forscher:innen aus Großbritannien, den USA und Australien. Sie beobachteten Verhalten und Herzfrequenz von 18 Pferden, die nach Beendigung eines kleinen Hindernisparcours wahlweise am Widerrist gekrault, am Hals geklopft oder gar nicht gelobt wurden. Auch hier zeigten sich bei der Herzfrequenz keine Unterschiede, die Verhaltensreaktionen waren jedoch eindeutig: Entspannung beim Kraulen, Passivität oder vermehrte Unruhe beim Klopfen. Besonders interessant: Pferde reagierten auf das Klopfen kaum anders als auf gar keine Form der Zuwendung.
Für Reiter:innen bedeutet das: Wer wirklich loben will, sollte lieber kraulen statt klopfen.
1) Die Studie "The effects of patting and wither scratching on behaviour and heart rate of domestic horses" wurde anlässlich der 10. International Equitation Science Conference in Dänemark vorgestellt.