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Lernspiele halten Pferde bei Laune und sorgen für eine artgemäße Auslastung ihrer Denkfähigkeiten. © www.slawik.com

Ausbildung

Denksport für Pferde: So aktivieren Sie die grauen Zellen Ihres Pferdes spielerisch

Ein Artikel von Pamela Sladky | 01.09.2016 - 10:26

Hunde tun es, das ist erwiesen. Sie denken. Und zwar auf komplexere und vielschichtigere Weise als lange Zeit angenommen wurde, wie Forschungsergebnisse beweisen haben. Anspruchsvolle Hundehalter setzen daher schon seit längerem auf Denkspiele und Beschäftigung für den Hundekopf. Aber was ist mit Pferden? Können auch sie denken? Oder reagieren sie bloß blind auf eingelernte Reize und Signale?

Die Intelligenz der Pferde

Pferdeverhalten war lange Zeit ein Stiefkind der Forschung, erst recht die Erforschung der Art und Weise, wie Pferde die Welt wahrnehmen und welche Denkfährigkeiten sie haben. Zum Glück ist in den vergangenen Jahren Bewegung in die Sache gekommen, heute weiß man, dass Pferde alles andere als dumm sind. Tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall: Pferde haben beachtliche Denkfähigkeiten und ihre eigene Intelligenz. Überraschen sollte das eigentlich nicht. Um in freier Wildbahn überleben zu können, mussten Pferde einige Strategien entwickeltn, um sich in einer sehr vielfältigen Umwelt zu behaupten.

Als Faustregel der Verhaltensforschung gilt: Je vielfältiger die Lebensumgebung ist, je mehr Veränderungen ein Lebewesen im Laufe seines Daseins bewältigen muss und je mehr es in komplexen Sozialgefügen lebt, desto höhere kognitive Fähigkeiten braucht es. So betrachtet ist es nur logisch, dass Pferde Denkfähigkeiten entwickelt haben: Sie bewähren sich in den unterschiedlichsten Klimazonen. Sie müssen sich in weitläufigem Gelände orientieren und Futter, Wasser und sichere Ruheplätze finden. Sie müssen unterscheiden lernen, wann sie in Sicherheit vor Raubtieren oder anderen Gefahren sind und wann sie besser auf der Hut sind. Schließlich können sie nicht bei jeder Kleinigkeit gleich blind die Flucht ergreifen, denn das würde viel zu viel Energie verbrauchen. Und schließlich leben Pferde in einem Sozialgefüge mit festen Freundschaften und wechselnden Beziehungsstrukturen in einer sehr flexiblen Rangordnung.

Trotzdem Pferde also durchaus als intelligente Tiere angesehen werden können, liegt das Augenmerk des Menschen vor allem auf ihren körperlichen Fähigkeiten. Natürlich spielt körperliche Fitness eine Schlüsselrolle, wenn es um das allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit eines Pferdes geht. Trotzdem sollte dabei nie vergessen werden, dass Pferde nicht nur aus Sehnen und Muskeln bestehen, die trainiert werden wollen, sondern auch reichlich graue Zellen besitzen. Und auch die wollen gefordert und gefördert werden.

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Kunststücke eignen sich bestens für den pferdigen Denksport. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Pferd nach anfänglicher Hilfestellung selbst herausfinden darf, was es tun könnte, um sich die nächste Belohnung zu verdienen. © www.slawik.com

Für welches Pferd?

Im Prinzip kann Denksport mit jedem Pferd betrieben werden. Grundvoraussetzung dafür ist, dass das Pferd nicht überfordert wird und der Spaß an der Sache im Vordergrund steht. Besonders profitieren Pferde, denen mit der normalen Trainingsroutine rasch langweilig wird. Davon betroffen sind meist überdurchschnittlich intelligente Pferde, die sich sonst ihre eigene Beschäftigung suchen, wenn’s im Training mal wieder zu wenig Abwechslung gibt.

Für Pferde, die aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung nicht oder nur wenig bewegt werden können, sind Denksportaufgaben eine willkommene Abwechslung. Auch für unsichere und ängstliche Pferde eignen sich Lernspiele. Durch die Erfolgserlebnisse, die sie beim Denksport haben, können sie mehr Selbstvertrauen aufbauen, was ihnen im Zusammenleben mit anderen Pferden und/oder der Arbeit mit dem Menschen zugute kommt. Ähnliches gilt für traumatisierte Pferde. Über Denksport (und ergänzende andere Methoden) können sie wieder eine positive Beziehung zum Menschen aufbauen und aus alten Mustern ausbrechen.

Fünf Übungen

Als Denksportaufgaben eignen sich allerlei Kunststücke. Pferde können lernen, durch Reifen zu steigen, auf Wippen zu balancieren, aus Flaschen zu „trinken“, Fußball zu spielen und vieles mehr. Ob und welche Kunststückchen Spaß machen, ist eher Geschmackssache. Hauptsache ist dabei, dass der Mensch mit positiver Motivation arbeitet und das Pferd nach anfänglicher Hilfestellung selbst herausfinden lässt, was es tun könnte, um sich die nächste Belohnung zu verdienen. Nur dann ist das Denken des Pferdes auch wirklich gefordert.

Die folgenden fünf Übungen sollen dazu anregen, selbst weitere Ideen zu entwickeln. Am Besten ist es auszuprobieren, welche Art von Aufgabenstellung dem jeweiligen Pferd liegt.

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Was ist dir lieber? Finden Sie die Vorlieben Ihres Pferdes heraus - beispielsweise mit unerschiedlichen Heuarten - und nutzen Sie die so gewonnenen Erkenntnisse in weiteren Denksport-Spielen. © www.slawik.com

Welcher Geschmack ist dir lieber?

Dem Pferd werden zwei verschiedene Geschmacksrichtungen zur Auswahl angeboten aus denen es sich eine aussuchen soll. Das können zwei Sorten Heu sein, Leckerlis verschiedener Geschmacksrichtung, Müsli vs. Hafer vs. anderes Kraftfutter. Bei einem Versuch in Großbritannien wurde zum Beispiel herausgefunden, dass (zumindest die dortigen) Pferde Oregano und Rosmarin lieber mögen als Äpfel und Karotten.

Wo ist das Futter?

Mit dieser Übung lässt sich herausfinden, wie genau ein Pferd beobachtet. Dazu werden zwei identische Futtereimer in einem Abstand von etwa zwei Metern nebeneinander aufgestellt. Das Pferd steht ein paar Meter davor (frei, falls es auf Signal ruhig stehen bleibt, oder von einem Helfer gehalten) und sieht nun zu, wie sein Mensch in einen der Eimer etwas Futter gibt. Danach zieht sich der Zweibeiner zurück, das Pferd wird freigegeben – und nun kommt die spannende Frage: Steuert es zielstrebig den richtigen Eimer an? Achten Sie darauf, das Futter nicht immer auf derselben Seite in den Eimer zu legen!

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Target-Training lässt sich auf vielfältige Art nutzen © www.slawik.com

Target-Training

In Zoos lernen die Tiere als Grundübung, ein bestimmtes Objekt anzustupsen. Mit diesem sogenannten Target-Training lassen sich die Tiere dann leicht lenken, weil sie dem Zeigerobjekt folgen. Die Übung lässt sich auch prima bei Pferden anwenden, als Target eignen sich entweder bewegliche Objekte (z.B. eine Fliegenklatsche) oder fixe Objekte wie Pylonen. In einem ersten Schritt lernt das Pferd, dass jede Berührung des Objekts mit der Nase ein Leckerli bringt.

Hat es das Grundprinzip verstanden, kann die Übung weiter ausgebaut werden. Mit der Fliegenklatsche vor der Nase führt man das Pferd z.B durch einen kleinen Parcours (z.B. durch eine Stangengasse), oder es werden mehre Pylonen aufgestellt und das Pferd geht von einer zur nächsten und stupst sie an. Derartige serielle Aufgaben sind gar nicht so leicht!

Blau oder Gelb?

Pferde können die Farben Blau und Weiß oder Gelb sehr gut wahrnehmen und unterscheiden. Man kann dem Pferd daher beibringen, eine blaue Tafel von einer gelben zu unterscheiden und durch Anstupsen anzuzeigen. Sitzt diese Unterscheidung, wird es wieder interessant. Kann das Pferd die Farben auch dann noch unterscheiden, wenn ihm statt der gewohnten Tafeln andere Objekte in Blau und Gelb angeboten werden? Wenn ja, ist ihm etwas ganz Bemerkenswertes gelungen: es hat abstrahiert und eine Kategorie gebildet. Eine Fähigkeit, die bereits zu den höher entwickelten kognitiven Leistungen zählt.

Stangen im rechten Winkel

Eine ziemliche Anforderung ist es für die meisten Pferde auch, in der Freiarbeit nicht nur über eine Stange zu steigen, sondern über zwei hintereinander, die im rechte Winkel zueinander liegen. Anfangs lernt das Pferd, dass es eine Belohnung bekommt, wenn es freiwillig über eine Stange steigt. Danach wird das Pferd ein paar Mal über beide Stangen geführt (von beiden Seiten) und die Belohnung immer erst dann gegeben, wenn beide Stangen bewältigt wurden. Danach darf das Pferd die Übung in Eigenregie wiederholen: Schafft es beide hintereinander – oder versucht es wie viele Pferde zunächst herauszufinden, bei welcher der Stangen es denn eine Belohnung gibt?

Für alle Denksportaufgaben gilt: sie sollen vor allem Spaß machen. Entsprechend ist es wichtig, nicht zu ehrgeizig zu sein und das auszuwählen, was dem Pferd wirklich Freude bereitet. Auf diese Weise sorgen sie scheinbar ganz nebenbei, dem Pferd eine artgemäße Auslastung für seine Denkfähigkeiten zu bieten. Es wäre doch schade, wenn dieses Potenzial brach liegen bliebe, oder die Pferde an mentaler Unterforderung und Langeweile leiden müssten. Schlaue, ausgelastete Pferde sind auch gelassene und zufriedene Zeitgenossen. Und wer möchte die nicht haben…

Buchtipp

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Lernspiele für Pferde © Cadmos

Lernspiele für Pferde
Lernen spielend leicht gemacht

Nathalie Penquitt, Cadmos Verlag
80 Seiten, 17 x 24 cm, durchgehend farbige Abbildungen, broschiert
UVP 12,99 EUR
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Viele Pferdefreunde machen sich Gedanken darüber, wie sie sich neben der häufig so ernsten Ausbildung auch spielerisch mit ihrem Pferd beschäftigen können. Nathalie Penquitts Buch "Lernspiele für Pferde - Lernen spielend leicht gemacht" liefert viele Anregungen, damit das Spiel zu einem kooperativen Miteinander werden kann. Für jedes Pferd – ob jung oder alt, klein oder groß, frech oder scheu – ist das passende Spiel dabei.  

Aus dem Inhalt:
- Wie spielen Pferde?
- So spiele ich mit meinem Pferd
- Spielideen: vom Hütchenspiel bis zum Apfeltauchen
- Zwischen Spiel und Kunststück: Kompliment und Co.
- Welches Spiel für welches Pferd?
- Welche Spielnatur bin ich?

Über die Autorin
Seit über dreißig Jahren spielen Pferde in Nathalie Penquitts Leben eine wichtige Rolle. Schon früh gab sie Reitunterricht und wurde bereits in den 80er Jahren durch Freiheitsdressuren mit ihrem Araber „Lucky“ bekannt. Nathalie Penquitt hat Tiermedizin studiert, doch inzwischen widmet sich die promovierte Tierärztin  ganz der Lehrtätigkeit rund ums Pferd. Dabei legt sie stets Wert darauf, dass Mensch und Pferd mit viel Freude und Motivation gemeinsam lernen. Auf ihrer eigenen Anlage „Hof Hohenholz“ bei Bremen hat sie viele pferdegerechte Ideen umgesetzt. Sie ist Autorin mehrerer erfolgreicher Fachbücher zu verschiedenen Themen der Pferdeausbildung.
 

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© Romo Schmidt

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