Ausbildung

Gymnastizierung pur mit Schlangenlinie und -tour

Ein Artikel von Dr. Britta Schöffmann | 08.09.2016 - 08:25
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Schlangenlinien werden einfach und doppelt geritten, an der langen Seite oder entlang der Mittellinie, oder sie führen durch die ganze Bahn. © www.slawik.com

Zu den Schlangenlinien zählen die einfache und die doppelte, durch die ganze Bahn geritten heißt diese Hufschlagfigur Schlangentouren. Eines verbindet sie alle: die Forderung nach geschmeidiger, wechselnder Längsbiegung des Pferdes.

Die simpelste dieser Hufschlagfiguren ist die einfache Schlangenlinie, denn dabei wird noch recht wenig hin und her gewendet. Sie führt aus der ersten Ecke der langen Seite (bzw. vom Wechselpunkt) heraus in einem Bogen Richtung Bahnmitte und zurück in die nächste Ecke. Der Scheitelpunkt, von dem es aus wieder zurück Richtung Hufschlag geht, liegt fünf Meter vom Hufschlag (in Höhe E bzw. B) entfernt auf der Viertellinie.

Kniffeliger wird’s schon bei der doppelten Schlangenlinie, die – wie der Name schon ahnen lässt – nicht als ein großer Bogen, sondern auf der gleichen Strecke mit zwei kleinen Bögen geritten wird, allerdings nur 2,50 m in die Bahn herein. Abwenden, Umstellen, Zurückreiten, wieder Abwenden und wieder Umstellen geschehen in schneller Folge.

Der innere Zügel stellt dabei, der äußere Zügel geht leicht vor und ermöglicht die Stellung, bleibt aber führend und kontrolliert die äußere Pferdeschulter, der innere Schenkel am Gurt biegt, während der äußere Schenkel eine Handbreit hinter dem Gurt liegend die Biegung unterstützt und die Hinterhand in der Spur hält. Die jeweils innere Reiterschulter dreht leicht nach hinten, die jeweils innere Reiterhüfte gleichzeitig leicht nach vorn, der innere Gesäßknochen ist vermehrt belastet – da soll angesichts der komplexen Hilfengebung noch jemand sagen, Schlangenlinien seien simpel

Vollste Konzentration

Damit aus den Schlangenlinien keine Schleuderlinien werden, sind also eine bereits gut abgestimmte Einwirkung sowie Konzentration erforderlich. Das Zusammenspiel zwischen Zügel-, Schenkel- und Gewichtshilfen muss stimmen, und der Reiter voll bei der Sache sein. Richter und Ausbilder erkennen hier schnell, ob das Prinzip der diagonalen Hilfengebung – also das Treiben mit dem inneren Schenkel hin zum äußeren Zügel – verstanden wurde bzw. beherrscht wird und der Reiter aufmerksam bei der Sache ist.

Wer noch am inneren Zügel zieht und damit lenken will, wird keine geschmeidige Schlangenlinie hinbekommen. Wer den Einsatz des äußeren Schenkels vergisst, darf sich über ein Ausweichen der Hinterhand nicht wundern. Und selbst wer auch nur bei beim Durchreiten der Ecken schludert, wird Probleme mit der Korrektheit der Lektion bekommen.

Noch mehr Schlangen

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Die Schlangenlinien und Schlangentouren fordern vom Pferd Geschmeidigkeit und Losgelassenheit – der Reiter muss dabei genau und konzentriert agieren. © www.slawik.com

Das Gleiche gilt letztlich auch für die Schlangentouren, die durch die ganze Bahn führen. Je nach Viereckgröße werden drei und vier (auf 20 x 40 m) oder bis zu sechs (auf 20 x 60 m) geritten. Die Bögen beginnen und enden bei A bzw. C.

Wie tief dabei die erste und letzte Ecke im Viereck durchritten wird, hängt von der Anzahl der Bögen und damit auch von ihrem Durchmesser ab: Je weniger Bögen, desto größer der Durchmesser und desto weniger tief geht es nach bzw. vor der kurzen Seite durch die Ecke. Zwischen den Bögen wird parallel zur kurzen Seite geradeaus geritten. Eine Sonderform und letztlich die Königsdisziplin unter den Schlangenbögen ist die Schlangenlinie entlang der Mittellinie (siehe Grafik), denn hier fehlt auf beiden Seiten die feste Begrenzung durch eine Bande. Der Reiter muss sich an den (unsichtbaren) Viertellinien orientieren, um die Bögen gleichmäßig anlegen zu können.

Gymnastizierung

Wie alle Lektionen sind natürlich auch die Schlangenlinien Weg und Ziel zugleich. Durch das Erarbeiten der Bögen wird das Pferd in seiner Längsachse geschmeidig gemacht. Der Wechsel zwischen Links- und Rechtsstellung und -biegung macht das Genick locker sowie die Wirbelsäule und auch die Hals- und Rumpfmuskulatur beweglicher. Auch die wechselnde vermehrte Lastaufnahme des jeweiligen inneren Hinterbeins trägt zur Gymnastizierung und auch zur Kräftigung des Pferdes bei. Auf diese Weise arbeiten die Schlangenbögen auch der natürlichen Schiefe entgegen.

Schlangenlinien und Schlangentouren fördern somit die Geraderichtung. Aber nicht nur das: sie eignen sich hervorragend auch zum Lösen (Verbesserung der Losgelassenheit, Sicherung des Taktes), als Vorbereitung und Verbesserung der Versammlung und sogar zum Erlernen (und Überprüfen) der fliegenden Galoppwechsel.

Schlangenbögen sinnvoll füllen

Schlangenlinien oder Schlangentouren sind zwar an sich schon anspruchsvolle Hufschlagfiguren, sie lassen sich aber noch zusätzlich aufpeppen. Wie, das zeigen die nachfolgenden Beispiele:

Lösende Arbeit (ansteigender Schwierigkeitsgrad)

  • Schlangentouren im Schritt
  • Einfache Schlangenlinien und Schlangentouren im Leichttraben (die Fußwechsel geschehen in den einfachen Schlangenlinien beim Umstellen und in den Schlangentouren auf der Mittellinie)
  • Schlangentouren im Wechsel Galopp – Trab (ein Bogen Trab, ein Bogen Galopp etc.) Doppelte Schlangenlinien (am Ende des Lösens, im Trab/ausgesessen)

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Schlangentouren - hier in drei Bögen durch ein 20 x 40m-Viereck - sind besonders im Galopp (mit oder ohne Galoppwechsel) eine sehr anspruchsvolle Lektion. © Pamela Sladky

Vorbereitende Arbeit zur Versammlung (ansteigender Schwierigkeitsgrad)

  • Einfache Schlangenlinie mit einfachen Galoppwechseln beim Umstellen
  • Schlangentouren mit einfachem Galoppwechsel beim Durchreiten der Mittellinie
  • Schlangentouren im Galopp ohne einfache Galoppwechsel (dadurch entstehen ein bis zwei Bögen im Außengalopp)

Verbessernde Arbeit für die Versammlung
  • Schlangentouren im Galopp mit einfachem Wechsel von Außengalopp zu Außengalopp

Fliegende Wechsel erarbeiten
Geritten wird eine einfache Schlangenlinie im versammelten Galopp. Die Hilfe für einen fliegenden Wechsel wird am ersten Umstellpunkt (siehe Grafik) gegeben, am zweiten bleiben Pferd und Reiter entweder im Außengalopp oder es wird ein weiterer fliegenden Galoppwechsel abgefragt. Diese Linienführung hat den Vorteil, so in keiner Aufgabe vorzukommen. Damit läuft der Reiter nicht Gefahr, dass sein Pferd beim Erlernen der fliegenden Galoppwechsel auf einem Turnier antizipiert und ungewollt dann umspringt, wenn die Lektion eigentlich ohne Wechsel absolviert werden soll (z. B. durch die halbe Bahn wechseln ohne Wechsel oder aus der Ecke kehrt ohne Wechsel).

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Die rote Linie markiert die einfache Schlangenlinie, die orange Linie die zweifache und die gelb markierte Linie die Schlangenlinie entlang der Mittellinie. © Pamela Sladky

Die Möglichkeit, sich am Ende der einfachen Schlangenlinie entweder für den Außengalopp oder für einen fliegenden Wechsel zu entscheiden, sichert zum einen die Hilfengebung und die Konzentration des Pferdes, zum anderen ist es eine schöne Möglichkeit, Serienwechsel vorzubereiten. Bleibt das Pferd beim ersten Wechsel in der Schlangenlinie entspannt und lässt sich auch der zweite schon gut reiten, kann man den Bogen einfach nach und nach flacher werden lassen, bis sich am Ende beide Wechsel auf einer Geraden reiten lassen.

Überprüfung der fliegenden Wechsel (aufsteigender Schwierigkeitsgrad)

  • Schlangentouren mit fliegendem Wechsel beim Durchreiten der Mittellinie
  • Schlangentouren mit fliegendem Wechsel von Außengalopp zu Außengalopp


Wie man sieht: Es gibt die unterschiedlichsten Arten, Schlangenlinien und Schlangentouren „mit Leben“ zu füllen – abhängig vom angestrebten Ziel. Also, keine Scheu vor Schlangen im Viereck!