Ausbildung

Reiterhand: Die neun häufigsten Fehler und ihre Folgen

Ein Artikel von Pamela Sladky | 05.11.2020 - 16:15
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Liegt der Daumen falsch, wird die Anlehnung ungenau. © PS

1. Falsche Daumenlage

Laut Lehrbuch soll der Daumen dachförmig auf der geschlossenen Zügelfaust und dem Zügel liegen. Der Grund dafür ist schnell erklärt: Wenn der Daumen falsch liegt, verlieren die Zügel schon bei geringer Spannung das eingestellte Maß. Die Folge ist eine unpräzise Einwirkung, weil sich der Zügel ungewollt verlängert, anstatt eine konstante Verbindung aufrechtzuerhalten. Die Faust einfach fest schließen, hält zwar den Zügel an Ort und Stelle, mit einer derart angespannten, verkrampften Hand sind feine Zügelhilfen aber nicht mehr möglich.

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Offene Hände sind weniger fein als angenommen. © PS

2. Offene Zügelfaust

Aus dem Wunsch heraus besonders sanft einwirken zu wollen, lassen sich viele Reiterinnen dazu verleiten, die Zügel nur mit zwei oder drei Fingern oder einer nicht vollständig geschlossenen Faust zu halten. In der Fachsprache wird diese Handhaltung als offene Zügelfaust bezeichnet. Hier bewahrheitet sich die alte Weisheit: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Denn statt des angestrebten feinen Reitens stehen Ungenauigkeit und Wackelkontakt auf der Tagesordnung – beides Gift für eine konstante und sanfte Verbindung zum Pferdemaul.

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Verdeckte Fäuste sind ein häufiger Fehler. © PS

3. Fingernägel nach unten, Hände nach innen gedreht – verdeckte Fäuste

Verdeckte Fäuste gehören zu den häufigsten Handfehlern. Scherzhaft auch als „Kinderwagenschiebehaltung“ bezeichnet, bringt diese Fehlhaltung gleich eine ganze Reihe negativer Begleiterscheinungen mit sich. Ein Eindrehen der Fäuste ist bei dieser Handhaltung nur noch erschwert möglich, verdeckte Fäuste bedingen, dass die Hilfen aus dem Arm kommen – und nicht mehr aus dem Handgelenk. Feines Einwirken wird dadurch erschwert. Und das ist noch nicht alles: Die Ellbogen werden abgespreizt, die Schultern fallen nach vorn und verschließen die Brust, der Kopf folgt der Bewegung der Schultern, der Blick geht nach unten, der Sitz neigt dazu, nach hinten zu verrutschen. Und schon ist er dahin, der gute und funktionelle Reitersitz!

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© PS

4. Fingernägel nach unten, Handgelenke nach unten gedreht

Quasi die Steigerungsform der verdeckten Fäuste. Hier kippt nicht nur die Zügelfaust nach innen, auch die Handgelenke werden nach unten gedrückt – häufig kombiniert mit mehr oder weniger senkrecht nach unten gestreckten Armen. Diese Fehlhaltung ist häufig bei Reiterinnen zu sehen, die Schwierigkeiten haben, ihr Pferd in die Tiefe zu reiten, und den Pferdekopf nach unten ziehen wollen. Die Auswirkungen auf Pferd und Reiterin sind fatal. Die Reiterin fällt nach vorne und verliert einen großen Teil ihrer Sitzeinwirkung, die Arme sind angespannt und die Ellbogen steif, die Zügelhände unflexibel, die Verbindung zum Pferdemaul hart und unnachgiebig. Außerdem kommt durch die tiefe Handhaltung besonders viel Druck aufs Pferdemaul, weshalb so gerittene Pferde häufig immer mehr abstumpfen, nur schwer zur Losgelassenheit finden und nach und nach die Lust an der Arbeit verlieren.

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Durchgedrückte Hände führen zu einer groben Einwirkung. © PS

5. Durchgedrückte Handgelenke

Durchgedrückte Handgelenke sind aber auch bei aufgestellter Zügelfaust ein Problem. Denn durchgedrückt bedeutet an dieser Stelle nichts anderes als steif. Und ein steifes Handgelenk ist nicht in der Lage, mit den feinen Bewegungen von Kopf und Maul des Pferdes mitzugehen, was zu grober Einwirkung führt.

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Wer dauerhaft ungleich mit den Zügeln einwirkt, begünstigt die Schiefe seines Pferdes.
© PS

6. Ungleich lange, ungleich hohe Zügel

Menschen sind handbetont, in der Regel mit einer stärkeren und einer schwächeren Hand. Bei Rechtshändern dominiert die rechte, bei Linkshändern die linke. Und das macht sich auch auf dem Pferd bemerkbar. Denn mit der dominanten Hand wirkt man – das haben Studien gezeigt – ungewollt stärker ein, was sich häufig auch an der Zügellänge zeigt, aber auch an der Höhe, in der die Hände getragen werden. Durch die ungleiche Einwirkung entsteht auf einer Seite des Pferdemauls mehr Druck als auf der anderen, was Pferde häufig mit einem Verkanten im Genick quittieren. Auf Dauer kann so eine ausgeprägte Schiefe entstehen.

7. Unflexible Hände

Die logische Konsequenz unflexibler Hände ist eine steife Hand, die das Pferd nicht nur zur Widersetzlichkeit verleitet, sondern auch ein Lösen des Vierbeiners massiv erschwert. Zusammengezogen und eingeschränkt verliert das Pferd die Lust, verspannt und entzieht sich. Leichtigkeit ist unter diesen Voraussetzungen ausgeschlossen.
 

8. Unruhige Hände

Das Gegenteil der unflexiblen ist die unruhige Hand. Sie wirkt unklar, grob und unbeabsichtigt ein, kommt im falschen Moment an und verursacht zahlreiche Stöße im Pferdemaul. Eher stoische Pferdetypen stumpfen durch das Dauerfeuer zusehends ab und werden maulig, hektische Pferde machen den Rücken dicht und versuchen, sich durch Davonlaufen zu entziehen.
 

9. Übertriebenes Mitgehen

Auch wer das Begleiten des Pferdemauls mit den Händen übertreibt, handelt sich langfristig Probleme ein. Durch die exaltierten Bewegungen von Hand und Schultern geht der Kontakt zeitweise verloren, die Hilfen erreichen das Pferdemaul dadurch nicht. Die oft damit verbundene Unruhe im Reitersitz verursacht zudem Gleichgewichtsprobleme und Verwirrung beim Pferd.

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Richtig: aufgestellte, locker getragene Fäuste, die Daumen dachförmig auf dem Zügel © PS