Ausbildung

Nach der Pause: Worauf man beim Aufbautraining des Pferdes achten sollte

Ein Artikel von Pamela Sladky | 29.04.2020 - 15:57
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Beim Aufbautraining ist es wichtig das Pferd nicht zu überfordern.
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Gründe für Pausen gibt es viele. Vielleicht war der Winter hart und lang und keine passende Trainingsmöglichkeit verfügbar, kein passender Sattel vorhanden oder das Pferd bzw. sein Reiter krankheitsbedingt außer Gefecht gesetzt. Wenn die Rahmenbedingungen endlich wieder passen, ist der Tatendrang groß. Versäumtes soll möglichst schnell nachgeholt, verlorene Muskeln wieder aufgebaut und Trainingsrückstände ausgemerzt werden. Doch gerade nach einer längeren Pause ist Vorsicht geboten. Denn der Pferdeorganismus ist in dieser Situation nicht ohne weiteres bereit genau dort weiterzumachen, wo er vor Wochen oder gar Monaten aufgehört hat. Umso wichtiger ist ein überlegtes Vorgehen, damit der Neustart ohne Muskelkater, Überforderung und Verletzungen vonstattengeht.
 

Langsam aufbauen

Kira Schuschnigg, Pferde-Sport-Therapeutin aus Ramsau in Niederösterreich, empfiehlt es gerade in der ersten Zeit nach einer längeren Pause langsam angehen zu lassen. „Pferde, die über einen längeren Zeitraum hinweg kein Reitergewicht auf ihrem Rücken gehabt haben, brauchen Zeit, um sich muskulär wieder daran zu gewöhnen. Gerade zu Beginn sollte man deshalb nicht jeden Tag reiten, besser ist, maximal alle zwei Tage in den Sattel zu steigen.“

In den ersten Einheiten auf dem Pferderücken sollte der Schritt im Fokus der gemeinsamen Arbeit liegen. „Damit ist aber nicht gemeint, die Pferde am langen Zügel herumspazieren zu lassen, sondern schon 15 bis 20 Minuten konzentriert zu arbeiten“, stellt die Pferdetherapeutin klar. Besonders hilfreich seien in dieser Phase Seitengänge. „Damit kann man im Schritt wunderbar die Muskulatur dehnen ohne das Pferd zu überfordern.“

Viele Übergänge und ein lockeres Reiten im Trab und Galopp komplettieren das Training in der Anfangsphase, das laut Schuschnigg in der ersten Woche keinesfalls länger als 45 Minuten dauern sollte. Im Wochenrhythmus können die Anforderungen nach und nach gesteigert werden. Als Faustregel gilt: Um den ursprünglichen Trainingsstand zu erreichen sollte man sich so lange Zeit nehmen, wie die Pause gedauert hat.

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Bergaufreiten - erst im Schritt, später, bei ausreichend Kraft und Kondition auch im Galopp - gibt ordentlich Muckis in der Hinterhand.
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Krafttraining im Gelände

Ideal geeignet zum Kraftaufbau ist neben dem Reiten vieler Übergänge auf dem Reitplatz Klettern im Gelände. „Beim Bergauftraining kräftigt das Pferd seine Hinterhandmuskulatur ganz automatisch", erklärt Kira Schuschnigg. Auch hier ist zu Beginn der Schritt die Gangart der Wahl. Hat das Pferd genügend Kondition aufgebaut, kann später auch bergauf galoppiert werden. Trab eignet sich für das Training am Hang laut Schuschnigg übrigens nicht so gut. „Im Galopp und Schritt bewegt sich die Hinterhand wirklich unter den Körper, der Lendenwirbelbereich wird dabei schön gedehnt. Der Trab verursacht in der Region rund um das Kreuzdarmbeingelenk hingegen eher eine Instabilität.“
 

Körperwahrnehmung verbessern

Längere Trainingspausen haben zur Folge, dass das Gefühl für den eigenen Körper abnimmt. Das gilt umso mehr, je weniger Bewegung das Pferd in dieser Zeit hat. Boxenpferde mit keinem bis wenig Auslauf sind demnach stärker betroffen als Offenstallpferde. „Generell haben viele Pferde in unserer Zeit ein Propriozeptionsdefizit, das heißt, sie können ihren Körper und die eigenen Bewegungen nicht so gut wahrnehmen. Bewegungsmangel verstärkt das Problem zusätzlich“, sagt Kira Schuschnigg. Ein solches Defizit bleibt nicht ohne negative Folgen. Sie reichen von schlechter Koordinationsfähigkeit über Störungen in der Balance hin zu häufigem Stolpern, Schreckhaftigkeit, Rittigkeitsproblemen und gehäuften Verletzungen, vor allem an den Beinen. Grund genug, der Selbst- und Tiefenwahrnehmung gezielt Aufmerksam zu schenken. „Am besten gegensteuern kann man, wenn man darauf achtet, dass sich die Pferde auf vielen verschiedenen Untergründen bewegen. Das funktioniert beim Ausreiten in abwechslungsreichem Gelände natürlich besonders gut. Wem das nicht möglich ist, der sollte versuchen sein Pferd auf dem Reitstallgelände abwechselnd über Wiesenboden, Schotter, betonierten Untergrund, Sand usw. gehen zu lassen.“
 

Stangenarbeit einbauen

Gut für die Körperwahrnehmung ist auch die Arbeit mit Stangen. Gleichzeitig hilft sie die Muskulatur in den Bereichen Hinterhand, Rücken und Bauch zu kräftigen. „Das Training mit Bodenstangen ist für Pferde aller Disziplinen extrem wichtig – unabhängig davon, ob man es in die Bodenarbeit oder ins Reittraining einbaut“, findet Kira Schuschnigg, die auch Freispringen als tolle Trainingsergänzung sieht. Allerdings ist auch hier darauf zu achten, es nicht zu übertreiben, denn Stangenarbeit ist anstrengender, als sie vielleicht aussehen mag.

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Stangenarbeit - entweder geritten oder vom Boden aus - eigent sich hervorragend für den Wiederaufbau nach einer Pause. ©www.Slawik.com

Überforderung vermeiden

Generell ist Überforderung der häufigste Fehler beim Wiederaufbau. Wer zu viel zu schnell will läuft Gefahr, seinem Pferd die Lust an der Arbeit zu nehmen. Überforderung und  Muskelkater sind keine guten Motivatoren. Im schlimmsten Fall drohen sogar Verletzungen oder Kreuzverschlag. Doch woran merkt man, dass es zu viel wird? „Direkt im Training lässt sich Überforderung recht einfach erkennen. Nach Belastung – etwa wenn man mehrere Minuten am Stück galoppiert ist – sollten sich Atmung und Puls innerhalb von 90 Sekunden wieder auf einem Normalwert eingependelt haben. Pumpt das Pferd auch danach noch, hat man es ganz klar übertrieben“, erklärt Physiotherapeutin Kira Schuschnigg.

Wirkt das Pferd am Folgetag müde und schlapp, sollte man ihm besser einen Koppeltag gönnen, oder es nur leicht bewegen – zum Beispiel, in dem man gemeinsam spazieren geht. Ein Muskelkater kann sich je nach Ausprägung in einem klammen Gang, Steifigkeit und Taktfehlern bemerkbar machen – aber auch bei der Pferdepflege. „Beim Putzen fühlt sich die Muskulatur vielleicht an manchen Stellen härter an oder das Pferd reagiert mit Abwehrverhalten, wenn man mit dem Striegel drübergeht.“ Auch bei Muskelkater ist leichte Bewegung das Mittel der Wahl, eine Einheit unter dem Pferdesolarium – sofern möglich – hilft der Muskulatur sich zu entspannen. Die Wärme fördert außerdem die Durchblutung des Muskelgewebes und beschleunigt den Heilungsprozess.


Sattel kontrollieren

Muskeln, die über längere Zeit nicht oder nur wenig beansprucht werden, bauen naturgemäß ab. Dieser Prozess lässt sich nicht verhindern – auch nicht durch spezielle Futtermittel. Gerade bei Reitpferden ist es deshalb wichtig, die Passform des Sattels vor der Wiederaufnahme des Trainings zu kontrollieren. „Je nach Dauer und Art der Pause kann es durchaus notwendig sein, den Sattel umpolstern zu lassen. Manchmal hilft auch eine spezielle Unterlage. Dazu sollte man aber einen Spezialisten holen, der sich das gut anschaut“, empfiehlt Kira Schuschnigg.

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Ausreichend Regenerationsphasen sind wichtig. © www.Slawik.com

Richtige Balance finden

Die größte Herausforderung beim Aufbautraining ist, das Pferd nicht zu viel zu belasten – aber auch nicht zu wenig. Muskelzuwachs und Konditionsaufbau kann es letztlich nur dann geben, wenn man immer wieder an die Grenzen der Leistungsfähigkeit geht, aber eben mit Bedacht. Nicht vergessen sollte man bei allen Bemühungen um den körperlichen Aufbau aber auch den psychischen Zustand des Pferdes. Wer die Motivation seines Pferdes hoch hält, wird schneller wieder dort sein, wo er vor der Pause aufgehört hat. Dazu braucht es planvolles Vorgehen, Abwechslung und ausreichende Regenerationsphasen – und auch der Spaß sollte nicht zu kurz kommen. Dann werden Erfolge nicht nur schneller sichtbar, sie sind auch nachhaltiger.

Zur Person

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Kira Schuschnigg Kira behandelt hochklassige Dressur-, Spring-,  Vielseitigkeits- und Polopferde in ganz Österreich sowie Galopper und Traber in Ebreichsdorf und in der Krieau.. © privat

Kira Schuschnigg ist Absolventin des britischen Hartpury College der University of West England, 2003 beendete sie ihr vierjähriges Studium zum Bachelor of Equine Schience mit Auszeichnung.

Während des Studiums lagen ihre Schwerpunkt vor allem in den Bereichen Pferde-Sporttherapie, Leistungsphysiologie und Veterinärmedizin. Heute ist Schuschnigg selbständige Pferde-Sporttherapeutin und betreut die Pferde namhafter Spitzensportler aller Disziplinen in ganz Österreich.

www.pferde-sport-therapie.at