Ausbildung

7 Wege zum fliegenden Galoppwechsel

Ein Artikel von Dr. Britta Schöffmann | 19.05.2021 - 13:02
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Der fliegende Galoppwechsel ist eine anspruchsvolle Lektion – dennoch kann ihn jedes Pferd lernen. © www.Slawik.com

Eines vorweg: Jedes Pferd beherrscht fliegende Galoppwechsel. Der entnervte Ausspruch mancher Reiter „Mein Pferd begreift die Fliegenden nicht!“ ist deshalb immer der falsche Ansatz. Im Freilauf auf der Weide springt nämlich tatsächlich jedes Pferd bei einem Richtungswechsel im Galopp früher oder später um. Ganz einfach so. Was es allerdings erst lernen muss: den fliegenden Galoppwechsel mit dem Reiter auf seinem Rücken zu einem durch die Reiterhilfe vorgegebenen Moment an einem bestimmten Punkt durchzuführen. Fehler bei der reiterlichen Einwirkung, ein falsches Timing, mangelnde Balance – all dies kann dabei das Gelingen verhindern und die Qualität der Lektion negativ beeinflussen.

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Der fliegende Wechsel sollte flüssig und ohne Takt- und Rhythmusverlust gelingen.

7 Wege zum fliegenden Wechsel

So unterschiedlich die Pferde und ihre Reiter, so unterschiedlich sind auch die Methoden, einen fliegenden Wechsel zu erarbeiten. Welche man für sich und sein Pferd wählt, ist eigentlich egal, solange der Weg nicht über Zwang und Druck führt. Folgende sieben Herangehensweisen haben sich in der Praxis bewährt:

1. „Umwerfen“
Hört sich schlimm an, ist aber nicht so gemeint. Gerade bei jüngeren Pferden kann es funktionieren, sie beim Richtungswechsel im Galopp mit einer aufwendigen Gewichtshilfe absichtlich aus dem noch nicht ausgereiften Gleichgewicht zu bringen und sie so zum Umspringen zu verleiten. Gelingt das, im ruhigen Rhythmus weiter galoppieren und das Pferd loben. Nach und nach die Hilfe reduzieren. Gelingt es nicht, die Fliegenden bis auf weiteres zurückstellen!

2. Linienführung
Je nach Pferd bieten sich unterschiedliche Linienführungen zum Richtungs- und damit Handwechsel an. Manche Pferde springen ihre ersten Fliegenden am besten beim Wechsel durch die halbe Bahn kurz vor dem Hufschlag, andere nach Kehrtvolten oder beim Wechsel der Zirkel. Übt man hier die Fliegenden aber häufiger, kann es passieren, dass das Pferd in einer Prüfung an solchen Stellen, die auch in vielen L-Aufgaben in Kombination mit Außengalopp verlangt werden, ungewollt umspringt. Tipp: Üben Sie die ersten Fliegenden beim Reiten einer einfachen Schlangenlinie entlang der langen Seite. Diese Lektion kommt so in keiner Aufgabe vor und hat sogar zwei Richtungswechsel und zwei Variationsmöglichkeiten: einmal können beide Richtungswechsel mit Fliegendem geritten werden, oder Sie bleiben einmal im Außengalopp und reiten nur einen Fliegenden. So verhindern Sie, dass Ihr Pferd bei den klassischen Prüfungslektionen durcheinanderkommt.

3. Außengalopp-Mittelzirkel
Bereits gut versammelte Pferde und auch solche, die schon sehr lange ausschließlich auf Außengalopp hin trainiert wurden, lassen sich für die ersten fliegenden Wechsel gut auf dem Mittelzirkel im Außengalopp vorbereiten. Der Vorteil: Der Reiter kann den Wechsel an jeder beliebigen Stelle des Mittelzirkels auslösen, ohne dass das Pferd schon ahnt was kommt (wie etwa beim Richtungswechsel an einem bestimmten Wechselpunkt). Bei aufkommender Spannung, bei Taktverlust oder festgehaltenem Rücken lässt sich auf dem Mittelzirkel gut so lange weiterreiten, bis die Qualität des Galopps, Voraussetzung für das Gelingen der Wechsel, wieder stimmt.

4. Gerteneinsatz
Die Gerte ist hier (wie eigentlich immer) als Hilfs- und nicht als Strafmittel gedacht. Galoppiert ein Pferd bereits in einem gewissen Grad versammelt, kann es helfen, sein „neues“ inneres Hinterbein mit der Gerte vor dem Auslösen des Wechsels durch Touchieren zu „ärgern“. Dazu tippt der Reiter mit der Gerte über einige Galoppsprünge das Hinterbein des Pferdes (vom Rechts- in den Linksgalopp also das linke Hinterbein) immer wieder an und baut so eine vermehrte positive Muskelspannung in diesem Bein auf. Viele Pferde dürstet es dann quasi, endlich mit dem Hinterbein vorwärts springen zu dürfen – was sie im Moment der Wechselhilfe dann ja auch sollen. Auch hier gilt: Nach dem Wechsel ruhig weiter galoppieren und loben, loben, loben!

5. Cavaletto
Manche Reiter bevorzugen für die ersten fliegenden Wechsel das Überwinden eines Cavalettos. Am besten baut man es bei X entlang der Mittellinie auf und galoppiert aus den Zirkeln wechselnd über das kleine Hindernis. Beim Überwinden und Umstellen wird die Wechselhilfe gegeben. Dieser Weg eignet sich vor allem für Pferde, die aufgrund einer eher flachen, kurzen Galoppade und einer damit verbundenen gering ausgeprägten freien Schwebephase Schwierigkeiten mit den Wechseln haben. Doch Vorsicht: Manche Pferde neigen bei dieser Art des Lernens zum Wechseln in zwei Phasen. Deshalb sollte auch hier immer ein erfahrener Beobachter vom Boden aus dem Reiter zurufen, ob der Wechsel gelungen ist oder nicht!

6. Wechseln auf dem dritten Hufschlag
Diese Variante klingt schwieriger als sie ist. Am besten reitet man im Außengalopp den dritten Hufschlag entlang und löst kurz vor der Ecke den Wechsel aus. Der Vorteil: Die Pferde lernen, den Wechsel gerade zu springen.

7. Wechseln über die Acht
Eine weitere Möglichkeit ist es, die fliegenden Wechsel innerhalb des Reitens von Achten zu erarbeiten. Dazu wird eine Acht aus zwei Zehn-Meter-Volten angelegt und beim Umstellen zunächst über einen einfachen Galoppwechsel die Hand gewechselt. Nach und nach werden aus den vier Schritten des einfachen Wechsels drei, dann zwei, und am Ende wird bereits nach einem Schritt wieder angaloppiert und schließlich fliegend gewechselt. Der Vorteil: Diese Übung fördert Versammlungsfähigkeit, Geschmeidigkeit, Reaktionsschnelligkeit und Durchlässigkeit des Pferdes und auch das Timing des Reiters. Nachteil: Es gibt Pferde, die sich hier das Wechseln über einen ungewollten, flinken Zwischenschritt angewöhnen.

Probleme und ihre Lösungen

Sie haben sich und ihr Pferd gewissenhaft auf den fliegenden Wechsel vorbereitet, trotzdem klappt es nicht so, wie es soll? Die häufigsten Fehler und mögliche Lösungwege im Überblick:

Was tun, wenn …

… mein Pferd nicht umspringt?

Versuchen Sie, eine andere Linie zu suchen (evtl. Mittelzirkel), die Ihrem Pferd besser liegt, und setzen Sie die Gerte am neuen inneren Hinterbein touchierend ein.

… mein Pferd davonstürmt oder sich frei macht?
Einen Schritt zurück machen und über einfache Galoppwechsel und das Reiten von Wendungen die Durchlässigkeit verbessern.

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Neigt ein Pferd beim fliegend Wechseln zum Davonstürmen, überprüfen Sie Sitz und Einwirkung? Machen Sie zu viel Druck? Geben Sie unklare Hilfen? Notwendigenfalls gehen Sie in der Ausbildung einen Schritt zurück und arbeiten Sie vermehrt an der Durchlässigkeit Ihres Pferdes.

… mein Pferd ungewollt umspringt?
Freuen Sie sich! Zumindest hat Ihr Pferd den Bewegungsablauf begriffen. Einfach ein paar Galoppsprünge weiterreiten, dann erst über einen einfachen Galoppwechsel wieder auf der gewünschten Hand angaloppieren. Auf keinen Fall strafen, denn das bringt ein Pferd vollends durcheinander.

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Der nachgesprungene Wechsel ist ein häufiger Fehler – und nur schwer zu korrigieren. © www.slawik.com

… mein Pferd fehlerhaft umspringt?
Falsch oder richtig gibt es für Pferde nicht, sie lesen ja keine Lehrbücher. Am besten ist es, Sie ignorieren den Fehler (z. B. hohe Kruppe, nach Sporn schlagen), wiederholen die Übung und loben, wenn’s geklappt hat. Bei Umspringen in den Kreuzgalopp noch zwei, drei Sprünge weiterhin zum Wechseln auffordern. Springt das Pferd noch nicht um, durchparieren und neu angaloppieren. Bei vermeintlichen Fehlern nicht umgehend anhalten und frustriert agieren (Strafe, Abwenden o. ä.), sonst kann es passieren, dass das Pferd mit Angst und Nervosität reagiert und dies auch auf gute Wechsel überträgt.

… mein Pferd schwankt?
Vor allem zu Beginn des Erlernens der fliegenden Wechsel sind diese noch nicht immer schnurgerade. Kurzfristig hilft hier, frisch nach vorn galoppieren, langfristig die Verbesserung der Geraderichtung und der eigenen Hilfengebung.

… mein Pferd immer wieder mit hoher Kruppe wechselt?
Manche Pferde, vor allem massige Typen mit einer eher schwerfälligen Galoppade, neigen schon mal dazu, dem Reiter auf die Wechselhilfe ihre Kruppe unters Gesäß zu werfen. Abhilfe kann hier das vorübergehende deutliche Anheben des Pferdehalses und Genicks schaffen (hoher Hals und hohe Kruppe geht schlecht …). Auf Dauer muss natürlich die gesamte Versammlung und damit die Tragkraft des Pferdes verbessert werden.

… mein Pferd immer wieder nachspringt?
Suchen Sie sich einen Experten! Üben Sie nicht ohne Hilfe von oben bzw. Aufsicht von unten weiter. Einmal falsch erlernte Wechsel sind schwer zu korrigieren.

Nicht überfordern

Ganz gleich, welchen Weg man für welches Pferd wählt, eines gilt immer: auf keinen Fall überfordern! Gerade in der Lernphase der Fliegenden reagiert jedes Pferd ein wenig anders. Das eine wird heiß, das andere bleibt gelassen, während sich das nächste vermeintlich „blöd“ anstellt. Die Fähigkeit, Neues zu erlernen und auch die Geschwindigkeit dabei sind von Pferd zu Pferd unterschiedlich. Wichtig beim Training ist immer, nicht zu viel zu verlangen und sich früh genug zufriedenzugeben. Das kann bei dem einen Pferd bereits nach ein, zwei halbwegs gelungenen Wechseln sein, beim anderen vielleicht erst nach mehreren geglückten. Der Reiter muss erfühlen, wann der Punkt zum Aufhören bzw. Ändern der Übung gekommen ist.

Wissenschaftliche Studien über Lernen haben übrigens bestätigt, dass besser, schneller und vor allem nachhaltiger gelernt wird, wenn neue Dinge in kleinen, von Pausen bzw. anderen Anforderungen unterbrochenen Häppchen vermittelt werden statt in unzähligen Wiederholungen en bloc. Das gilt auch für die fliegenden Galoppwechsel. Ist die Grenze zur körperlichen und/oder psychischen Ermüdung des Pferdes einmal überschritten, kann die Übung nur schlechter werden. Gerade beim Erlernen neuer Lektionen – wie auch des fliegenden Wechsels – ist es sinnvoll, sie nicht ans Ende einer Trainingsstunde zu setzen, sondern spätestens in die Mitte der Arbeitsphase. Hier ist das Pferd (hoffentlich) bereits gut vorbereitet und durchlässig, aber noch nicht müde. Hat ein Pferd die Wechsel erst einmal begriffen, ist der Schritt zu Serienwechseln dann gar nicht mehr so groß.