Ausbildung

Paraden: Wie man sie richtig reitet und 8 Übungen für jeden Ausbildungsstand

Ein Artikel von Dr. Britta Schöffmann | 19.10.2022 - 19:06
trakehner_topmodel815117.jpg

Paraden gehören zum Kleinen Einmaleins guten Reitens.    ©www.Slawik.com

Das Wort Parade – für die Verwendung im Pferdesport – und eine (einfache) Erklärung dazu findet man sogar im Duden: ... das Anhalten eines Pferdes oder Gespanns bzw. der Wechsel des Tempos oder der Dressurlektionen. Seinen Ursprung hat das Wort im Französischen („parer“ bedeutet so viel wie schmücken, etwas den letzten Schliff geben) und im Latein, wo „parare“ grob mit „Vorkehrungen treffen“ übersetzt werden kann.

Eigentlich beschreiben beide Übersetzungen recht gut den tieferen Sinn von Paraden, denn durch sie trifft der Reiter tatsächlich Vorkehrungen für den letzten Schliff: Er kann sich seinem Pferd über Paraden mitteilen, das Tempo reduzieren, den Bewegungsausdruck verfeinern oder zum Halten kommen. Soweit die – eigentlich klare – Begriffsdefinition von ganzen und halben Paraden.
 

Paraden für ein besseres Gleichgewicht

Mit einer ganzen und/oder halben Parade möchte der Reiter sein Pferd „schließen“, also den Rahmen des Pferdes etwas verkürzen und ihm dadurch erleichtern, anzuhalten, sein Tempo punktgenau zu reduzieren, Richtungsänderungen vorzunehmen oder Lektionen zu absolvieren, ohne aus dem Gleichgewicht – und damit auf die Vorhand – zu kommen. Ein solcher Gleichgewichtsverlust würde ohne halbe Paraden nämlich immer eintreten, ähnlich wie bei einer Vollbremsung auf dem Fahrrad – Ursache dafür ist die Massenträgheit, deren Gesetze aber hier nicht weiter vertieft werden.

Genau wie Hunderte von ungeschickten Bremsmanövern den Vorderreifen eines Fahrrads mit der Zeit abnutzen würden, so können schlechte, vorhandlastige Paraden auf Dauer die Vorderbeine des Pferdes schädigen.

Korrekt gerittene Paraden sind deshalb auch eine Gesundheitsvorsorge.


Dr. Britta Schöffmann
oldenburger_sirliberty714109.jpg

Durch halbe Paraden lassen sich Lektionen ohne Gleichgewichtsverlust reiten.
© www.Slawik.com

Die richtig gerittene Parade besteht immer aus einem zeitlich gut abgestimmten Zusammenspiel von Kreuz (um bei dem Begriff zu bleiben), Zügel und Schenkelhilfen: Zunächst gibt der Reiter mittels gefühlvollen Anspannens der Fäuste eine durchhaltende Zügelhilfe, durch die sich der Druck des Gebisses aufs Pferdemaul minimal erhöht. Dabei kippt er sein Becken leicht vor. Im nächsten Moment – innerhalb von Sekundenbruchteilen – folgt ein treibender Schenkelimpuls mit leicht zurückgekipptem Becken.


Wie das Pferd reagiert

Diese Hilfenfolge veranlasst das Pferd, sein Becken leicht zu kippen, was durch ein vermehrtes bzw. aktiveres Vortreten der Hinterbeine entsteht – und damit wird, im Zusammenspiel mit dem vorherigen Aufnehmen, von hinten ausgehend der Rahmen des Pferdes verkürzt. Dadurch reduziert sich der Druck des Gebisses im Maul und macht es dem Pferd leichter, im Genick nachzugeben, was wiederum umgehend durch leichtes Nachgeben des Zügels (Entspannen der Fäuste) belohnt und somit verstärkt wird.

Hat ein Pferd außerdem schon zuvor im Halten gelernt, auf einen leicht erhöhten Zügeldruck umgehend mit Kauen (und damit Nachgeben) zu reagieren, lässt sich dieser Ablauf zwischen kurzer Druckerhöhung und Nachgeben noch schneller und mit geringstem Aufwand hervorrufen.
 

Aus drei mach (nahezu) eins

Druckerhöhung – Nachtreiben – Nachgeben: was sich in der Beschreibung wie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung liest, geschieht in Wahrheit so schnell aufeinanderfolgend, dass die drei Hilfen wie eine wirken. Aber eben nur fast. Wichtig ist, dass auf Nachtreiben umgehend ein Nachgeben und auf Nachgeben wieder ein Abfangen (durchhaltende Zügelhilfe) folgt. Die Hilfen dürfen sich dabei auf keinen Fall widersprechen! Hinten treiben und vorne Festhalten verkürzt zwar auch vorübergehend den Rahmen, irritiert das Pferd aber. Es verhindert außerdem, dass die Bewegung weiterhin durch den Körper fließen kann und führt beim Pferd auf Dauer zu einem festgehaltenen Rücken und inaktiven Hinterbeinen.

Abhängig davon, ob nun eine ganze Parade zum Halten geritten, von einer Gangart in die andere gewechselt oder lediglich das Tempo beeinflusst werden soll, ist die Intensität und zeitliche Länge der einzelnen Hilfen-Schritte etwas unterschiedlich. Soll das Pferd anhalten (ganze Parade), werden zwei, drei halbe Paraden gegeben, wobei die durchhaltenden Zügelhilfen etwas länger und möglicherweise intensiver (abhängig von der Durchlässigkeit eines Pferdes) ausfallen werden als die treibenden und ein Durchhalten des Zügels im letzten Moment auch den Abschluss bildet. Ein Nachgeben (Entspannen der Fäuste) geschieht erst in dem Moment, in dem das Pferd steht und im Genick nachgibt. Wird in eine niedrigere Gangart gewechselt (halbe Parade), halten sich die durchhaltenden Zügelhilfen mit den treibenden fast die Waage. Dadurch wird verhindert, dass der Übergang zwischen den Gangarten stockend statt fließend wird.

Bei halben Paraden innerhalb einer Gangart haben die treibenden Hilfen etwas mehr Intensität als die durchhaltenden, die auch noch schneller wieder ausgesetzt werden. Auf diese Weise kann der Reiter Einfluss auf den Rahmen des Pferdes nehmen und auf die Amplitude der Bewegungen von „flacher und weiter“ zu „höher und kürzer“. Diese halben Paraden innerhalb der Gangarten werden zum einen vor jeder Lektion, jeder Wendung und vor jedem Richtungswechsel gegeben, zum anderen zur Erhöhung des Versammlungsgrades. Sie sind es letztlich, die über Gelingen bzw. Nicht-Gelingen von Lektionen und über die Steigerung des Ausdrucks eines Pferdes entscheiden.

sachse_lanzano92026.jpg

Gute Paraden ergeben sich aus der feinen Abstimmung zwischen durchhaltenden, treibenden und nachgebenden Hilfen.
© www.Slawik.com

Wie’s beim Pferd ankommt

Die feine Abstimmung von durchhaltenden, treibenden und nachgebenden Hilfen macht also den Unterschied. Es gibt allerdings auch mehrere Störfaktoren. Das eine ist die Anatomie des Pferdes, die sich allerdings nicht ändern lässt. Ein Pferd z. B. mit einer schwierigen Halsung hat oftmals mehr Probleme, im Genick nachzugeben, als ein Pferd mit einem optimal geschwungenen Hals. Ein Pferd mit einem sehr langen Rücken oder einer schlecht gewinkelten Hinterhand tut sich oft schwer, mit seinen Hinterbeinen unter den Schwerpunkt zu treten und sich zu verkürzen. Schlussendlich spielt auch das Temperament des Pferdes eine Rolle (an diesem Problem lässt sich allerdings arbeiten), und zu guter Letzt ist wahrscheinlich der häufigste Störfaktor der Reiter selbst.

Jede Unsicherheit im Sitz und jede damit verbundene unklare Hilfengebung hat Auswirkungen aufs Pferd! Schon ein unruhiger Unterschenkel macht es fürs Pferd schwer bis unmöglich, das Gewackel von echten Schenkelhilfen überhaupt zu unterscheiden. Statt zur Sensibilisierung kommt es so zur Desensibilisierung/Gewöhnung, das Pferd reagiert gar nicht mehr oder nur schlecht auf Schenkelhilfen. Schnell wird dann vom Reiter geschimpft, das Pferd sei faul und triebig. Dabei hat er es selbst dazu erzogen. Auch das, was der Reiter mit seiner Hand und seinen Zügelhilfen tut, hat enorme Auswirkungen aufs Pferd. Eine unruhige Hand verhindert, dass das Pferd die gewollten Aktionen des Reiters überhaupt verstehen und umsetzen kann. Das gleiche gilt für eine Hand, die im falschen Moment nachgibt, zu lange durchhält oder gar rückwärts wirkt. Technik, Eindeutigkeit und Timing der Hilfengebung sind also enorm wichtig und lassen sich nur mit viel Fleiß, Mühe und Selbstdisziplin erlernen.

8 Übungen für bessere Paraden

Auf dem Weg zu guten Paraden gibt es einige Übungen, mit denen sich Reiter und Pferd in der täglichen Arbeit beschäftigen sollten. Dabei gilt stets: Vom Leichten zum Schweren!

Übung Nr. 1: Reiten Sie halbe Paraden eher beiläufig durch einfache Übergänge zwischen den Gangarten (zwischen Trab und Schritt bzw. Galopp und Trab).
Gelingen die Übergänge nicht flüssig, bewusst in die darunter liegende Gangart hineinreiten wollen. Drückt das Pferd in die Hand und ignoriert die halbe Parade, mehrmals zum Halten parieren. Macht sich das Pferd im Gegensatz im Übergang zu groß und kommt in absolute Aufrichtung, während des Übergangs in ein Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen hineinreiten.

Übung Nr. 2: Geben Sie halbe Paraden als Vorbereitung für Übergänge in nächsthöhere Gangarten (vor allem beim Übergang vom Trab zum Galopp).
Viele Reiter machen hier den Fehler, den ersten Galoppsprung mit einem größeren Vorwärtsimpuls auslösen zu wollen. Dabei wird das Pferd in der Oberlinie (Hals, Rücken, Kruppe) aber zu lang und verliert sein Gleichgewicht. Besser: An Durchparieren denken und in dem Moment, in dem das Pferd im Ansatz darauf reagiert, angaloppieren.

Übung Nr. 3: Setzen Sie halbe Paraden vor jede Wendung (z. B. Volte).
Auf gebogenen Linien (Zirkel, Volten, Schlangenlinien) über halbe Paraden das Gleichgewicht des Pferdes unterstützen. Die Anzahl der halben Paraden hängt ein wenig davon ab, wie ausbalanciert ein Pferd ist: Auf einem Zirkel gibt man in der Regel vier (an den vier Zirkelpunkten) halbe Paraden.

Übung Nr. 4: Setzen Sie halbe Paraden zum Tempowechsel ein
– etwa beim Zulegen und wieder Aufnehmen im Trab und Galopp

Übung Nr. 5: Kombinieren Sie halbe Paraden zwischen den Gangarten und innerhalb der Gangarten.
Dazu eignet sich zunächst die Trablektion„Schlangenlinie durch die ganze Bahn mit Übergang zum Schritt (5 bis 7 Schritte) über der Mittellinie“. Hier werden halbe Paraden vor jedem Wenden und vor jedem Übergang eingefordert.

Übung Nr. 6: Geben Sie halbe Paraden ganz bewusst vor jeder Ecke (zunächst im Trab, später auch im Galopp). Ecken sind als Viertelvolten nicht nur wichtig für die Biegearbeit mit dem Pferd, sie bedeuten immerhin auch eine 90-Grad-Wendung und haben damit Einfluss auf das Gleichgewicht. Niemand käme auf den Gedanken, mit seinem Auto eine solche Wendung zu fahren, ohne zuvor vom Gas zu gehen oder gar einen Gang runter zu schalten. Mit ihren Pferden segeln viele Reiter aber unbekümmert um die Kurven. Ein Pferd kann das, im Gegensatz zum Auto, zwar irgendwie kompensieren und fliegt nicht gleich aus der Kurve, doch es gerät ebenfalls aus der Balance, kommt auf die Vorhand und stützt sich dabei vermehrt auf dem inneren Vorderbein ab. Falls das Pferd die halben Paraden (Stichwort: aufnehmen) ignoriert oder der Reiter hier sein Hilfenzusammenspiel noch nicht konzentriert genug abfragen kann, ist es sinnvoll, eine Zeit lang vor jeder Ecke kurz zum Schritt zu parieren und dann umgehend in der Ecke wieder anzutraben. Gelingen die Übergänge flüssig, die Hilfen reduzieren und in dem Moment wieder nach vorn treiben, in dem das Pferd zum Schritt durchparieren will. Auf diese Weise wird die Reaktionsschnelligkeit von Pferd und Reiter verbessert.

Übung Nr. 7: Nehmen Sie halbe Paraden für Galopp-Schritt-Übergänge ins Programm auf, sofern die halben Paraden/Übergänge zwischen den Gangarten und innerhalb der Gangarten gelingen. Achtung: Auch wenn diese Übergänge bereits auf A-Niveau geritten werden, erfordern sie doch bereits ein gewisses Maß an Versammlung. Hier hilft es, das Pferd in den letzten zwei, drei Galoppsprüngen vor dem Durchparieren durch halbe Paraden vermehrt zu setzen. Dabei darauf achten, dass der Übergang genau in der Galoppphase eingefordert wird, in der sich das Pferd bergauf bewegt (in dem Moment wippt die Mähne leicht hoch).

Übung Nr. 8: Üben Sie ganze Paraden in Trab-Halt-Trab-Übergängen.
Diese Übergänge bringen das Pferd vermehrt zur Lastaufnahme und verbessern sich so mit der Zeit selbst. Ist der Übergang auslaufend, die Hilfengebung kritisch überprüfen und besser abstimmen. Sich einen Bahnpunkt aussuchen und genau dort (Reiterknie am ausgewählten Punkt) halten. Macht sich das Pferd fest und zieht seinen Reiter fast aus dem Sattel, im Übergang mit den Zügeln ein winziges und schnelles Links-Rechts (oder Rechts-Links) einsetzen. Das verhindert ein (falsches) Rückwärtsziehen des Reiters und löst kurz das Gebiss im Pferdemaul. Doch Vorsicht: Daraus darf kein Riegeln (das Links-Rechts-Ziehen des Pferdekopfes) entstehen, da dies das Pferdemaul abstumpft. Das kleine Links-Rechts (so kurz wie ein gesprochenes„Lass das“) ist nur als vorübergehende Korrekturmaßnahme (meist reicht ein zwei-, dreimaliger Einsatz) gedacht. Kommt die ganze Parade nach wie vor eher zögerlich durch, abwechselnd mal mit, mal ohne anschließendes Rückwärtsrichten halten. Im Rückwärtsrichten beugt das Pferd seine Hanken (große Gelenke der Hinterhand), was wiederum die Lastaufnahme verbessert und somit künftige ganze Paraden erleichtert.