Profitipps

Mehr Leichtigkeit in den Seitengängen

Ein Artikel von Andrea Kerssenbrock | 09.01.2023 - 13:52
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Das Schultervor bildet den Einstieg in die Seitengänge.
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1. Mittel zum Zweck

Für Johann Riegler ist klar: Nur ein durchgymnastiziertes Pferd lässt sich formen. Die Seitengänge seien daher vor allem ein Mittel zum Zweck: „Ich mache ja den Seitengang nicht, um ihn den Richtern zu zeigen oder dem Publikum vorzuführen, sondern um das Pferd zu gymnastizieren. Wie jede andere Lektion auch. Genau so locker gehe ich an die Seitengänge heran.“ Um dem Pferd die Hilfen näherzubringen, beginnt er meistens im Schritt, fordert zuerst nur wenige Tritte und nähert sich so in kleinen Etappen dem Seitengang an.
 

2. Am Anfang steht das Schultervor

Im Rahmen der korrekten Grundausbildung erfährt das Pferd seine erste Annäherung an die Seitengänge durch das bewusste Geraderichten. Damit geht die Schultervor-Stellung einher, in der der/die Reiter:in das Pferd sanft nach innen stellt und die schmälere Vorhand gerade vor die Hinterhand einstellt. Zusätzlich zu den inneren Hilfen verhindern die äußeren Hilfen ein Wegdrängen nach außen. Das innere Hinterbein lernt Last aufzunehmen, so Riegler. „Zuerst reite ich das Schultervor, dann nehme ich die Biegung dazu.“

Tipp: Das Geradeausreiten auf dem zweiten Hufschlag dient der Selbstkontrolle. Denn es gelingt nur mit gleichmäßiger Einwirkung und dem richtigen Zusammenspiel innerer und äußerer Hilfen.

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Im Schulterherein wird die ganze Vorhand nach innen gewendet.
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3. Die innere Schulter hereinreiten

Laut Riegler ist der häufigste Fehler im Schulterherein der zu stark einwirkende Außenzügel. „Ich brauche selbstverständlich den äußeren Zügel und Schenkel, aber wichtiger sind die inneren Hilfen!“ Viele reiten das Schulterherein so, als wollten sie die äußere Schulter von der Wand wegnehmen. Richtig ist vielmehr, dass (wie der Name schon sagt) die innere Schulter hereingeritten wird. Das Pferd ist um den inneren Schenkel gebogen und läuft quasi an diesem entlang. Im Schulterherein wird somit die ganze Vorhand gewendet. Im Grunde genommen sollte jede einfache Wendung ebenso geritten werden, merkt Riegler an. Denn nur so kann das Pferd mit dem inneren Hinterbein Richtung Schwerpunkt treten und ausbalanciert durch die Ecke gehen. Sichtbar wird eine Blockade der äußeren Schulter durch einen schiefen Kopf, wenn das Pferd im Genick verkantet.

Merke: Im Seitengang und in der Wendung sollen die Ohrenspitzen des Pferdes immer auf gleicher Höhe bleiben!

 


4. Die Schenkel kontrollieren

Die eigenen Beine unter Kontrolle zu halten, ist beim Reiten nicht immer einfach. Im Schulterherein liegt der Innenschenkel immer wieder zu weit hinter dem Gurt anstatt am Gurt zu bleiben. Die Folgen: Die Kruppe wird hinausgeritten, das Pferd kommt aus der Biegung und fällt auseinander. Dabei sollte es durch das Reiten von Seitengängen in die Versammlung gebracht werden. „Wenn ich den inneren Schenkel richtig einsetze, spüre ich auch, wie schön ich die äußere Schulter frei machen kann. Und je freier die äußere Schulter wird, desto besser kann das innere Hinterbein untertreten, weil ich es dann direkter ansprechen und unter den Schwerpunkt dirigieren kann“, erklärt Riegler.

Expertentipp: Johann Riegler empfiehlt das innere Bild im Kopf zu behalten, „mit dem Innenschenkel das äußere Vorderbein reiten zu wollen“. So lässt sich verhindern, dass der innere Reiter:innenschenkel zu weit nach hinten rutscht.

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Auch in Seitengängen ist weniger mehr. Muss mit den Schenkeln geklopft und gequetscht werden, um eine Seitwärtsbewegung auszulösen, war die Vorbereitung nicht gut.
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5. Kruppherein als Vorbereitung

Das Kruppherein - auch Travers genannt - sei eine gute Vorbereitung für die Traversale, führt der Ausbilder aus. „Die größte Gefahr dabei ist, dass das Pferd nur die Kruppe nach innen schiebt. Und das ist zu wenig. Wenn ich Kruppherein reite, halte ich natürlich mit dem Außenschenkel die Kruppe innen. Ich muss aber auch hier vermehrt mit dem inneren Schenkel das innere Hinterbein auffordern, Richtung Schwerpunkt zu treten. Sonst reite ich das Pferd nur schief.“ Sollte das Pferd den äußeren Schenkel gar nicht akzeptieren oder verstehen, kann man es einmal mit dem Schenkel auffordern, die Krupp - ungeachtet der Biegung - ein bisschen weichen zu lassen. Dieses Vorgehen sollte man allerdings nur kurz praktizieren. Sobald das Pferd versteht, dass der Impuls mit dem äußeren Schenkel bedeutet, mit der Hinterhand zur Seite zu weichen, wird wieder an der Längsbiegung gearbeitet.

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Vorwärts-seitwärts mit Schwung: Gute Traversalen vermitteln ein unvergleichliches Reitgefühl. © www.slawik.com

6. Die Traversale

Eine korrekt ausgeführte Traversale ist die Königin aller Seitengänge. Am schönsten ist sie, wenn Haltung, Ausdruck und Schwung des Pferdes in der typischen Vorwärts-Seitwärts-Bewegung erhalten bleiben. Der erfahrene Trainer weiß: Auch hier kommt der inneren Hilfe mehr Bedeutung zu, als manche/r Reiter:in denkt. Viele Reiter:innen wollen das Pferd nur mit dem äußeren Schenkel seitwärts treiben. „Das ist schon in Ordnung, aber nur die halbe Miete“, weiß Riegler. „Ich muss genau darauf achten, dass das Pferd mit dem inneren Hinterbein kräftig abfußt und es nach vorne und dann zur Seite bringt. Wenn das innere Hinterbein die Richtung vorgibt, braucht das äußere nur zu folgen.“

Expertentipp: „Ich empfehle, die Gerte in der inneren Hand zu halten. Damit kann ich das innere Hinterbein optimal unterstützen. Als Reiter spüre ich die Verbesserung der Traversale sofort, wenn das Pferd diese Unterstützung annimmt.“


7. Seitwärtstritte, kleine Schritte

Eigentlich ist das Reiten von Seitengängen ganz einfach, findet Johann Riegler, vorausgesetzt, man beachtet dabei einige grundsätzliche Regeln. Eine der wichtigsten: Es gerade zu Beginn nicht mit dem Seitwärts zu übertreiben. „Ein Hauch von Seitwärts“ nennt Riegler die Möglichkeit einer angedeuteten Lektion. „Das Herrliche ist, ich kann alle Lektionen einfach nur andeuten, kann leicht bleiben und wenig machen. Einfach einen Hauch. Das funktioniert immer. Außer natürlich beim Fliegenden Galoppwechsel, den kann ich nicht andeuten. Aber ein Hauch von Seitengang und das Pferd schön am Hinterbein zu haben, das gibt einfach ein gutes Gefühl“, schwärmt der Profi. Um einen Seitengang zu reiten, braucht es im Schenkel nicht mehr Kraft als etwa beim Antraben – „sonst stimmt etwas nicht.“

8. Die richtige Technik

Entzieht sich das Pferd der Einwirkung, hakt es in der Grundausbildung. Denn: „Leichte Biegung, kleine Paraden, seitwärts an die Hilfen dranreiten, das schafft jedes Pferd.“ Betont man das Seitwärtsreiten der Hinterhand zu sehr, geht dies immer mit einem Schwungverlust einher. Oft rutscht der Mensch im Sattel auch noch mit dem Gewicht nach außen und findet nicht mehr zurück auf den inneren Gesäßknochen. Dann heißt es, einen Schritt zurückgehen. Wenn beispielsweise das Vorwärts in der Traversale verlorengeht, hilft es, kurz zu unterbrechen, geradeaus zu reiten und mit einigen Tritten Schulterherein Ordnung zu schaffen, bevor es wieder in die Traversale geht. Manche Pferde neigen dazu, seitwärts davonzulaufen. Hier bewährt es sich, immer wieder mal aus der Traversale in ein Schulterherein zu reiten. Sobald das Pferd auf die Hilfen wartet, wird die Traversale fortgesetzt.

„Wenn das Pferd den äußeren Schenkel akzeptiert, braucht man es nur mit dem inneren Schenkel vorreiten“ – aus dem Munde des Meisters klingt es ganz einfach. Und es stimmt: Wenn man als Reiter:in die richtige Technik verinnerlicht hat, gelingen Seitengänge mühelos und spielerisch. Man kann sie mal mit mehr Schwung reiten, mal vorsichtig, mal nur angedeutet. Es geht immer darum, langsam zu starten und dem Pferd klare Anweisungen zu geben. Mit einer exakten Hilfengebung und etwas Übung lassen sich Traversalen dann zum Beispiel immer steiler und schwungvoller anlegen. Derart vorbereitet sind selbst Zick-Zack-Traversalen kein Mirakel mehr.