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Dehnen Sie das Hinterbein unter dem Bauch hindurch in Richtung des Fesselgelenks des diagonalen Vorderbeins. Steigern Sie die Intensität der Dehnung über einen längerenZeitraum. © JB Tierfoto / Cadmos

8 Übungen für rückengeplagte Pferde

Ein Artikel von Pamela Sladky/Anne Schmatelka | 22.06.2015 - 14:51
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Mit den richtigen Übungen, reichen bereits wenige Minuten täglich, um die Rückengesundheit hres Pferde nachhaltig zu verbessern. © JM Fotografie

Vier von fünf Menschen leiden im Laufe ihres Lebens zumindest gelegentlich unter einem schmerzenden Rücken. Wie vielen Pferden es ebenso geht, darüber gibt es keine gesicherten Zahlen. Ein Blick in einschlägige Foren und Pferdekliniken legt jedoch die Vermutung nahe, dass Rückenerkrankungen beim Pferd öfter vorkommen, als uns lieb ist. Dabei reicht die Palette von einfachen Verspannungen bis hin zu gravierenden Problemen, die schließlich sogar in einer dauerhaften Unbrauchbarkeit des Reitpferdes resultieren können.  

Obwohl viele Reiter danach trachten ihre Pferde mittels täglicher Gymnastizierung gesund zu erhalten, zählt der Mensch in Sachen pferdiger Rückenprobleme zu den Hauptverursachern. Fehlendes Wissen um Anatomie und Physiologie des Pferdes, mangelnde Reitkenntnisse und übertriebener Ehrgeiz sorgen dafür, dass es in der Bewegungszentrale des Pferdes nicht mehr rund läuft. Die Anzeichen dafür sind vielfältig und im Anfangsstadium leicht zu übersehen. Zu Beginn fällt dem aufmerksamen Reiter eventuell eine gewisse Arbeitsunlust auf, das Pferd ist triebiger als sonst, mag sich vielleicht auf eine Seite plötzlich nicht mehr so gerne biegen und ist in der Anlehnung etwas mauliger als sonst. Auffälliger wird es, wenn es selbst bei einem sonst immer so braven Pferd plötzlich Probleme beim Auftrensen oder Aufsatteln gibt. Stellen sich beim Reiten echte Widersetzlichkeiten in Form von Buckeln oder Steigen ein, verweigert es eine Gangart oder eine Hand komplett, ist Feuer am Dach. Spätestens dann wird der Tierarzt gerufen, der nach dem Rechten sehen soll. Häufig ist das Problem in diesem Stadium allerdings bereits derart gravierend, dass die Rehabilitation mehrere Wochen in Anspruch nimmt.

Durch Bewegung zum gesunden Rücken

Bei Rückenproblemen spielt eine fachgerechte Bewegungstherapie eine zentrale Rolle. Kann das Pferd aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht geritten werden, ist Gymnastizierung vom Boden aus angesagt. Korrektes Longentraining und Arbeit an der Hand leisten einen wichtigen Beitrag, um Verspannungen zu lösen, die geschwächte Muskulatur zu stärken und die Mobilität zu verbessern, damit das Pferd seinen Reiter in Zukunft wieder schmerzfrei tragen kann.

8 kleine Übungen mit großer Wirkung

Um Ihrem Pferd zu einem gesünderen Rücken zu verhelfen, sind zeitraubende Trainingseinheiten gar nicht vonnöten – und oft auch gar nicht sinnvoll. Mit den richtigen Übungen, reichen bereits wenige Minuten täglich, um die Rückentätigkeit Ihres Pferde nachhaltig zu verbessern. Buchautorin Anne Schmatelka hat acht einfache Übungen zusammengestellt, mit denen jeder Pferdebesitzer seinem rückengeplagten Pferd zu mehr Wohlbefinden verhelfen kann. Zwar sind spezielle Fachkenntnisse für die Anwendung nicht zwingend nötig, Schmatelka rät jedoch zu einer anfänglichen Einweisung durch einen Fachmann (z.B. Ostheopath). Auch Ihr Pferd bedarf im Vorfeld einer Vorbereitung: „ Die Übungen sollten grundsätzlich nur mit aufgewärmten Pferden durchgeführt werden, um weitere Verkrampfungen oder sogar Schädigungen der Muskulatur zu vermeiden. Zu diesem Zweck sind sanfte Massagen ebenso geeignet wie ausgiebige Schrittphasen“, erklärt die Expertin.

1. Entspannung der Halsfaszie

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Die Hand schiebt sich weich in die Halsfalte hinein. Das Pferd muss dabei den Hals entspannt fallen lassen. © JB Tierfoto / Cadmos

Um die Widerrist, Ober- und Unterhalsmuskulatur zu lockern und zu entspannen schiebt man die Hand sanft in die Halsfalte. Das Pferd muss dabei den Hals entspannt fallen lassen. Ist die Muskulatur locker, kann man die Hand tief hineinschieben. Gibt es in diesem Bereich starke Verspannungen, lässt sich die Hand nur mit Mühe in die Falte schieben. Das Pferd reagiert dann eventuell mit Widersetzlichkeiten. Möglicherweise stellen Sie im Seitenvergleich einen Unterschied in der Festigkeit der Muskulatur fest. Ziel ist es, dass beide Seiten sich später gleich elastisch anfühlen.

Wichtig: Versuchen sie nicht mit Gewalt die Hand tief in der Halsfalte zu versenken. Lassen Sie sich Zeit und Sie werden sehen, Sie kommen jeden Tag ein bisschen weiter. Nach vier bis fünf Wochen wird Ihr Pferd genießerisch den Kopf in die Tiefe strecken, abschnauben und abkauen.


2. Karottenübung

Die Karottenübung ist der perfekte Gradmesser dafür, wie beweglich ihr Pferd ist. Ein lockeres Pferd kann seinen Kopf bis zur Hinterhand herumführen, ohne dabei mit den Vorderfüßen mitlaufen zu müssen. Achten Sie darauf, dass sich Ihr Pferd möglichst langsam in Rchtung Knie dehnt. Die Perfektion haben Sie erreicht, wenn es seinen Kopf auf Höhe des Sprunggelenks einen Moment lang halten kann. Wenn es dabei einmal knackt, ist das nicht schlimm, es hat sich etwas gelöst. Das Pferd wird diese Übung ohnehin nur dann willig ausführen, wenn sie ihm keine Schmerzen bereitet. Also mit Ruhe üben.

3. Aufwölben

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Bei der Karottenübung ist es wichtig, vorsichtig in Richtung Hinterhand zu dehnen. Auch eine Dehnung in Richtung Sprunggelenk ist sinnvoll. © JB Tierfoto / Cadmos

Um den Rücken Ihres Pferdes per Hand auzuwölben, müssen Sie zuerst den richtigen Punkt finden. Fassen Sie direkt hinter den Vorderbeinen unter den Bauch. Ungefähr in der Mitte werden Sie eine leichte Vertiefung finden. Das ist der Punkt, den Sie mit Ihren Fingerkuppen mit leichtem Druck oder auch mit einem Holzstäbchen nach oben wölben können. Dieses Aufwölben geht bis zum Widerrist, den man auf diese Weise gut lockern und dehnen kann. Die Wirbelsäule wird in ihrer Mobilität unterstützt, das Pferd im Rücken entlastet.

Diese Übung können Sie bei vielen Gelegenheiten wiederholen – beim Putzen, kurz vor dem Aufsteigen oder wenn Ihr Pferd gerade unter dem Solarium steht. Je öfter Sie auf diese Weise den Pferderücken anheben, umso schneller wird er elastisch.

Vorsicht: Wenn Sie diese Übung zum ersten Mal durchführen, wird Ihr Pferd vermutlich nicht begeistert sein, da es möglicherweise steif ist und Schmerzen fürchtet. Um zu verhindern, dass es mit dem Hinterbein ausschlägt, heben Sie ein Vorderbein hoch. Sollten Sie ein Holzstäbchen verwenden, dann nur mit ganz wenig Druck einsetzen!

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Der leichte Druck von unten gegen das Brustbein veranlasst das Pferd, den Rücken anzuheben. © JB Tierfoto / Cadmos

4. Lockerung von Zungenbeinmuskulatur und Kiefer

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Mit dieser Übung kann man den Kiefer lösen. © JB Tierfoto / Cadmos

Eine entspannte Zungenbeinmuskulatur, ein entspannter Kiefer und ein entspanntes Genick sind für Losgelassenheit und Durchlässigkeit eines Pferdes unerlässlich. Grobe Zügeleinwirkung, eine falsche Kopf-Hals-Stellung oder ein zu eng verschnalltes Reithalfter führen zu Verkrampfungen in diesem Bereich. Auch viele Pferde mit Rückenproblemen sind in dieser Region sehr verspannt und verkrampft. Mithilfe der im Folgenden beschriebenen Übung können Sie – in Absprache mit Ihrem Osteopathen – Ihrem Pferd helfen, diese Partien wieder zu entkrampfen. Die Wirkung zeigt sich schnell beim Reiten. Pferde kauen wieder beim Reiten und sie reißen das Maul nicht mehr auf – vorausgesetzt, das Zaumzeug ist einer feinen Reitweise entsprechend locker verschnallt und die Reiterhand wirkt fein ein.

Stecken Sie die Zeigefinger in die Maulwinkel des Pferdes und ziehen Sie in leicht von den Zähnen weg. Am besten stützen Sie sich mit dem Daumen gleichzeitig am oberen ersten Backenzahn leicht ab, so kann bei einer ungeplanten Kopfbewegung des Pferdes Ihr Finger nicht zwischen die Zähne geraten. Mit den anderen Fingern halten Sie außen das Halfter fest. Wichtig ist, dass Ihr Pferd anfängt zu kauen – es wird dies mit dem Unterkiefer zur Seite des Reizes tun, deshalb sollten beide Seiten gleichmäßig bearbeitet werden. 

Vorsicht: Weil vielen Pferden Vielen Pferden ist diese Übung vor allem zu Beginn nicht so angenehm ist, gehen Sie gerade am Anfang langsam und vorsichtig vor. Achten Sie darauf, dass Ihr Pferd bei einem eventuellen Kopfschütteln oder anderen Bewegungen mit dem Kopf nicht Ihre Finger mit den Zähnen erwischt.

5. Das Becken kippen

Mit dieser Übung verbessern Sie die Mobilität des Beckenbereichs. Wenn Sie mit den Stäbchen vorsichtigen Druck auf den vorderen Bereich des Beckens ausüben – links und rechts der Wirbelsäule auf dem langen Rückenmuskel –, wird Ihr Pferd mit dem Becken nach vorn kippen, und Sie sehen und fühlen, wie sich der ganze Rücken nach vorn unten schiebt. Wenn Sie mit zwei Holzstäbchen vorsichtig und langsam hinten an der Kruppe hinunterfahren, wird Ihr Pferd den Rücken, vor allem den Lendenwirbelsäulenbereich, aufwölben.

Vorsicht: Seien Sie anfangs bei dieser Übung besonders vorsichtig und üben Sie nicht zu viel Druck aus. Eine Position leicht seitlich neben dem Pferd ist sicherer. Bei Pferden, die zum Ausschlagen neigen, sollten Sie auf diese Übung lieber verzichten.

6. Schweifziehen

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Werden die Stäbchen so angesetzt, kippt das Becken nach vorn. © JB Tierfoto / Cadmos

Mit dem Schweifziehen erreichen Sie die Dehnung und Entspannung der gesamten Oberlinie (Wirbelsäule) des Pferdes. Achten Sie darauf, dass Sie das Ziehen am Schweif langsam beginnen, und konzentrieren Sie sich auf die Reaktion Ihres Pferdes. Viele Pferde finden diese Übung sehr entspannend und nehmen sie, einmal verstanden, gern an. Beginnen Sie langsam und mit viel Gefühl, und stellen Sie sich beim ersten Mal nicht zu dicht hinter das Pferd.

7. Stretching für die Hinterbeine

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Legen Sie das Röhrbein des Pferdes gegen Ihren Oberschenkel und dehnen Sie das Bein vorsichtig, langsam und gerade nach hinten heraus. © JB Tierfoto / Cadmos

Diese Übung dient der Mobilisierung des Hüftgelenks. Gerade beim anfänglichen Einüben fällt es vielen Pferden schwer, das Hinterbein weit nach hinten herauszustrecken, denn die Übung ist unter anderem für den Hüftbeuger anstrengend. Der Muskel beginnt schnell zu zittern.

Pferde mit Rückenproblemen sind oftmals einfach auch steif und müssen sich langsam und vorsichtig an diese Stretchingübung gewöhnen. Im ersten Schritt sollte man deshalb mit dem Dehnen nach hinten sehr vorsichtig beginnen. Ein Großteil der Pferde wird versuchen, das Bein wieder zurückzuziehen. Das ist zunächst nicht weiter tragisch. Wenn das Pferd kein Unwohlsein oder keinen Schmerz mehr verspürt, wird es die Übung leichter ausführen.

Auch bei dem Dehnen der Hinterbeine diagonal unter dem Bauch hindurch geht es nicht darum, weit am Vorderbein vorbei zu dehnen, sondern erst einmal darum, dass das Pferd willig mitmacht und es keinen Schmerz verspürt.

Im Laufe der Zeit fühlt man, dass das Pferd dem Zug nichts mehr entgegensetzt, es wird beweglicher im Hinterbein und in der Hüfte und das Dehnen funktioniert leichter.

8. Stretching für die Vorderbeine

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Dehnen Sie das Hinterbein unter dem Bauch hindurch in Richtung des Fesselgelenks des diagonalen Vorderbeins. Steigern Sie die Intensität der Dehnung über einen längerenZeitraum. © JB Tierfoto / Cadmos

Bei dieser Dehnungsübung ist es besonders wichtig, dass das Vorderbein nicht zu weit nach oben gezogen wird. Sonst muss das Pferd den Rücken absinken lassen, um das Bein so hoch zu heben, wie wir es von ihm verlangen. Das kann – je nach Rückenproblem – mit Schmerzen verbunden sein. Die Übung würde auf jeden Fall ihre Wirkung verfehlen. Um diese Übung zu perfektionieren, können Sie nach einiger Zeit vorsichtig beginnen, die Vorderbeine leicht nach außen und innen zu dehnen. Steigern Sie das Dehnen jedoch langsam über Wochen. Gerade für die Seitengänge ist eine gut gedehnte und bewegliche Schulterpartie unverzichtbar, damit die Bewegung harmonisch und elastisch ist und die Beine weit ausgreifen und kreuzen können.

Die vorgestellten Übungen sind kurz aber effektiv. Es reichen schon wenige Minuten täglich, um die Rückemuskulatur Ihres Pferdes gezielt zu mobiliseren und damit Schmerzen vorzubeugen und/oder zu lindern. „Wenn Ihr Pferd nach Abschluss der Übungen einen zufriedenen und entspannten Eindruck macht, ist das das beste Zeugnis für Sie. Dann haben Sie alles richtig gemacht“, verrät Anne Schmatelka.

Worauf es beim Wiederaufbau eines rückengeplagten Pferdes ankommt, was beim Training an Longe und unter dem Reiter zu beachten ist und wie Sie Rückenprobleme nachhaltig vermeiden, lesen Sie in Anne Schmatelkas Buch "Über den Rücken - Pferde mit Rückenproblemen richtig reiten", erschienen bei Cadmos.

Buchtipp

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Summary: --- Alt: --- Keyword: --- Doc.Name: "ueber_den_ruecken.jpg" © Cadmos

Über den Rücken
Pferde mit Rückenproblemen richtig reiten

Anne Schmatelka
ISBN 978-3-8404-1014-7
erhältlich bei Cadmos: bestellen

Mangelnde Durchlässigkeit, Taktfehler, Probleme in den Seitengängen: Diese und viele weitere verbreitete Schwierigkeiten in der Dressurausbildung von Pferden sind auf Rückenschmerzen zurückzuführen. Als Ursache kommen meist Ausbildungsfehler in Betracht – und hier setzt die Autorin dieses Buches an. Denn Pferde mit Rückenproblemen sind nicht zwangsläufig unreitbar, sondern können mit den richtigen Methoden und Übungen trotzdem schmerzfrei und sogar auf hohem Dressurniveau geritten werden. Wird das Pferd konsequent „über den Rücken“ und gemäß den Grundsätzen der klassischen Reitkunst gearbeitet und wird auf die Rahmenbedingungen wie Sattelanpassung, Hufkorrektur und Haltung geachtet, ermöglicht der Muskelaufbau eine sehr gute Leistungsfähigkeit des Pferdes bis ins hohe Alter. Dieses Buch stellt alle wichtigen Informationen rund um das Thema zusammen und zeigt den Weg einer rückengerechten Reitweise auf.

Anne Schmatelka beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Gesunderhaltung des Pferdes trotz Nutzung durch den Reiter und hat zu diesen Themen zahlreiche Beiträge in verschiedenen Fachmagazinen veröffentlicht. Ihr besonderes Interesse gilt dem Thema Rückenprobleme bei Pferden. Ihr eigenes Pferd, bei dem im Alter von fünf Jahren die Diagnose Kissing Spines gestellt wurde, hat die Autorin bis zur Klasse S ausgebildet.