Gesundheit

Dicke Luft in Reithallen begünstigt Atemwegserkrankungen

Ein Artikel von Friederike Stahmann/PS | 13.10.2015 - 09:51
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Auch wenn man sie nicht sieht, sind sie da: Vor allem im Sommer bevölkern Bakterien und Pilzsporen die Reithallenluft, im Winter sinkt der Keimdruck, dafür steigt die Staubbelastung. ©Tanja Esser - stock.adobe.com

Husten? Unter PferdebesitzerInnen ein Dauerthema. Kein Wunder, denn Krankheiten der Atemwege sind neben Koliken die häufigsten inneren Erkrankungen des Pferdes. Weltweit machen sie rund 40 % aller erfassten internistischen Pferdeerkrankungen aus. Auslöser gibt es viele. Staub und zu trockener Luft zum Beispiel oder Allergien hervorgerufen durch Pollen, Staub oder Schimmelpilze. Aber auch Reizungen durch Kälte oder Ammoniak oder Infektionskrankheiten lassen unsere Pferde immer wieder husten.

In den meisten Fällen treffen mindestens zwei Ursachen zusammen, zum Beispiel eine Infektion bei gleichzeitig ungünstigen Lebensumständen. Und dann ist er da, der Husten. In den vergangenen Jahren wurden zwar einige wissenschaftliche Studien zur Luftqualität und zur Staubbelastung in Pferdeställen durchgeführt, zur Qualität der Atemluft in Reithallen gibt es bisher aber wenige wissenschaftliche Untersuchungen. Aber gerade in dieser Luft arbeiten viele Pferde zumeist täglich – vor allem in den Wintermonaten. Auch ReitlehrerInnen, die in geschlossenen Reithallen unterrichten, unterliegen einem erhöhten Risiko, an Atemwegserkrankungen wie Bronchitis zu erkranken, wie eine amerikanische Fallstudie zeigt. Und ebenso alle ReiterInnen. Dabei wollen sie auf keinen Fall bei der Ausübung ihres Sports einer negativen Belastung ihrer Gesundheit ausgesetzt sein. Im Gegenteil: Nicht selten wird geritten, weil man sich neben der Liebe zum Tier einen positiven Effekt für die Gesundheit verspricht.

Vier Reithallen im Vergleich

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Chronischer Husten: Atemwegserkrankungen gehören zu denhäufigsten internistischen Krankheiten unserer Pferde, Ursache ist häufig das Stallklima. © Rita Kochmarjova - fotolia.com

Torsten Lühe, Wissenschaftler am Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, beschäftigt sich schon seit Jahren mit diesem Thema. Seit September 2012 maß er deshalb in einer großen wissenschaftlichen Studie die Luftqualität in Reithallen. Die Laufzeit der Studie über zwölf Monate sollte dabei auch einen möglichen saisonalen Einfluss erfassen. In vier Reithallen wurden über ein ganzes Jahr regelmäßig Untersuchungen zur Luftqualität mit besonderem Augenmerk auf Staubpartikelgröße und luftgetragene Keime durchgeführt. Denn auch wenn man sie nicht sieht: in der Luft befinden sich ständig Bakterien, Schimmelpilzsporen, Pollen, Hautschuppen sowie Keime, vor allem aus Urin und Kot, allerdings in unterschiedlichen Konzentrationen.

Gemessen wurde in Kopfhöhe des Pferdes und in Höhe des Reiters, um Informationen zu potenziellen Gesundheitsrisiken für Tier und Mensch zu erhalten. Das Reitprogramm war so standardisiert, dass nicht „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Im Klartext: Torsten Lühe hatte ein standardisiertes Trainings- und Probeentnahmeprogramm entwickelt. Die Hallen durften vor den Messungen über zehn Stunden nicht genutzt werden. Dann folgte ein 20-minütiges Trainingsprogramm eines einzelnen Pferdes mit ReiterIn. Zu Beginn mussten die Pferde neun Runden Schritt und sechs Runden Trab in der ganzen Bahn absolvieren. Dann folgten drei Runden Schritt, gefolgt von sechs Runden Trab und drei Runden Galopp, jeweils auf den Zirkeln. Vor und während der Arbeit auf den Zirkeln erfolgte an vier vorher festgelegten Bahnpunkten die Messung der Staubbelastung auf 1,50 m und 2,5 m Höhe. Der Pferdebestand in den Praxisbetrieben liegt zwischen 24 und 56 Tieren. Auf zwei Reiterhöfen gibt es eine direkte Verbindung zwischen Stall und Reithalle. Das Tretschichtmaterial besteht in allen vier Reithallen aus Sand, wobei es sich in Halle 2 genaugenommen um ein Sand-Späne- Gemisch handelt. Untergrund ist jeweils natürlich gewachsener Boden. Das Alter des Bodenbelags lag zwischen einem und vier Jahren. Seit September 2012 erhob Lühe monatlich mit Hilfe eines Partikelmessers die Staubbelastung – und zwar jeweils vor und nach dem Trainingsprogramm. Dabei bestimmte er die Staubkonzentration für sechs Staubpartikelgrößen. Daneben ermittelte der Doktorand auch die Luftfeuchte und die Lufttemperatur. Um die Pilz- und Bakterienkonzentration zu messen, wurden Proben mit einem Luftkeimsammler gezogen und analysiert. Zusätzlich genommene Reithallenbodenproben ermöglichten einen Vergleich zwischen der bakteriologischen Besiedelung im Boden und in der Luft.

Belastung im Wander der Jahreszeiten

Wie die Messungen zeigten, steigt in den Monaten mit niedrigen Außen- und damit auch Hallentemperaturen die Staubbelastung in den Reithallen. Den Tiefpunkt der Temperatur wurde in den Monaten Januar und Februar gemessen – und genau in diesen beiden Monaten sind die meisten Staubpartikel in der Luft zu finden. Auf die Frage, warum, nennt Lühe folgenden Grund: „Im Winter ist die Temperatur niedrig, dadurch wird es nahezu unmöglich, den Hallenboden zu bewässern.“ Und bei Temperaturen unter 0 °C ist eine Bewässerung ja auch praktisch gar nicht möglich. Im Gegenzug lässt sich sagen, dass die niedrigsten Staubbelastungen in den warmen Monaten Juni, Juli, August und September gemessen wurden. Sind Reithallen im Winter mehr, im Sommer dafür weniger belastend für Pferde- und Reiterlunge?

Auf diese Frage liefern die Studienergebnisse ein klares Nein als Antwort. Denn wirft man einen blick auf die Bakteriologie, sieht das Bild schon wieder ganz anders aus. Hier stimmt die landläufige Meinung des Praktikers mit der des Wissenschaftlers überein. Denn in der kalten Jahreszeit fand der Doktorand Lühe viel weniger Keime als im Sommer, wobei die höchsten Werte in den Monaten August, September und Oktober anfielen. „Dass die Keimbelastung im Winter niedriger ist als im Sommer, hängt damit zusammen, dass sich die Keime in der kalten Umgebung weniger gut vermehren können und zum anderen, dass ihnen der Nährboden in Form von feuchter Einstreu durch Bewässerung der Hallen fehlt“, so die Analyse des Wissenschaftlers.

Und Lühe fand weitere interessante Ergebnisse: Beim Vergleich jeder Halle vor und nach dem Reitprogramm zeigten sich große Unterschiede in der Höhe der Keimbelastung. Am häufigsten fand der Wissenschaftler Bakterien der Gattung Staphylococcus. Dabei handelt es sich um Keime, die sowohl in der Umwelt als auch auf menschlicher wie tierischer Haut zu finden sind. Diese Bakterien schwebten nach dem Reitprogramm doppelt so häufig in der Halle umher wie vor der reiterlichen Benutzung. Hier konnte Lühe gleich einen mehrfachen Anstieg messen. Das galt übrigens für alle Hallen, egal, ob es sich beim Boden um eine reine Sandunterlage oder ein Sand-Späne-Gemisch handelte.

Nichts desto trotz spielte zumindest das Alter der Böden eine große Rolle: Die Halle, in der schon seit vier Jahren derselbe Sand aufgebracht war, hatte mit Abstand die höchste Keimbelastung. Kein Wunder, denn in diesem Belag hatten die Bakterien bereits reichlichtst Zeit, es sich so richtig gemütlich zu machen. Und einen zweiten Punkt gibt er zu bedenken: In den Hallen mit Verbindung zwischen Stall und Reithalle ist der Keimdruck wesentlich höher. Die beruhigende Botschaft: alle gefundenen Bakterien sind als nur in geringem Maße krankheitserregend einzuordnen.

Für die Belastung der Luft mit Pilzsporen gilt dasselbe wie für Bakterien. Auch hier schnitt die Reithalle mit den ältesten Bodenbelag am schlechtesten ab. Hier stieg die Belastung gleich um ein Hundertfaches gegenüber den Hallen mit jüngerem Belag an. Torsten Lühe bestimmte außerdem vier Schimmelpilzarten in der Luft – alle vier Pilze können Allergien provozieren. Missliebigster Krankheitserreger unter den Pilzen ist sicher Penicillium spp. Dieser Pilz ist dafür bekannt, dass er Asthmaanfälle auslösen kann. Wird er über längere Zeit eingeatmet, kann es zu bronchialen Spasmen und Ödemen kommen, in schweren Fällen bis zum Lungenemphysem. Und genau dieser Pilz war vermehrt in der Halle mit dem älteren Bodenbelag zu finden.

Rote Karten für alte Hallenböden und direkte Stallanbindung

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Pilzsporen mit allergener Wirkung sind in allen Reithallen zu finden, besonders aber in solchen mit älteren Bodenbelägen. © Fotolia.com

Als Fazit schließt Lühe, dass die Luftqualität sowohl durch die jeweilige Halle, den Monat bzw. die Jahreszeit und die reiterliche „Bearbeitung des Hallenbodens“ sowie alle drei Faktoren gemeinsam beeinflusst wird. In den Monaten mit niedrigen Temperaturen muss man mit einer höheren Staub-Partikelzahl nach dem Reiten rechnen. Die Keimbelastung ist in Monaten mit geringer Temperatur niedriger als bei höheren Temperaturen. Dagegen wirkt sich eine direkte Verbindung von Reithalle zum Stall besonders negativ auf die Keimbelastung aus. Pilzsporen mit allergener Wirkung sind in allen Reithallen zu finden, besonders in solchen mit älteren Bodenbelägen.

Diese Untersuchung zeigt, dass es beim Sport mit Pferden, wenn es um die Gesundheit der Atemluft geht, noch viel zu tun gibt. Eine Alternative in wärmeren Monaten ist sicher die Benutzung eines Außenplatzes. Bewässern des Hallenbodens ist ebenfalls sinnvoll, um die Staubbelastung zu reduzieren, wobei zugleich leider die Belastung an Bakterien und Pilzen steigt. Reitböden in Hallen sollten daher regelmäßig ausgetauscht werden, um die Pilz- und Bakterienbelastung zu minimieren. Und nicht zuletzt: wer einen Reitbetrieb aufbaut, sollte sich gut überlegen, ob er den Komfort der direkten Stallanbindung nicht zugunsten einer besseren Luftqualität opfern sollte.

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Dieser Artikel von Friederike Stratmann ist erstmals in Ausgabe 1/2014 der Pferderevue erschienen. Pferderevue AbonnentInnen können diese Artikel zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach in unserem E-Paper-Bereich einloggen und in allen Heften aus 30 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!

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