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Der Gesichtsausdruck hyperaktiver Pferde ist unruhig und verspannt, die weißen Teile des Auges sind verhältnismäßig häufig zu sehen. © www.slawik.com

Zappelphilipp auf vier Beinen - ADHS bei Pferden?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 05.12.2016 - 11:30
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Der Gesichtsausdruck hyperaktiver Pferde ist unruhig und verspannt, die weißen Teile des Auges sind verhältnismäßig häufig zu sehen. © www.slawik.com

Pferde, die ständig unter Strom stehen, sind oft eine große Belastung für ihre Besitzer, vor allem weil sie eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle darstellen. Doch was bedeutet Hyperaktivität beim Pferd eigentlich? Wodurch entsteht diese permanente Unruhe, wie äußert sie sich typischerweise – und welche Maßnahmen sind geeignet, um betroffenen Pferden wirksam und nachhaltig zu helfen?

Armer Zappelphilipp!

Sie zappeln ständig herum und können nicht stillstehen, werden schnell ungeduldig und sind leicht reizbar. Alle Sinne sind stets hellwach und bemerken selbst kleinste Veränderungen. Dadurch neigen sie rasch zum Scheuen, im Extremfall zu Panikattacken wie Durchgehen. Der Gesichtsausdruck ist meist ängstlich. Die weißen Teile des Auges sind verhältnismäßig oft zu sehen, das Maul ist nicht selten angespannt, und das Ohrenspiel unruhig. Die Bewegungen sind schnell und ruckartig. Aufgrund der übersteigerten Eigendynamik besteht eine verstärkte Tendenz zum Zackeln (hektische und eilige Fußfolge des Pferdes im Schritt, wobei es aus dem Takt kommt und anzutraben droht) und Pullen (starkes und gegen die Trense lehnendes Vorwärtsdrängen). Weil diese Pferde meist überdurchschnittlich intelligent sind, suchen nicht wenige bei fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten ihr Heil in Verhaltensanomalien wie Koppen und Weben.

Werden diese sensiblen Pferde grob behandelt, reagieren sie höchst ängstlich. Druck und Zwang beantworten sie mit teils massiver Gegenwehr oder Fluchtversuchen. Während der Arbeit sind sie schwierig zu handhaben, da sie sich schlecht konzentrieren können, sich schnell ablenken und aus der Fassung bringen lassen. Auf der anderen Seite sind sie aber auch begeisterungsfähig und arbeiten gerne mit, wenn sie Vertrauen gefasst haben und sich sicher fühlen. Weiß man sie richtig zu nehmen und zu motivieren, sind sie sogar zu außergewöhnlichen Höchstleistungen fähig. Das wiederum birgt das Risiko, sie zu überfordern und „sauer“ zu reiten.

Rast- und Ruhelosigkeit

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Hyperaktive Pferde suchen mangels Beschäftigungsmöglichkeiten ihr Heil oft in Verhaltensanomalien wie Koppen. © www.slawik.com

Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) beschreibt beim Menschen eine bereits im Kindesalter beginnende psychische Störung, die sich durch Impulsivität, Hyperaktivität und Konzentrationsproblemen äußert und heute als häufigste Ursache von Verhaltensauffälligkeiten und schulischen Lernproblemen gilt. Insofern weist die ADHS große Parallelen zu hyperaktiven Pferden auf – auch wenn sie sich nicht eins zu eins auf das Pferd übertragen lässt. Doch was heißt hyperaktiv bei Pferden eigentlich?

„Zunächst einmal nichts anderes, als dass das betroffene Tier aktiver ist als das Durchschnittspferd. Echte Hyperaktivität besteht also erst dann, wenn die Pferde nicht mehr zur Ruhe kommen“, erklärt die auf Pferde spezialisierte Verhaltensbiologin Marlitt Wendt. „Das ist so, als hätte sie einen vollen Akku verschluckt, der sich nie ganz entlädt“, beschreibt eine Pferdebesitzerin treffend das Verhalten ihrer hyperaktiven Stute.

Typisch seien ferner die meist schlechte Futterverwertung und die häufig gestörte Beziehung zu Artgenossen aufgrund ihres launischen und unsicheren, teilweise sogar aggressiven Verhaltens. Auch bei der Ursachenforschung finden sich Ähnlichkeiten zur ADHS, die als multifaktoriell bedingtes Störungsbild mit die Neigung begünstigender erblicher Disposition beschrieben wird. „Für den Verlauf und die individuelle Ausprägung spielen daneben psychosoziale Faktoren und Umweltbedingungen eine wichtige Rolle“, heißt es im wissenschaftlichen Online-Service wikipedia.

Aufgrund ihres generell empfindlicheren Wesens und lebhafteren, leichter erregbaren Grundtemperaments sind Vollblüter und Warmblutpferde mit hohem Vollblutanteil weitaus öfter hyperaktiv als schwere Warmblüter, Kaltblüter oder Robustrassen. Zur genetischen Veranlagung kommen dann in der Regel mehrere ungünstige äußere Einflüsse wie Haltungsmängel, Umgangsfehler oder Stress, die länger auf das Pferd einwirken und häufig schon während der Aufzucht beginnen. Mit vielen kleinen Gegenmaßnahmen kann man hyperaktiven Pferden aber helfen und eine solide Basis der Ausgeglichenheit bilden, weiß Marlitt Wendt. Allerdings sollten zuvor unbedingt gesundheitliche Probleme als Verursacher ausgeschlossen werden. Denn „bei Schmerzen reagieren viele Pferde ruhelos und erscheinen hyperaktiv. Dabei reichen die möglichen Problemfelder von Zahn- und Rückenschmerzen über Hufprobleme bis hin zu hormonellen Störungen“.

Haltung anpassen

„Ein von Natur aus sensibles, reaktives Pferd wird in einer bewegungsarmen Haltungsform schnell ein Hyperaktivitätsproblem zeigen“, warnt Wendt. Aus Frust und Langeweile entwickeln nicht wenige auf Dauer zudem Bewegungsstereotypien wie Halswiegen, Weben, Kreislaufen, Gitterbeißen, Barrenwetzen oder Koppen, um die Unzulänglichkeiten in der Haltung zu kompensieren. Deshalb kommt ein artgerechteres Habitat mit ausreichenden Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten gerade hyperaktiven Pferden besonders entgegen.

Ideal ist ein Offenstall mit zusätzlichen Bewegungsanreizen, am besten ein sogenannter Bewegungsstall. Viele betroffene Pferde werden durch eine solche Haltungsumstellung schon nach kurzer Zeit wesentlich ruhiger und ausgeglichener, sodass sich auch das gestörte Verhältnis zu Artgenossen weitgehend normalisiert oder zumindest erheblich bessert. Anfängliche Rangeleien oder Futterneidattacken nehmen mehr und mehr ab, was die Akzeptanz durch die anderen Pferde zunehmend erhöht. Voraussetzungen für eine annähernd harmonische Gruppenhaltung sind allerdings eine sorgfältig durchgeführte Integration, großzügige Ausweichflächen sowie getrennte Funktionsbereiche (Lauf-, Ruhe- und Fressbereiche). Wichtig ist auch die Gruppenzusammenstellung mit passenden Sozialpartnern. Gut geeignet sind selbstsichere, souveräne und nervenstarke Tiere mit genügend Sozialerfahrung, die durch ihre natürliche Autorität Ruhe ausstrahlen und dem ängstlichen Hektiker ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.

Findet man keinen passenden Offenstall oder stellt man fest, dass das eigene Pferd selbst nach längerer Eingewöhnungszeit mehr Stress als in der Einzelhaltung hat, sollte es zumindest eine Paddockbox mit einem möglichst großen Auslauf und einer Einfriedung erhalten, die Sozialkontakte ermöglicht (kein Elektrozaun). Zweiergemeinschaften können sich jedoch als eher ungünstig erweisen, weil viele hyperaktive Pferde unter Verlustängsten leiden und eine Tendenz zum Kleben haben, was dann bei einer Trennung der beiden zu neuen Problemen führen kann.

Fütterung anpassen

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Offenstallhaltung mit Bewegungsanreizen und passenden Artgenossen ist für hyperaktive Pferde ideal. Raufutterreiche Ernährung beugt Magengeschwüren undKreuzverschlägen vor. © www.slawik.com

Äußerst nachteilig wirkt sich auch eine kohlenhydratreiche Ernährung aus, da sie die Säureproduktion ankurbelt und Magengeschwüren sowie stressbedingten Kreuzverschlägen Vorschub leistet. Außerdem forciert Getreide Nervosität und Unruhe. Deshalb sollte das hyperaktive Pferd vorwiegend mit Raufutter ernährt werden, bei der oft vorhandenen Schwerfuttrigkeit am besten ad libitum (zur freien Verfügung) und idealerweise in engmaschigen Netzen oder Raufen mit engen Gitterabständen, was die Fresszeiten verlängert und für lange Beschäftigung sorgt. Überdies hat eine rohfaserorientierte Fütterung positiven Einfluss auf den gesamten Verdauungsvorgang.

Haben Leistungspferde einen erhöhten Energiebedarf, sollte dieser vorzugsweise durch Öl-Beigaben, getreidefreie und fetthaltige Fasermüslis oder Rübenschnitzel gedeckt werden. Da übernervöse Pferde meist mehr schwitzen, sollte man auf eine ausreichende Elektrolytzufuhr achten und Mineralstoffimbalancen vermeiden.

Stress reduzieren

Hyperaktive Pferde reagieren besonders empfindlich auf jegliche Art von Stress, regen sich schon über vermeintliche Kleinigkeiten auf und werden bisweilen unkontrollierbar. Deshalb sollte unnötiger Stress und insbesondere krankmachender Dauerstress unbedingt vermieden werden. „Viele Pferde zeigen ihren Stress in bestimmten Situationen schon bevor sie mit dem typischen hyperaktiven Herumzappeln beginnen: Ihre Muskelspannung wird fester, die Atmung verändert sich, und der Unterkiefer wird leicht an den Oberkiefer gepresst. Findet der Pferdebesitzer bereits in diesem Stadium einen Weg zurück zur Gelassenheit, lässt sich das hyperaktive Verhalten oft umgehen. Bemerkt er diese subtile Mikro-Mimik nicht oder zu spät, so wird die Reizschwelle des Pferdes überschritten und der Hyperaktivitätsmodus tritt in Kraft“, erläutert Marlitt Wendt.

Generell gilt es, den Stresslevel so niedrig wie möglich zu halten, indem jede Form von Überforderung und Reizüberflutung unterbleibt, das sensible Tier auf alle Veränderungen behutsam vorbereitet und an potenzielle Stressoren stets schrittweise gewöhnt wird. Leicht reizbare Pferde benötigen mehr noch als „normale“ ein möglichst ruhiges Arbeitsumfeld, weil sie sich schneller ablenken lassen und Stresssymptome entwickeln. Da Stress und Angst infolge der mobilmachenden Adrenalinausschüttung die Konzentrations- und Lernfähigkeit blockieren, gelten hyperaktive Pferde zu unrecht als schlechte Lerner, obwohl sie ganz im Gegenteil meist sehr gelehrig sind.

Damit sie sich mehr entspannen und besser konzentrieren können, braucht es vor allem geduldige, selbstbeherrschte Menschen, auf die sie sich jederzeit verlassen können und die durch souveränes Agieren und innere Ruhe Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen und ihnen so ein Sicherheitsgefühl vermitteln. Oft dauert es lange, bis die erhöht misstrauischen Tiere Vertrauen entwickeln – besonders dann, wenn sie schon zahlreiche schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Vielfach besteht die Tendenz, sich auf nur eine Person zu fixieren und auch nur diese an sich heranzulassen, was jedoch gerade für das hyperaktive Pferd, das regelmäßig bewegt und beschäftigt werden sollte, äußerst ungünstig ist. Deshalb ist es sinnvoll, wenn es mehrere Bezugspersonen hat, die gefahrlos mit ihm arbeiten können. Als vertrauensbildende Maßnahmen haben sich Körper- und Bodenarbeitsübungen bewährt. Das schrittweise Heranführen an diverse Bodenhindernisse ist außerdem ein prima Anti-Scheutraining und lehrt das Pferd, sich mit neuen furchteinflößenden Gegenständen auseinanderzusetzen, anstatt die Flucht zu ergreifen. Wichtig ist, dass sich alle beteiligten Personen auf einheitliche und für das Pferd eindeutige Signale und Kommandos einigen und diese konsequent einsetzen.

Abwechslung und Beschäftigung

Viele intelligente hyperaktive Pferde werden durch immer gleiches, monotones Training mental nicht genügend gefordert. Abhilfe schafft ein kreatives Beschäftigungsprogramm, das die gelehrigen Tiere geistig anregt. Vor allem Übungen, bei denen die Pferde selbst mitdenken müssen, wie Zirkuslektionen, Tricktraining oder Denkspiele kommen meist besonders gut an. Vor dem Training unter dem Sattel empfiehlt es sich, das Pferd vorher abzulongieren und schon dabei zu versuchen, Ruhe hineinzubringen, indem man es mit vielen Hand- und Tempowechsel beschäftigt. Am besten longiert man so lange, bis das Pferd entspannt den Hals fallen lässt.

Auch beim Reiten hat es sich als hilfreich erwiesen, solche Pferde möglichst abwechslungsreich zu trainieren. Denn dann müssen sie sich stärker auf ihren Reiter konzentrieren und werden weniger durch potenzielle Aufreger abgelenkt. Zudem werden Tempo und Hektik unterbrochen, weil das Pferd beschäftigt ist, weiß S-Dressurreiterin und Buchautorin Anne Schmatelka aus dem deutschen Warendorf und schlägt hierfür Seitengänge im Schritt, Tempounterschiede (Wechsel zwischen Arbeitstempo und ersten versammelten Tritten) sowie Übergänge (Schritt-Trab-Schritt-Wechsel) auf dem Zirkel vor. Auch das Treten über Stangen ist eine probate Methode, dass das Pferd seiner Aufgabenstellung mehr Aufmerksamkeit schenkt als seinem Umfeld. Verstärkt das Pferd eigenmächtig das Tempo, etwa weil es erschrocken ist, heißt es Ruhe bewahren. „Viele Reiter machen den Fehler, sich in schwierigen Situationen mit den Oberschenkeln festzuklemmen und am Zügel zu ziehen. Das macht die Sache nur schlimmer. Der losgelassene und entspannte, von der Hand unabhängige Sitz ist in Momenten wie diesen sehr wichtig. Abwenden, mit weicher Hand zum Halten durchparieren und stehen bleiben. Tief durchatmen, die Muskulatur entspannen, das Pferd loben und in einem ruhigen Tempo von vorne beginnen“, rät Anne Schmatelka.

Besonders im Gelände braucht das guckige Pferd viel Zügelfreiheit, um seine Umgebung ungehindert betrachten zu können. Denn um die toten Winkel vorne und hinten auszugleichen, muss es seinen Kopf zur Seite drehen können. Weil das Pferd seine Augen zwar seitwärts, aber nicht nach oben und unten bewegen kann, muss es seinen Kopf heben, wenn es in die Ferne schauen will und ihn senken, wenn es den Boden einsehen möchte. Nimmt der Reiter dagegen die Zügel zu kurz, muss er sich über erhöhte Nervosität und Schreckhaftigkeit seines Pferdes nicht wundern.

Falsch ist es auch, sein Pferd beim Anblick eines ungewohnten Gegenstandes durch Zügelverkürzung festhalten zu wollen. Vielmehr sollte man die Zügel lang lassen, gegebenenfalls anhalten und es in Ruhe schauen lassen. Ideal ist ein geländesicheres Begleitpferd, das auch in brenzligen Situationen gelassen bleibt und das hyperaktiv-ängstliche Pferd vor vermeintlichen Aufregern abschirmen kann.

Auch beim Ausreiten gilt, es ruhig angehen zu lassen und lieber längere Strecken im gemächlichen Tempo zu gehen als zu riskieren, dass sich das ohnehin nervige Pferd durch schnelles Traben oder Galoppieren nur noch mehr aufheizt und außer Kontrolle gerät. Bewährt haben sich vor allem Ritte über mehrere Tage, um hyperaktive Pferde wieder auf den Teppich zurückzuholen, weiß der Wanderreitexperte Peter Rott aus dem rheinland-pfälzischen Müllenbach und kennt auch den Grund dafür: „Schließlich kommen gerade Mehrtagestouren dem natürlichen Verhalten der Pferde sehr nahe. Auch in der freien Natur ziehen sie von Rastplatz zu Rastplatz und legen dabei rund 20 Kilometer täglich zurück. Dadurch, dass Pferd und Reiter von morgens bis abends zusammen sind, baut sich Vertrauen auf. Das ist in diesem Umfang bei einem Pferd, das seinen Menschen nur für wenige Stunden am Tag sieht, gar nicht möglich.“ Rott empfiehlt aber auch, sich bei einer Mehrtagestour Profis anzuvertrauen, „die wissen, was in einer Notsituation zu tun ist“.

Beruhigende Berührungen

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Permanente Unruhe erschwert das Handling und kann gefährlich werden. © www.slawik.com

Laut Marlitt Wendt ist es hilfreich, hyperaktive Pferde auf bestimmte Ruhesignale zu konditionieren. So kann man dem Pferd beispielsweise ein Zeichen für den Blickkontakt beibringen, damit es sich bei aufwühlenden Außenreizen am Menschen orientiert und nicht länger von diesen Reizen gefangen genommen wird. Eine weitere Methode ist, dem Pferd mit Hilfe des sogenannten Targettrainings (Target = Zielobjekt, Berührungspunkt) an ein bestimmtes Handzeichen zu gewöhnen. In entspannter Atmosphäre lernt das Pferd anfangs über Belohnungen, der Hand des Menschen zu folgen. „Später kann dieses Handzeichen dann auch in Gefahrensituationen zu einer Art Sicherheitsanker für das Pferd werden.“

Eine gute Möglichkeit ist ferner das Eintrainieren des Kopfsenkens, indem man etwa beim Kraulen „einen bestimmten Berührungspunkt am Pferdehals etabliert, auf den das Pferd mit Kopfsenken reagiert. Der gesenkte Kopf ist gewissermaßen das Gegenstück zu dem aufgeregten Kopf-Hochreißen von nervösen, hyperaktiven Pferden. In der gesenkten Kopfhaltung verlangsamt sich der Puls – und das Pferd wird automatisch ruhiger“. Auch TTouches (engl.: trust = Vertrauen; touch = Berührung), eine von der bekannten Trainerin Linda Tellington-Jones entwickelte Methode, beruhigt nervöse Pferde, weil sie auf das zentrale Nervensystem wirken und die Produktion von Stresshormonen drosseln. So hilft beispielsweise das Ausstreichen der Ohren: Hierzu stellt man sich vor das Pferd, hält es mit einer Hand am Halfter fest, während man mit der anderen ein Ohr am Ansatz sanft umschließt und langsam und unter leichtem Zug bis zur Ohrspitze fährt.

Ein weiteres faszinierendes Hilfsmittel der TTeam-Arbeit ist das Körperband (breites, elastisches Band, das um Vor- und Hinterhand gelegt wird), das auch bei psychischen Imbalancen wie Hyperaktivität erfolgreich eingesetzt wird. „Es gibt viel Diskussion darüber, warum das Körperband hilft“, sagt die in Neuseeland geborene und heute in Kanada lebende Tellington-Instruktorin für Pferde Edie Jane Eaton. „Wir wissen es nicht wirklich. Was wir wissen ist, dass es zu einer tieferen Atmung führt, indem es den Brustkorb flexibler für die Bewegung macht und damit das Gehirn mit mehr Sauerstoff versorgt“. Außerdem hilft es, Ängste zu überwinden, weil es die Hinterhand lockert. Dadurch, dass das Körperband die Vorhand mit der Hinterhand verbindet, „könnte es auch einfach wie eine Umarmung wirken und ein Gefühl der Sicherheit geben“, vermutet Eaton.

Bachblüten, Kräuter & Co

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Manchmal finden hyperaktiven Pferde durch alternativmedizinische Behandlungen zu mehr Ruhe. © www.slawik.com

Als Dauerbehandlung sind Beruhigungsmittel natürlich keine Lösung. In Ausnahmesituationen wie Stallwechsel, krankheitsbedingte Boxenruhe oder erstes Anreiten können sie jedoch eine sinnvolle Hilfe sein. Für Auswahl und Dosierung sollte man allerdings stets fachkundigen Rat einholen.

Bei hyperaktiven Pferden können auch Bachblüten zum Einsatz kommen. Insbesondere Impatiens, das zu mehr Gelassenheit und innerer Ruhe verhilft. Als Ergänzungsblüten können Cherry Plum, Rock Rose und Holly dienen. Von den Homöopathika lindern vor allem Coffea und Hyperikum Angst und große Erregung. Auch einige Heilkräuter wirken entspannend und beruhigend. Die Buchautorin Claudia Naujoks („Naturheilkräuter für Pferde“) empfiehlt für mehr Belastbarkeit und Nervenstärke eine Mischung getrockneter Kräuter aus 300 g Baldrian (inzwischen nicht mehr dopingrelevant), 150 g Hopfenblüten (nicht bei trächtigen Stuten), 250 g Melisse, 250 g Pfefferminze und 50 g Lavendelblüten, von der man täglich 30 bis 50 g verfüttert.

Neben den herkömmlichen pharmazeutisch hergestellten Sedativa gibt es seit einiger Zeit auch dopingfreie Präparate auf der Basis natürlicher Wirkstoffe, die beim Tierarzt erhältlich sind.

Zugegeben: Pferde mit einer hyperaktiven Neigung sind schwierig und anstrengend. Andererseits zeichnen sich gerade diese Pferde „durch eine fantastische Sensitivität und Aufmerksamkeit aus und haben großes Potenzial für ein harmonisches Miteinander, wenn wir versuchen, sie zu verstehen“, ist Wendt überzeugt. Sie seien sehr empfänglich für Lob, reagierten auf positive Verstärkung mit Kooperation und Lerneifer und lassen sich durch Erfolgserlebnisse hervorragend motivieren.

Romo Schmidt

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