Gesundheit

Kolik: Wann in die Klinik?

Ein Artikel von Bernadette Linsbichler | Pamela Sladky | 19.06.2020 - 12:48
14930151902111.jpg

Es bedarf großer Erfahrung, eine Kolik richtig einzuschätzen, deshalb sollte in jedem Fall unbedingt sofort ein Tierarzt hinzugezogen werden. ©  

   

Die Kolik gilt beim Pferd weiterhin als Todesursache Nummer eins, die Ursache für die schmerzhafte Erkrankung des Verdauungstrakt sind vielfältig, ebenso variiert ihr Verlauf. Während manche Fälle durchaus gut im Stall zu behandeln sind, gibt es für andere Pferde ohne Klinik kaum Aussicht auf Rettung. Doch woran erkennt man, in welche Kategorie das eigene Pferd fällt?

1. Anhaltende Schmerzen

Spricht ein Pferd nicht oder nicht dauerhaft auf verabreichte Schmerzmittel an, sollte man es sofort in eine Klinik bringen. Dort kann der Zustand des Patienten dank umfangreicheren Diagnosemöglichkeiten genauer untersucht und die Behandlung besser abgestimmt werden.

2. Veränderte Vitalparameter

Anhand der klinischen Untersuchung und der dabei ermittelten Werte erkennt der Tierarzt oftmals bereits, ob es sich um eine leichte oder starke Kolik handelt. Eine Überstellung in die Klinik ist jedenfalls angezeigt, wenn die Vitalparameter trotz eingeleiteter Therapie nicht besser oder gar schlechter werden, etwa bei anhaltender Lethargie, einer anhaltend erhöhten Herzfrequenz, bei schlechte Pulsqualität, einer veränderten Farbe der Bindehäute im Maul- und Augenbereich (verwaschen, gerötet, bläulich etc.), einer verlängerten kapillaren Füllungszeit (sie zeigt an, wie schnell ein Gewebebereich wieder gut durchblutet wird) etc.

3. Rektalbefund

Manchmal kann bei der rektalen Untersuchung bereits der Ursprung einer Darmkolik gefunden werden. Lässt sich etwa ein geblähter Dünndarm ertasten, ist das immer ein sofortiger Überweisungsgrund. Dasselbe gilt, wenn eine Längsdrehung des Dickdarms erfühlt werden kann. Ein solcher Befund kann nur chirurgisch behoben werden!

4. Reflux

Die Magenschlundsonde ist ein wichtiges Diagnosemittel für den Tierarzt, das bereits im Stall zum Einsatz kommen sollte. Für gewöhnlich ist der Inhalt im Pferdemagen – je nach aufgenommenem Futter – grünlich und unauffällig im Geruch. Zeigt sich bei der Untersuchung stattdessen als gelblich-bräunliche Masse mit stechend säuerlichem Geruch, handelt es sich um Reflux, Inhalt aus dem Dünndarm, der an seinem Abtransport gehindert wird und so in den Magen des Pferdes zurückfließt. Große Mengen Reflux weisen auf einen magennahen Verschluss hin, der eine sofortige Behandlung in der Klinik bedarf. Als Richtwert gilt ein Nettoreflux von mehr als zwei bis drei Litern.

5. Massive Dehydratation

Bei Koliken und damit verbundenen Schmerzen neigen viele Pferde dazu nicht mehr zu trinken. Das Ausmaß der Dehydratation geht häufig mit dem Schweregrad der Kolik einher. Ein massiver Flüssigkeitsverlust ist damit immer auch ein Grund für einen raschen Transport in die Klinik.

Schnelles Handeln erforderlich

Glücklicherweise können viele Koliken ohne großen Aufwand im Stall geheilt werden. Es bedarf allerdings großer Erfahrung, eine Kolik richtig einzuschätzen beziehungsweise die genaue Ursache einer Kolik zu diagnostizieren. Eine Fehleinschätzung führt nicht selten dazu, dass ein Pferd zu spät an eine Klinik überwiesen und/oder operiert wird. Deshalb sollte bei jeder Kolik unbedingt sofort ein Tierarzt hinzugezogen werden!

Auch wenn die Kolik nach wie vor eine gefürchtete Erkrankung bleibt, deren tödliches Potenzial man nie unterschätzen sollte, hat die Erfahrung gezeigt: eine rasche Diagnose und - wenn notwendig - eine frühzeitige Operation führen heute in den allermeisten Fällen zu einer guten Prognose. Eine Vielzahl an Untersuchungen bestätigt, dass vor allem der Eingriffszeitpunkt entscheidend ist: Pferde, die acht bis zehn Stunden nach dem Auftreten der Kolik chirurgisch behandelt wurden, überlebten zu 75,5 %. Jede Stunde mehr, die zugewartet wird, vermindert die Chance auf Überleben und Gesundheit. Ein ganz normales Pferdeleben ist nach gelungener Operation und Rehabilitation durchaus möglich, wie zahlreiche Beispiele zeigen. Das nimmt der Kolik zwar nicht gänzlich ihren Schrecken, aber ein wenig von ihrer Schicksalshaftigkeit: Kämpfen lohnt sich!