WENN DER STEIN DRÜCKT

Eichelstein: Der Schmerz im besten Stück des Pferdemannes

Ein Artikel von Claudia Götz | 10.11.2021 - 16:57
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Hat ein Wallach oder Hengst Probleme beim Strahlen, dann könnte ein Smegmastein die Ursache dafür sein. © Perfect Vision Studio All Rights Reserved

Man sollte meinen, eine Sache, die so viele Namen hat, kennt jeder. Dennoch ist der Smegmastein –auch Penisbohne, -erbse oder Eichelstein genannt – nicht allen Pferdebesitzer:innen bekannt. Dabei kommt er häufiger vor, als man denkt.

Smegma und Urin – das ist eine Mischung, die hühnereigroß verhärten kann. Und das an einer Stelle, wo sie das Potenzial hat Wallachen und Hengsten richtig Probleme zu bereiten. Denn die Fremdkörper bilden sich in der Eichel: Dort liegt das Ende der Harnröhre in einer deutlichen Vertiefung, der sogenannten Eichelgrube. Diese besitzt mehrere Blindsäcke, in denen sich die Eichelsteine bilden. Tierärztin Dr. Lisa Stelzmayer aus Wieselburg (NÖ) ist spezialisiert auf Pferdezahnbehandlungen und schaut bei Wallachen und Hengsten – wenn diese ohnehin für die Zahnbehandlung sediert sind – bei der routinemäßigen Kontrolle von Schlauchtasche und Penis auch, ob Smegmasteine vorhanden sind. Der Grund: Bei mehr als der Hälfte der Pferde finden sich die Eichelsteine. „Diese sind sehr unterschiedlich groß. Die meisten Smegmasteine sind eher klein, einige haben nur den Durchmesser eines Fingernagels, aber sie können in seltenen Fällen sogar so groß wie ein Hühnerei werden“, erklärt Dr. Stelzmayer.

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Smegma-Anhaftungen können krebserregend sein.

So unterschiedlich wie ihre Größe ist auch die Konsistenz der Penisbohnen: Die Bandbreite reicht von verformbar wie Plastilin bis hin zu steinhart. „Das hängt wahrscheinlich nicht nur damit zusammen, wie lange die Steine auf ihre aktuelle Größe angewachsen sind, sondern auch mit der Zusammensetzung des Smegmas des jeweiligen Pferdes“, vermutet Dr. Stelzmayer. Denn das Smegma ist ein Gemisch aus dem Talg, der von den Drüsen der Innenseite der Vorhaut abgesondert wird, sowie abgestorbenen Hautzellen, Urinrückständen und – bei Hengsten – Spermaresten. Deshalb ist Smegma je nach Pferd entweder heller oder dunkler und schmierig, wächsern oder blättrig-krustig.

Die Symptome von Smegmasteinen

Die meisten Reiter:innen sehen nur dann, ob ihr Wallach oder Hengst starke Smegma-Anhaftungen hat, wenn er ausschachtet: Jetzt erkennt man die gelben bis schwarzen, zumeist borkigen Verkrustungen auf den ersten Blick. Durch den Talganteil haftet Smegma sehr stark an. Im Gegensatz zu Hengsten, die den Penis aufgrund ihres Geschlechtstriebs durch Ausschachten und Erigieren meist ausreichend reinigen, fehlt bei den meisten Wallachen dieses Verhalten.

„Übermäßige Smegma-Ansammlungen können am Schlauch und in der Schlauchtasche auch zu Hautirritationen und Entzündungen führen, da sie ein Nährboden für Bakterien sind“, erklärt Dr. Stelzmayer. Dennoch ist bei der Reinigung Vorsicht geboten. Eine Studie zeigte nämlich, dass vor allem häufiges Saubermachen des Schlauchs zu mehr Bakterien führt – besonders dann, wenn nicht nur reines Wasser verwendet wird, sondern ein Waschzusatz oder ein spezielles Reinigungsmittel. Dennoch sollte man ein- oder zweimal im Jahr die Gelegenheit nutzen, den Penis des Pferdes – am besten mit handwarmem Wasser – zu reinigen. Denn Smegma-Anhaftungen werden krebserregende Eigenschaften zugeschrieben und vor allem mit dem Plattenepithelkarzinom am Penis in Verbindung gebracht. Wallache haben ein zehnfach höheres Risiko dafür als Hengste. „Einmal im Jahr bei der Zahnbehandlung den Zustand von Schlauch und Schlauchtasche zu kontrollieren und bei Bedarf entsprechend zu reinigen, ist eine sinnvolle Maßnahme“, sagt Lisa Stelzmayer.

Ansonsten lohnt sich die Suche nach Smegmasteinen immer dann, wenn folgende Symptome auftreten: Am offensichtlichsten ist häufiger, aber sehr geringer Harnabsatz. Dies kann von großen Smegmasteinen herrühren, die die Harnröhre eindrücken. „Es ist immer ratsam, sein Pferd regelmäßig zu beobachten“, sagt Dr. Stelzmayer. „So kann man auch feststellen, ob es deutlich länger beim Strahlen braucht, ob es vermehrt tröpfelt oder nur kleine Mengen Harn absetzt. Dann sollte man Smegmasteine unbedingt abklären.“

Doch das sind nicht die einzigen Probleme, die Penisbohnen machen können. Möglich sind auch Entzündungen und Nierenkoliken, aber auch ein festgehaltener Rücken beim Reiten oder Schlauchgeräusche können Symptome eines schmerzhaften Eichelsteins sein. „Sogar Lahmheiten wurden schon beobachtet, die nach dem Entfernen des Steins verschwanden“, erzählt Dr. Stelzmayer. In der Regel ist es so, dass die Steine, solange sie noch klein sind, kaum offensichtliche Probleme verursachen. Dennoch sollten sie natürlich entfernt werden, damit sie nicht weiterwachsen können. Hat ein Wallach einmal einen Eichelstein entwickelt, sollte man regelmäßig kontrollieren, da sie dann häufig erneut auftreten.

Lohnt die Suche nach dem Stein? Diese Symptome sollte man abklären lassen:

Der Harnabsatz macht Probleme: Das Pferd braucht lange, bis es eine Position findet, die ihm
bequem ist, es braucht lange, bis es nach dem „Aufstellen“ Harn absetzt, der Urin fließt nur
in kleinen Mengen und mit Unterbrechungen oder tröpfelt sogar nur. Smegmasteine können
die Ursache dafür sein, aber auch Entzündungen und krankhafte Veränderungen am Schlauch
sowie Probleme des Bewegungsapparates kommen in Frage.

Urin an den Hinterbeinen: Drückt ein Smegmastein die Harnröhre stark ab, kann das Pferd
oft den Strahl nicht mehr mittig platzieren und spritzt sich mit Urin voll.

Schwellungen der Schlauchtasche: Diese können durch eine Hormonveränderung (vor allem
bei älteren Wallachen und Hengsten) ausgelöst werden, Entzündungen oder Verunreinigungen
als Ursache haben.

Urinieren, ohne den Penis auszuschachten: Tritt dies über einen längeren Zeitraum auf, können
vor allem Entzündungen oder Penissteine die Ursache sein, aber auch Verunreinigungen
in der Schlauchtasche sind möglich.

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Smegmasteine können in ihrer Form und Größe stark variieren. Bisweilen erreichen Penisbohnen die Größe eines Hühnereis!
© Dr. Lisa Stelzmayer

So werden Sie die Steine los

Um einen Smegmastein zu entfernen, wird die Eichel vorsichtig zurückgeschoben. Der Schlauch ist dafür entweder ausgeschachtet oder in der Schlauchtasche durch die Sedierung leicht zu greifen. Je nachdem, wie groß und hart ein Stein ist, lässt er sich leichter oder schwerer entfernen. „Für die ganz großen, festen braucht man schon etwas Geduld und Fingerspitzengefühl“, sagt die Tierärztin, deren Fahrpraxis pferdezahnarzt. co.at sie durch Niederösterreich sowie nach Wien, Oberösterreich und ins Burgenland führt. Es gibt aber auch Pferdebesitzer:innen, die selber Hand anlegen. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Denn man kann durch unsachgemäßes Handling oder übertriebenes Reinigen Entzündungen provozieren. Und wenn man dem Pferd bei der Suche nach einem Stein oder dessen Entfernung Schmerzen bereitet, kann das durchaus für einen selbst gefährlich werden.

Hierzulande etabliert sich das Wissen um die Smegmasteine und die Probleme, die sie machen können, seit ein paar Jahren wieder. Mit ein Grund dürften die regelmäßigen Zahnbehandlungen sein, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten wieder üblich wurden. In anderen Ländern – etwa auf Island – war dieses Pferdewissen immer präsent, und die Kontrolle auf Smegmasteine wird dort routinemäßig, durchgeführt.