Gesundheit

Was Pferden mit Kreislaufproblemen wirklich hilft

Ein Artikel von Pamela Sladky | 26.02.2021 - 14:53
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Kreislaufprobleme beim Pferd machen sich oft durch Müdigkeit und Abgeschlagenheit bemerkbar.
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Vor wenigen Tagen erst war Tinker-Wallach Tigger trotz seiner 25 Lenze ein echtes Energiebündel. Egal ob auf dem Reitplatz oder beim Spazierengehen mit seinem Frauerl Margit, Tigger war voller Leben – und das zeigte er auch gerne mit engagiertem Tempo und sogar gelegentlichen Bocksprüngen. Heute ist der hübsche Oldie kaum wiederzuerkennen. Der Braunschecke schleppt sich durch den Offenstall, auf dem Reitplatz bekommt er kaum noch die Hufe aus dem Sand. „Ich habe das Gefühl, als müsste ich ihn tragen, damit er vom Fleck kommt“, sagt Margit sorgenvoll.


Belastungsprobe Wetterumschwung

So wie dem müden Schecken geht es derzeit vielen Pferden. Gerade die Wetterumschwünge im Spätwinter und Frühling, wenn die Pferde noch ihr dickes Winterfell mit sich herumtragen und die Sonne nach und nach an Kraft gewinnt, gelten als Herausforderung. Bei Temperaturen ab 15 Grad und darüber ist der bei Kälte wunderbar warme Pelz ähnlich hilfreich wie ein dicker Skianzug im Sommer. Dass bei solchen Bedingungen die Bewegungsfreude enden wollend ist, verwundert kaum.

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Ein dichtes Winterfell macht vielen Pferden in der Übergangszeit von Winter auf Frühling zu schaffen.
© www.Slawik.com

Allerdings kann eine deutliche und plötzlich auftretende Bewegungsunlust auch noch auf etwas anderes hindeuten, als bloß auf eine unpassende Fellsituation: häufig sind Kreislaufprobleme der Quell des Übels. Sie treten in Zeiten starker Temperaturschwankungen und großer Hitze gehäuft auf und können betroffenen Pferden schwer zu schaffen machen. Typische Symptome sind Kurzatmigkeit schon bei geringer Belastung, schnelle Ermüdung und Abgeschlagenheit. Manche Pferde zeigen blasse bis zart bläulich gefärbte Schleimhäute, mitunter auch angelaufene Beine und Ödeme im Bereich der Brust oder des Bauches, Fressunlust und Apathie. Weil bei einem unzureichend arbeitenden Herz-Kreislaufsystem auch die Darmmuskulatur schlechter durchblutet wird, sind sogar Koliken möglich.


Bewegung das Um und Auf

Kreislaufprobleme sind lästig und unangenehm, abfinden muss man sich mit ihnen aber nicht. Es gibt durchaus einige Maßnahmen, die betroffenen Pferden helfen, mit der Situation besser klarzukommen. Die wichtigste ist ausreichend Bewegung, wie Pferde-Sporttherapeutin Kira Schuschnigg aus Ramsau in Niederösterreich weiß. „Bewegung bringt den Kreislauf in Schwung, das ist im Grunde wie beim Menschen“, stellt Schuschnigg klar. Wichtig sei jedoch, das individuell richtige Maß zu finden. „Die Herausforderung im Frühling, wenn die Pferde alle noch ein dickes Fell haben, ist sicherlich, dass sie im Training nicht massiv ins Schwitzen kommen sollten. Das überanstrengt bereits geschwächte Pferde nur zusätzlich“, weiß die erfahrene Therapeutin, die zahlreiche namhafte österreichische Pferdesportler betreut. Hier gelte die Devise „weniger ist mehr“. Für die Praxis bedeutet das: Jetzt ist ruhiges, lockeres Training gefragt, das nicht an die Leistungsgrenze geht.

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Überfordernde Arbeit, bei der das Pferd massiv ins Schwitzen kommt, ist bei Kreislaufproblemen kontraproduktiv. © www.slawik.com

Wer die Möglichkeit hat, teilt die Arbeit mit dem Pferd auf. Statt einer intensiven Einheit wird zweimal, dafür aber kürzer gearbeitet. Gibt’s im Stall eine Schrittmaschine, ist eine tägliche Einheit die ideale Trainingsergänzung. „Die Pferde werden bewegt, aber nicht überfordert“, so Schuschnigg. Unerlässlich ist ausreichend Möglichkeit zur freien Bewegung, am besten durch täglichen mehrstündigen Koppelgang mit Artgenossen.

Kaltes Abspritzen der Pferdebeine bringt den Kreislauf an warmen Tagen zusätzlich in Schwung. Wasser hilft aber nicht nur äußerlich, sondern auch inwendig. Pferden sollten deshalb jederzeit Zugang zu frischem Trinkwasser haben. Und außerhalb des Stalls ein schattiges Plätzchen, an das sich das Pferd zurückziehen kann, wenn ihm die Sonne zu viel und im Pelz zu warm wird.
 

Fitgerubbelt

Zeigt sich das Pferd beim Wetterumschwung oder warmen Temperaturen deutlich abgeschlagen und matt, rät Kira Schuschnigg zu einem Kniff aus der chinesischen Heilkunst. „Was super hilft, ist die manuelle Aktivierung des Herzmeridians. Dazu formt man die Hand zu einer Kralle und reibt den Brustmuskel im Bereich zwischen den Vorderbeinen mit schnellen Vor- und Zurückbewegungen. Diese Maßnahme ist unheimlich effektiv und eine tolle Hilfe, wenn man einen Koliker hat oder das Pferd lasch und energielos ist. Auf diese Weise bringt man den Kreislauf wirkungsvoll in Schwung“, so Schuschnigg.


Helferlein im Futtertrog

Einem müden Pferd kann man auch mit der Fütterung auf die Sprünge helfen. „In den meisten Fällen lässt sich das Problem nutritiv regeln, wobei das Mengenelement Magnesium eine ganz große Rolle spielt“ erklärt Dr. Susanne Weyrauch-Wiegand, Ernährungswissenschaftlerin aus Rheinland-Pfalz. Zusammen mit seinem Gegenspieler Calcium sorgt Magnesium dafür, dass das Herz ordnungsgemäß schlagen kann und nicht aus dem Takt gerät. Das Problem: Oft wird ein Magnesiummangel nicht oder erst spät erkannt. Das liegt zum einen daran, dass er sich im Blut erst dann zeigt, wenn ein Großteil des Magnesiums aus den Knochen als Speicherort aktiviert wurde. Die Mangelsituation besteht in einem solchen Fall aber schon weitaus länger. „Oft werden zudem Blutbilder ohne Einhaltung einer Mineralstoffkarenz – es sollte ca. drei Tage vor der Blutabnahme kein mineralisiertes Futter verabreicht werden – erstellt“, so Dr. Weyrauch-Wiegand. Das Ergebnis sind dann verfälschte Werte im Blutbild.

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Tut gut: Kaltes Abspritzen der Beine bringt den Kreislauf in Schwung.
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Bei der Zufütterung von Magnesium rät die Fütterungsexpertin auf die Qualität des Mineralstoffs zu achten. Denn häufig hätten günstige, auf Magnesiumoxid basierende Mineralstoffverbindungen nicht den gewünschten Effekt. „Diese gelangen nicht zuverlässig an den Wirkort – in diesem Fall Herz und Muskulatur – weshalb die Gefahr steigt, dass die Magnesiumzufuhr zum Misserfolg wird und das Problem nicht gelöst werden kann.“

Kreislauffördernde Futterzusätze finden sich auch im Kräutergarten. Bewährt haben sich insbesondere Produkte mit Weißdorn. Die Blätter und Blüten des bei uns heimischen Strauches enthalten Flavonoide und Procyanidine, die für ihre herzstärkende Wirkung bekannt sind. So kann Weißdorn die Kontraktionskraft und das Schlagvolumen des Herzens steigern und die Durchblutung des Herzmuskels verbessern. Auch Susanne Weyrauch-Wiegand hält die Gabe von Weißdorn bei Pferden mit Herz-Kreislauf-Problemen für „absolut sinnvoll, allerdings ist ein Erfolg nur nachhaltig möglich, wenn auch die Magnesiumzufuhr stimmt. Sonst wird mit Pflanzen und Kräutern langfristig ins Leere therapiert.“

Wer Weißdorn für sein Pferd in Erwägung zieht, sollte außerdem wissen, dass das Heilkraut Zeit braucht, um seine Wirkung entfalten zu können. Bei im Pferdebereich gerne angewendeten Auszügen in flüssiger Form wird eine Mindestanwendungsdauer von drei bis sechs Wochen empfohlen. Neigt ein Pferd z.B. immer im Frühling zu Kreislaufproblemen, heißt es also rechtzeitig mit der Fütterung zu beginnen.


Ein Fall für den Tierarzt

Auch andere Phytotherapeutika wie Ginko, Herzgespannkraut, Traubenkerne und Melisse wirken positiv auf Herz und Kreislauf, wahllos sollten sie aber alle nicht im Futtertrog landen. Bei häufig wiederkehrenden Problemen, die mit deutlichem Unwohlsein des Pferdes verbunden sind, ist es jedenfalls ratsam, einen Tierarzt oder eine Tierärztin zu Rate zu ziehen. Denn den Symptomen können auch ernstzunehmende Herzprobleme zugrunde liegen, die medizinisch abgeklärt und entsprechend therapiert gehören.

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Ein Teilschur bringt bei Problemen mit dem Umhaaren rasche Erleichterung. © www.Slawik.com

Tinker-Wallach Tigger wird nach Rücksprache mit dem Tierarzt seines Vertrauens inzwischen konsequent bewegt. Zumindest fünfmal die Woche geht es für den betagten Offenstallbewohner gemütlich ins Gelände oder für eine Gymnastikeinheit auf den Reitplatz. Zur Unterstützung bekommt der Schecke kurmäßig Weißdorntropfen dreimal täglich ins Futter. Eine weiteres Ass behält Margit vorerst noch im Ärmel: Im vergangenen Frühling hat sie ihrem Tigger den dicken Pelz an Hals, Brust und Bauch Ende März kurzerhand abrasiert. „An warmen Tagen war ihm richtig anzusehen, wie unwohl er sich in seinem Fell gefühlt hat. Nach der Schur ging es ihm deutlich besser, er war wieder lustiger und nicht mehr so matt“. Die Schermaschine hat die Tinkerbesitzerin nach den ersten warmen Tagen in diesem Jahr wieder aus der Abstellkammer hervorgekramt, der Akku ist geladen und der Scherkopf geölt. Sollte Tigger erneut zum Schleichpferd mutieren, wird er wohl auch in diesem Jahr Haare lassen müssen.