Pferdealter, Haltungsform und Fluktuation im Pferdebestand beeinflussen die Entwurmung. © www.slawik.com
Die Angst vor Resistenzen und gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen auf der einen, die Sorge angesichts von Wurmbefall und daraus folgenden Erkrankungen auf der anderen Seite: Sich als Pferdebesitzer:in zwischen all den Argumenten rund ums Thema Entwurmung eine eigene, faktenbasierte Meinung zu bilden, fällt schwer. Diskussionen in diversen Onlineforen, sozialen Medien und in der Stallgasse tun ein Übriges und stiften Verunsicherung. Daneben erweitern sich auch die Erkenntnisse der Parasitologie laufend. Wir bringen Sie auf den aktuellen Stand der Wissenschaft und haben die Parasitologin Univ.-Prof. Dr. med. vet. Anja Joachim um ihre Empfehlungen gebeten.
Entwurmen: ein Muss?
Wildlebende Pferde halten sich nicht lange am selben Platz auf. Sie ziehen langsam grasend stetig weiter. Unsere Pferdehaltung ist hingegen auch bei großem Bemühen um genug Bewegung immer an einen Ort gebunden. Zusätzlich halten sich verhältnismäßig viele Pferde auf wenig Fläche auf. Dadurch kommt es leichter zu vermehrten Infektionen mit Parasiten. Denn ganz frei von den lästigen Mitbewohnern sind Pferde nie. Ziel einer Wurmkur ist es daher einerseits, die Parasitenanzahl pro Individuum auf eine Menge zu beschränken, mit der der Organismus problemlos zurechtkommt.
Andererseits geht es um den Schutz des kompletten zusammenlebenden Pferdebestandes. Denn nicht immer ist das Tier, das die meisten Parasiteneier ausscheidet, auch jenes, das am meisten unter den Parasiten leidet. Erstere Pferde bezeichnet man als Hochausscheider: Sie sollten stets gründlich und ausreichend entwurmt werden, vor allem um ihrer Stallkollegen willen.
Ähnlich wie bei Impfungen geht es beim Entwurmen außerdem auch darum, Parasiteninfektionen in ganzen Ländern und Regionen auf niedrigem Niveau zu halten. Dank des regelmäßigen Entwurmens in unseren Breitengraden seien viele Parasiten hierzulande kaum mehr in nennenswerten Ausmaßen zu finden, berichtet Dr. Joachim. Das Entwurmen aller Individuen ist also eine essenzielle Gesundheitsvorsorge für alle Pferde eines Bestandes oder sogar einer Region.
Auf Alter und Haltungsform kommt es an
Die Gretchenfrage: Wie oft und mit welchem Wirkstoff sollte entwurmt werden? Laut der Expertin ist die Antwort nicht so einfach, denn „es kommt darauf an. Ein entscheidender Faktor ist das Alter des Pferdes. Fohlen und junge Pferde sollten in jedem Fall regelmäßig viermal jährlich entwurmt werden. Je älter das Pferd wird, desto weniger häufig ist das Entwurmen notwendig. Ein weiterer Faktor ist die Haltung.“
Eine Sportpferdehaltung ohne oder mit wenig Weidegang (außerdem vielleicht einzeln oder mit nur einem Stallkollegen) verlangt eine andere Vorsorge als die Offenstallhaltung. Pferde, die sich ihren Stall und vor allem die Weidefläche mit vielen Artgenossen teilen, benötigen intensivere Parasitenprophylaxe.
Bei einer Weidehaltung ist auch das Platzangebot entscheidend, und ob die Weide periodisch gewechselt wird. Sind die Pferde z. B. im Herbst noch auf der Weide und sind dort nur die sonst gemiedenen Mistplätze zum Abweiden übrig, kommt es eher zu Infektionen. „Ein sehr wichtiger Faktor ist das regelmäßige Abmisten auf der Weide“, betont Dr. Joachim. Denn eine einwandfreie Stall- und Weidehygiene bietet auch eine gute Vorsorge gegen Parasitenbefall. Idealerweise wird der Stall täglich und die Weide zwei Mal wöchentlich abgemistet. Bei Tiefstreuställen sollte einmal jährlich eine Reinigung mit Dampfreiniger und Desinfektionsmittel erfolgen. Bevor ein neues Pferd in eine Herde integriert wird, sollte es unter Quarantäne gestellt und entwurmt werden, und erst nach negativer Kotprobe auf die Weide dürfen.
Was sagen Kotproben aus?
Apropos Kotproben: Ihre Zuverlässigkeit wurde zuletzt immer wieder - vor allem in den sozialen Medien - sehr in Frage gestellt. Doch wie stellt man eindeutig fest, ob ein Pferd eine Entwurmung benötigt oder nicht? „Um genau zu sein, ist das zurzeit nicht gesichert möglich“, so die Expertin. Kotproben zur Bestimmung des Wurmbefalls können nämlich nur die Anzahl an Wurmeiern, die im Pferd von geschlechtsreifen Würmern gelegt werden, anzeigen. Infektionen mit Parasiten im Larvenstadium werden nicht nachgewiesen. So kann das Ergebnis der Kotprobe ein und desselben Pferdes innerhalb von zwei bis vier Wochen völlig unterschiedlich aussehen.
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