Für fast jede:n Pferdebesitzer:in eine der gefürchtetsten Vorstellungen: das Pferd muss in die Klinik. Ob in einer Notsituation oder für eine geplante Untersuchung – die Klinik ist ein... Mehr lesen ...
Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, sind die wohl bekanntesten zeckenübertragenen Krankheiten bei Mensch und Pferd. Sie sind seit vielen Jahren so präsent, dass die meisten von uns mit ihren Symptomen vertraut sind. Weniger weit verbreitet ist das Wissen um eine Krankheit, die aufgrund ihrer malaria-ähnlichen Symptome oft auch „Pferdemalaria“ genannt wird: die Piroplasmose.
Was ist Piroplasmose?
Die equine Piroplasmose ist eine nicht meldepflichtige Infektionskrankheit, die durch die beiden Parasiten Theileria equi und Babesia caballi ausgelöst wird und die roten Blutkörperchen zerstört. Bei beiden Erregern handelt es sich um einzellige parasitische Lebewesen. Als Überträger dienen ihnen verschiedene Arten von Zecken, in unseren Breiten handelt es sich hierbei meist um den Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) oder die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus). Aber aufgrund der sich verändernden klimatischen Umstände ist auch eine Besiedelung Mitteleuropas durch Zeckenarten, die bisher nur weiter südlich vorkamen, nicht auszuschließen. In Zukunft könnten also weitere potenzielle Überträger hinzukommen.
Wird ein Pferd von Zecken gestochen, die einen der Parasiten in sich tragen, kann es zu einer Infektion kommen. Der darauffolgende Krankheitsverlauf fällt dann abhängig vom Erregertyp unterschiedlich aus: B. caballi ruft in der Regel weniger problematische und einfacher zu behandelnde Erkrankungen hervor als T. equi. Was beide Erreger gemeinsam haben: Sie setzen sich primär an den Erythrozyten (roten Blutkörperchen), die z. B. für den Transport von Sauerstoff zuständig sind, fest und zerstören diese in weiterer Folge. T. equi befällt zusätzlich auch Lymphozyten und Monozyten (weiße Blutkörperchen, zuständig für die Abwehr von Krankheitserregern).
Wachsende Verbreitung
Noch ist das Hauptverbreitungsgebiet der mit B. caballi und/ oder T. equi infizierten Zecken das südliche und östliche Europa. Die Parasiten werden aber vermehrt auch in Mitteleuropa angetroffen – zum einen, weil die Temperaturen hierzulande steigen und so auch ursprünglich nicht ansässige Zeckenarten einen passenden Lebensraum vorfinden, zum anderen, weil durch den Import von Pferden aus Gegenden, in denen die Piroplasmose endemisch ist, Träger der Infektion übersiedelt werden und als Wirte fungieren können. Saugt nun eine Zecke an einem Pferd, das Piroplasmose-Träger ist, kann sie beim nächsten Stich den Erreger auf ein anderes Pferd übertragen. Deshalb erheben z. B. seriöse Züchter iberischer Pferderassen in Südeuropa oftmals den Piroplasmose-Status ihrer Verkaufspferde mittels einer serologischen Untersuchung des Blutes. Das erspart den zukünftigen Besitzer:innen einige Sorgen und trägt vor allen Dingen dazu bei, die Ausbreitung der Piroplasmose etwas einzudämmen.
Symptome der „Pferdemalaria“
Kommt es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen zu einem Stich durch eine infizierte Zecke, und können sich in weiterer Folge die parasitären Einzeller im Pferd ausbreiten, bricht die Krankheit nach einer Inkubationszeit von rund zwei bis drei Wochen aus. In einem solchen Fall müssen schon die ersten Symptome ernstgenommen und ein:e Tierärzt:in zu Rate gezogen werden.
Während die durch B. caballi ausgelöste Piroplasmose meist deutlich milder verläuft, legt eine Studie aus der Schweiz, in der 689 Pferde getestet wurden, nahe, dass Infektionen mit T. equi signifikant häufiger auftreten. Einige Symptome erscheinen dabei bei beiden Formen: wiederkehrende Fieberschübe (d. h. Körpertemperatur über 38,5 Grad Celsius), blasse oder gelblich verfärbte Schleimhäute (Gelbsucht, Ikterus) und Apathie. Bei sehr milden Verläufen kann es vorkommen, dass der Patient nur sehr schwache Symptome wie Abgeschlagenheit und/oder Ödeme zeigt. Ist das Pferd hingegen von einer akuten, schweren Piroplasmose betroffen, können Tachykardie (Herzrasen), Tachypnoe (gesteigerte Atemfrequenz), Hämoglobinurie (durch den über die Nieren ausgeschiedenen Farbstoff der roten Blutkörperchen dunkel gefärbter Urin), Petechien (kleine Hauteinblutungen), größere Ödeme und Kolik-Anzeichen hinzukommen. Aufgrund der vielen zerstörten roten Blutkörperchen und der daraus resultierenden Anämie schwindet auch die Leistungsfähigkeit des Pferdes. Vor allem für Besitzer:innen chronisch kranker Tiere ist von Bedetung, dass ein Wiederaufflammen der Erkrankung z. B. in Stresssituationen möglich ist. Auch wenn es asymptomatische Träger gibt, die ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen, sollte eine Infektion immer ernstgenommen werden: je schneller sie erkannt und behandelt wird, desto besser.
Klare Diagnose und spezifische Therapie
Weil die Symptome anfangs sehr unspezifisch sind, ist die Diagnose der Piroplasmose nicht immer einfach. In Mitteleuropa wird sie außerdem oftmals gar nicht in Betracht gezogen. Zum Glück gibt es zur Diagnose von Piroplasmose verschiedene Möglichkeiten: In der Akutphase kann der Tierarzt die Krankheit im gefärbten Blutausstrich mittels Mikroskop nachweisen. Jedoch gelingt die eindeutige Identifizierung auf diese Weise nicht immer und hängt auch davon ab, ob der Patient akute Symptome zeigt. Mittel der Wahl ist daher das seit der COVID-19-Pandemie allseits bekannte PCR-Testverfahren, da damit nicht nur die Diagnose zu nahezu jedem Zeitpunkt der Erkrankung gestellt werden, sondern auch der jeweils vorliegende Erregertyp definiert werden kann.
Noch bevor die endgültige Diagnose feststeht, kann dem Patienten jedoch bereits mittels fiebersenkenden Medikamenten Erleichterung verschafft werden. Im Notfall können durch den/die Veterinärmediziner:in auch Blutkonserven verabreicht werden, um das erkrankte Pferd zu unterstützen. Ist die Vermutung Piroplasmose durch ein positives PCR-Testergebnis gesichert, wird zur Therapie auf Imidocarb zurückgegriffen. Dieses Medikament muss gegen beide Erreger durch eine intramuskuläre Injektion verabreicht werden. Es verspricht bei einer Infektion mit B. caballi gute Erfolge und in der Regel auch relativ schnelle Besserung der Beschwerden. Bei T. equi hingegen gestaltet sich die Erregereliminierung deutlich schwieriger. Es wird empfohlen, mehrere Injektionen mit Imidocarb zu verabreichen, sehr viele Pferde bleiben trotzdem ihr Leben lang chronisch infiziert. Als Träger stellen sie damit ein Risiko zur Weiterverbreitung der Parasiten über Zecken dar. Eine direkte Übertragung von Pferd zu Pferd ist bei ordentlicher Hygiene (Kanülen nicht mehrfach verwenden etc.) aber nicht möglich. Ausnahme ist die Weitergabe der Parasiten von der Mutterstute auf das ungeborene Fohlen. Aus diesem Grund sollte überdacht werden, ob ein Einsatz positiv auf Piroplasmose getesteter Stuten in der Zucht vertretbar ist – Richtlinien gibt es in Österreich hierzu aktuell allerdings keine.
Wie kann man vorbeugen?
Die schlechte Nachricht zuerst: Gegen Piroplasmose gibt es derzeit keine vorbeugende Schutzimpfung. Das bedeutet, dass die beste Strategie im Kampf gegen die Krankheit, wie bei so vielen Infektionen, eine sorgsam durchgeführte Prophylaxe ist. In erster Linie geht es darum, Pferde vor Stichen durch infizierte Zecken zu schützen: gängige Zeckenschutzmittel in Kombination mit dem regelmäßigen gründlichen Absuchen des ganzen Pferdekörpers auf Zecken helfen. Weil eine Übertragung von Krankheitserregern wahrscheinlicher wird, je länger sich eine Zecke an ihrem Opfer festsaugt, kann man mit kurzen Intervallen zwischen den Zecken-Kontrollen – also mindestens einmal täglich – schon gute Prophylaxe betreiben. Aktuell führt die Vetmed Uni Wien außerdem eine österreichweite Studie zum Vorkommen vektorübertragener Infektionserreger bei Pferden durch (HOVID-Studie). Wer diese wichtige Forschungsarbeit mit einer Kot- und Blutprobe seines Pferdes unterstützen möchte, findet weitere Infos auf der Website des Projekts (tinyurl.com/5b65bsbj).
Achtung auch bei Hunden
Für Hundebesitzer:innen gut zu wissen: Zecken können auch den Parasiten Babesia canis übertragen – es kommt bei einer Ansteckung beim Hund zu ähnlichen Symptomen wie bei einem an Piroplasmose erkrankten Pferd. Eine sogenannte Babesiose ist für Hunde potenziell lebensgefährlich. Es gibt zwar eine Impfung, diese ist allerdings nicht imstande, eine Infektion zu verhindern, sondern schwächt lediglich den Verlauf der Krankheit ab. Darum ist auch bei unseren Partnern mit der kalten Schnauze eine regelmäßige Kontrolle auf Zecken unerlässlich.
Richtiges Entfernen schützt
Für das Entfernen der Zecken gilt: Zecken niemals quetschen oder drehen, denn dabei gelangt noch mehr ihres Speichels in die Einstichstelle. Der Mythos, dass Öl auf die festgesaugte Zecke zu geben helfe, sie loszulösen, hält sich leider hartnäckig. Davon ist dringend abzuraten! Setzt man die Zecke nämlich unter Stress – und nichts anderes passiert bei der Benetzung mit Öl oder anderen luftundurchlässigen Substanzen, die sie in Atemnot versetzen – kommt es meist zur vermehrten Abgabe von Speichel und damit zu potenziell noch mehr Erregern in der Blutbahn des Pferdes. Am besten entfernt man den Parasiten mit einer Zeckenkarte oder einer speziellen Pinzette. Dabei sollte vorsichtig vorgegangen werden, damit man das Tier im Ganzen erwischt und es vollständig aus der Haut löst. Wichtig ist, die Zecke gerade aus der Haut zu ziehen; die Wunde danach zu desinfizieren vermindert das Risiko einer Entzündung.
Tipp: Obwohl meist davon ausgegangen wird, dass Zecken in der wärmeren Jahreszeit (etwa ab März) aktiv sind, können sie durchaus auch bei milden Temperaturen im Winter unterwegs sein. Besser also einmal zu viel kontrollieren!