Rund ist das neue Normal. Das zumindest könnte man meinen, wenn man sich in vielen heimischen Ställen umsieht. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen diesen Eindruck. Verschiedenen Studien zufolge leiden rund 50 Prozent der Tiere an Übergewicht, knapp 20 Prozent müssen als fettleibig eingestuft werden. Das Problem: Wie beim Menschen ist Übergewicht auch beim Pferd Auslöser für zahlreiche Folgeerkrankungen. Zu den gefürchtetsten zählt die Hufrehe.
Gefahr durch Hufrehe
Die akute oder chronische Entzündung im Huf ist ausgesprochen schmerzhaft für das betroffene Tier. Gleichzeitig ist sie der Hauptgrund für übergewichtsbedingte Euthanasien. Einer dänischen Studie zufolge, an der 110 hufreheerkrankte Pferde teilnahmen, wurde gut ein Drittel der Tiere innerhalb eines Jahres eingeschläfert. Betroffen waren vor allem leichtfuttrige Pony- und Kaltblutpferderassen bis 149 cm Stockmaß, Tiere mit einem genetisch bedingten Hang zum Dicksein.
Der Kreis der übergewichtsgefährdeten Pferde geht jedoch längst darüber hinaus. Auch Vertreter der Voll- und Warmblutrassen bleiben inzwischen nicht vor Fettleibigkeit verschont. Schuld daran ist einerseits ein völlig unpassendes Verhältnis zwischen Futterangebot und Bewegung. Andererseits ein falsches Idealbild, wie ein gesundes Pferd im optimalen Ernährungszustand aussehen sollte.
Falsches Idealbild
„Die Leute wollen keine rippigen oder dünnen Pferde sehen. Heute ist es ganz normal, dass man in einem Einstellbetrieb mit deutlich mehr Kritik konfrontiert wird, wenn man bei einem Pferd die Rippen sehen kann, als wenn es fettleibig ist. Die Leute haben sich einfach an diesen Anblick gewöhnt“, berichtet der britische Tierarzt Joe Mackinder von seinen täglichen Erfahrungen gegenüber Horse & Hound.
Der Veterinär betreibt eine Pferdeklinik in Yorkshire, an der laut eigener Aussagen jährlich „zig“ Pferde wegen übergewichtsbedingten Folgeerkrankungen eingeschläfert werden müssen. „Wir haben eine große Praxis mit 17 Tierärzten. Manchmal kommt es vor, dass wir gerade im Frühjahr, zu Beginn der Weidesaison, fünf oder sechs Pferde pro Woche einschläfern müssen. Insgesamt sehen wir deutlich zu viele übergewichtige Pferde mit Hufrehe, viele müssen wir aufgrund von akuter oder chronischer Hufrehe euthanasieren.“
So groß die Bedrohung der Pferdegesundheit durch Hufrehe ist, sie ist längst nicht die einzige Beeinträchtigung, mit der sich dralle Tiere herumschlagen müssen. Häufig litten Moppelpferde an Problemen mit der tiefen Beugesehne oder den Seitenbändern. „Natürlich gibt es diese Dinge auch bei normalgewichtigen Pferden. Trotzdem fragt man sich ab und an dann doch, ob diese Probleme auch aufgetreten wären, wenn das betroffene Tier leichter gewesen wäre und dadurch weniger Druck auf den erkrankten Partien gelastet hätte“, so Mackinder. Hinzu kämen Stoffwechselerkrankungen wie EMS und Cushing.
„Wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem sich viele Veterinäre die Frage stellen, wie man zu den Leuten durchdringen kann, um ihnen klarzumachen, dass ein übergewichtiges Pony nichts ist, worauf man stolz sein sollte“, meint Mackinder. „Freilich möchte niemand völlig abgemagerte Pferde sehen. Die Leute wollen, dass ihre Pferde gut beisammen sind, aber – und das könnte durchaus etwas kontrovers gesehen werden – es ist noch kein Pferd gestorben, weil es schlank war!"
Natürliche Gewichtsregulierung fehlt
Eine weitere Ursache für die zunehmende Fettleibigkeit unter Pferden ist laut Mackinder die fehlende natürliche Futterregulation. Wildlebende Pferde verlieren über den Winter hinweg durch den saisonbedingten Mangel an Nahrung und den gesteigerten Energiebedarf zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur automatisch an Gewicht. Mit dem energiereichen Gras in Frühling wird dieser Gewichtsverlust wieder ausgeglichen. Diese natürliche Regulierung fehle den meisten Pferden, so Mackinder. „Wir füttern unsere Pferde auch im Winter gut, zusätzlich werden sie in der kalten Jahreszeit eingedeckt. Als Folge kommen viele von ihnen dick aus dem Winter – und nehmen noch mehr zu, wenn das Gras wieder zu wachsen beginnt. Die Pferde werden schrittweise dicker und dicker. Das ist ein Problem.“
Der erste Schritt um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, sei der, der Erkenntnis, so Mackinder. „Fragen Sie ihren Tierarzt oder Trainer nach einer ehrlichen Meinung zum Fütterungszustand ihres Pferdes.“
Einige Tests könnten Pferdebesitzer zusätzlich helfen festzustellen, ob ein Pferd mehr Gewicht auf die Waage bringt, als ihm gut tut. „Können Sie die Rippen ihres Pferdes durch zartes Abtasten noch erfühlen? Hat Ihr Pferd einen großen, apfelförmigen Hintern oder einen üppigen Mähnenkamm? Dinge wie diese verraten Ihnen, dass es nötig sein könnte etwas abzuspecken”, rät der Veterinär.
Abnehmen mit System
Ist das Problem erst erkannt, wartet Schritt zwei: dessen Behebung. Dabei sollten sich Pferdebesitzer aber auf einen längeren Prozess einstellen. Denn wie bei vielen anderen Dingen gilt auch beim Abnehmen: zu viel auf einmal ist ungesund. Ein radikaler Futterentzug ist deshalb völlig tabu. "Wenn der Körper hungert, mobilisiert er seine Fettreserven, um seinen Energiebedarf zu decken. Dabei gelangt so viel körpereigenes Fett in den Umlauf, dass es nicht mehr von Leber und Muskeln aufgenommen und umgesetzt werden kann. Dann lagert sich dieses überschüssige nicht abbaubare Fett in der Leber und über die Blutbahn in Nieren und Herzmuskel ab und führt zu einem überhöhten Blutfettwert mit der Gefahr einer meist tödlich verlaufenden Organverfettung. Wichtig ist deshalb eine Gewichtsabnahme längerfristig zu planen“, erklärt Pferderevue-Expertin Dr. Birgit van Damsen.
Selbes gilt übrigens auch für das begleitende Training. Übergewichtige Pferde sollten zwar wenn möglich täglich gearbeitet werden, damit Sehnen, Bänder und Gelenke nicht überstrapaziert werden, muss das Training aber schonend schrittweise aufgebaut werden. Ideal sind für den Start Ausritte im zügigen Schritt über zwei Stunden. Auch Handpferdereiten sind zum Aufbau ist gut geeignet, weil das dicke Pferd dabei nicht mit dem zusätzlichen Reitergewicht belastet wird. Durch das allmählich gesteigerte Ausdauertraining werden die Fettdepots kontinuierlich abgebaut, ohne Gangapparat und Fettstoffwechsel gravierend zu beeinträchtigen. Intensive Reitplatzarbeit in allen drei Gangarten belastet das nur wenig trainierte Pferd oft schon zu viel, längere Galoppaden im Gelände sogar noch mehr. Diese Dinge sollten erst angegangen werden, wenn der vierbeinige Moppel bereits Gewicht abgebaut und deutlich an Kraft und Kondition zugelegt hat. Noch mehr Tipps, wie dicke Pferde effektiv abspecken, lesen Sie hier.
ps