Fütterung

8 Mythen und Fakten über Eiweiß in der Pferdefütterung

Ein Artikel von Romo Schmidt | PS | 14.11.2018 - 16:19
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Proteine sind in der Pferdefütterung lebenswichtig, allerdings kommt es auf die richtige Menge an.

1. Pferde, die zu wenig Eiweiß mit der Nahrung aufnehmen, bauen Muskulatur ab

Diese Behauptung ist wahr. Der Körper kann Eiweiß und die darin enthaltenen Aminosäuren nur in geringer Menge speichern. Sinkt der Nachschub von Futtereiweißen längere Zeit deutlich unter den Mindestwert von ca. 0,5 Gramm je Kilogramm Körpergewicht, können Umbauprozesse einsetzen, und der Mangel wird durch den Abbau des weniger wichtigen Muskelgewebes ausgeglichen. Die Folge: bestimmte Bereiche der Muskulatur beginnen zu schrumpfen – eine typische Erscheinung bei mit Eiweiß unterversorgten Pferden.

2. Ein Eiweißüberschuss lässt Muskeln wachsen

Falsch. Auch wenn das die Wunschvorstellung aller ist, die mehr Muckis (entweder bei sich selbst oder ihrem Pferd) möchten: Muskeln wachsen durch Training, nicht durch Füttern. Zwar wird der Muskelaufbau durch eine Eiweißunterversorgung gebremst, durch zu viel Eiweiß wird er aber auch nicht beschleunigt. Im Gegenteil: Weil der Abbau von überschüssigem Eiweiß Energie kostet, kann eine Überversorgung den Muskelzuwachs sogar verlangsamen.

3. Mit Heu alleine können Pferde ihren Eiweißbedarf nicht decken

Das kommt darauf an. Zum einen auf Art, Qualität und Schnittzeitpunkt des Heus, zum anderen auf die Leistung des Pferdes. Für ein erwachsenes Pferd wird im Erhaltungszustand bis zum mittleren Leistungszustand eine tägliche Aufnahme von 0,5 bis 1 Gramm verdauliches Eiweiß je Kilogramm Körpergewicht empfohlen. Bei einem 600 kg schweren Pferd entspricht das einer Menge von etwa 300 bis 600 Gramm. Ein Kilogramm Wiesenheu enthält im Durchschnitt etwa 77 Gramm verdauliches Rohprotein. Unser Beispielpferd müsste demnach zwischen vier und acht Kilogramm Heu fressen, um seinen Eiweißbedarf ausreichend zu decken. Keine besonders große Menge.

Häufiger als ein allgemeiner Eiweißmangel ist eine zu knappe Versorgung mit essenziellen Aminosäuren, die dann ebenfalls den Aufbau und die Versorgung von Organen, Muskeln und Geweben beeinträchtigt. Steht nur eine dieser essenziellen Aminosäuren in ungenügender Menge zur Verfügung, wird der Aufbau von körpereigenen Einweiß beeinträchtigt. Deshalb sollte man auf deren kontinuierliche Zufuhr achten, besonders bei Lysin und Methionin.

4. Zu viel Eiweiß löst Hufrehe aus

Falsch. Diese lange verbreitete Annahme wurde inzwischen wissenschaftlich widerlegt. Heute weiß man, dass die schmerzhafte Stoffwechselerkrankung in erster Linie durch Kohlenhydratüberschüsse, z.B. durch Fruktane im Weidegras und Heu oder Stärke im Kraftfutter, verursacht wird.

5. Eine Eiweiß-Überversorgung begünstigt die Entstehung von Sommerekzem

Was diesen Punkt anbelangt, ist sich die Fachwelt uneinig. Einige sagen, dass durch zu viel Eiweiß die Darmflora in einer Weise beeinflusst wird, dass durch die zahlreich gebildeten bakteriellen Stoffwechselprodukte die Entstehung von Hauterkrankungen begünstigt wird, zumal nur eine intakte Darmflora ausreichend Zink aus der Nahrung resorbieren kann. Andere machen die Kombination von Energie (Stärke, Zucker) und Eiweiß und das daraus häufig resultierende Übergewicht für Hautirritationen wie das Sommerekzem verantwortlich.

6. Eiweißüberschuss leistet Arthrosen und Überbeinen Vorschub

Diese Behauptung hingegen ist unumstritten wahr. Eine ständige Eiweißüberdosierung kann zu einer Entmineralisierung von Knochen und Knorpeln führen. Beim Abbau von Eiweiß werden vermehrt Kupfer, Zink und Mangan benötigt. Das kann zu einer Konkurrenzsituation um die Nährstoffe im Pferdekörper, speziell im Knochenhaushalt, führen. Arthrose, Überbeine oder Muskelverspannungen können die Folge sein.

7. Eiweiß belastet die Nieren

Auch diese Behauptung stimmt. Zumindest bei einem deutlichen Einweißüberschuss. Durch ein Zuviel an mirkobiell verdauten Futtereiweißen entstehen Stoffwechselprodukte wie Schwefelwasserstoff, Ammoniak und Histamin, die in der Leber entgiftet und über die Nieren ausgeschieden werden müssen. Bei Pferden mit bestehenden Leber- und/oder Nierenschäden sollte die Eiweißzufuhr aus diesem Grund um 20 bis 30 Prozent reduziert werden. Werden weiterhin eiweißreiche Futtermittel eingesetzt, kann es zu einer Verschlimmerung der Krankheitsanzeichen kommen.

8. Fohlen benötigen besonders viel Eiweiß

Stimmt teilweise. Fohlen benötigen in den ersten Lebensmonaten rund drei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Dieser Bedarf wird in der Regel in ausreichendem Maß über die Muttermilch aufgenommen. Jungpferde brauchen im Wachstum bis zum vollendeten ersten Lebensjahr etwa ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Frisches Gras deckt diesen Mehrbedarf grundsätzlich gut ab. Außerhalb der Weidezeit liefert neben gutem Heu Kraftfutter das nötige Eiweiß. Allerdings sollte man es mit Fohlenstarter und Co. nicht übertreiben. Andernfalls drohen nachhaltige Schäden im Bereich der Knochen und Sehnen.