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Das Freilaufenlassen in der Halle birgt manche Gefahren. © www.slawik.com

Freilaufenlassen in der Halle kann teure Folgen haben

Ein Artikel von Pamela Sladky | 21.04.2017 - 10:53
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Das Freilaufenlassen in der Halle birgt manche Gefahren. © www.slawik.com

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH, oberstes Zivilgericht Deutschlands) hatte sich kürzlich mit dem Freilauf eines Pferdes in einer Halle auseinanderzusetzen (BGH 12.1.2017, III ZR 4/16) nachdem ein Berittpferd zu Schaden gekommen war und dessen Besitzerin auf Schadensersatz geklagt hatte.

Die Klägerin hatte ihr vierjähriges Pferd zur Ausw in einen Reitstall gegeben. Vereinbart war neben Einstellung, Fütterung und Pflege der Beritt, Dressurausbildung, Gewähr einer artgerechten Bewegung sowie die Ausbildung der Reiterin. Mehrmals pro Woche erhielt der Wallach unter Aufsicht freien Auslauf in der Halle des Beklagten, bis das Pferd einmal gegen eine Stahlstütze des Hallendaches lief und sich verletzte. Die Wunde musste von einem Tierarzt genäht werden.

Doch damit war die Sache noch nicht erledigt. Wie die Eigentümerin angab, sollen aus der Verletzung Gleichgewichtsprobleme entstanden sein, die zu einer Unreitbarkeit des Pferdes führten. Sie forderte vom Reitstallbetreiber Schadenersatz in der Höhe von 40.000 Euro.

Der BGH führte in seiner Entscheidung vor allem aus, unter welchen Voraussetzungen es zu einer Haftung des Reitstallbetreibers kommen kann (eine Endentscheidung liegt noch nicht vor). Der vom Gericht bestellte Sachverständige erläuterte, dass das Freilaufenlassen eines Pferdes in der Reithalle eine adäquate Form der Bewegungsverschaffung sei, wenn das Tier angemessen vorbereitet wird, also kein ‚Kaltstart‘ geschieht und die betreuende Person kompetent agiert. Ein Pferd, das zuvor in der Box gestanden habe, müsse erst ein paar Minuten geführt, dann behutsam angetrabt werden und solle erst nach einer in Ruhe absolvierten Trabphase auch zum Galoppieren kommen. Die Betreuung des Freilaufens erfordere deshalb gewisse Ausbilderkompetenzen.

Wenngleich in der Entscheidung nicht genau wiedergegeben, kommt es nach Ansicht des Sachverständigen offensichtlich nur auf die adäquate Vorbereitung an – und nicht darauf, wie (geführt, geritten oder an der Longe) diese erreicht wird.

Das Pferd selbst hatte einen ausgeglichenen Charakter, und das Führen in der Halle, sofern „ausreichend und kompetent“ durchgeführt, hätte zur Vorbereitung des Pferdes gereicht.

Ob dies tatsächlich geschehen ist, war zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den BGH noch nicht geklärt. Fest stand allerdings, dass der Reitstallbetreiber die Betreuung des Pferdes vor und beim konkreten Freilauf seiner Praktikantin anvertraut hatte. Diese war erst seit zwei Monaten in seinem Reitstall tätig. Dies alleine begründet zwar noch keine Haftung, weder nach österreichischem noch nach deutschem Recht, in jedem Fall ist aber eine allfällige Nachlässigkeit der Praktikantin – eine unterbliebene adäquate Vorbereitung des Pferdes – dem Reitstallbetreiber zuzurechnen, d. h. er haftet der Eigentümerin.

Da sich seine Haftung aus dem Berittvertrag ableitet, erfolgt – auch in Österreich – eine Beweislastumkehr zu seinen Lasten. Er hat nun die Chance und die Pflicht, im zweiten Rechtsgang nachzuweisen, dass das Pferd ausreichend auf den Freilauf vorbereitet worden ist, andernfalls wird er der Eigentümerin den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen haben – wobei die Höhe des Schadens noch offen ist. Auch diese wird wohl noch hinterfragt werden und zu weiteren Prüfungen durch die Gerichte führen.

RA Dr. Nina Ollinger