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Warum Tapferkeit im Sattel fehl am Platz ist

Ein Artikel von Eva Schweiger | 29.06.2021 - 12:58
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Pferde reagieren stark auf unterdrückte Ängste ihres Reiters. ©John Smith - stock.adobe.com

Der Pferdesport hat einen starken kulturellen Hintergrund und ist von moralischen Werten tief geprägt, so auch von Tapferkeit. Dieser Umstand beeinflusst die Beziehung zwischen Reitern und Pferden - und damit das Wohlergehen beider, wie die Ethnografin Rosalie Jones McVey jüngst in der Zeitschrift „Animals“ darlegte.

Jones McVey verfolgte über ein Jahr lang Alltag, Training und Wettkämpfe von 35 Amateurreiterinnen und -reitern in Großbritannien. Dabei stellte sie fest, dass als Erbe des militärischen Ursprungs der Reiterei Mut und Willenskraft nach wie vor grundlegend unser Verständnis vom guten Reiten prägen. Das zeigte sich in den Beobachtungen der Forscherin besonders dann, wenn Pferde widerwillig waren. Dann verlangten Instruktoren von ihren Schülern oder die Reiterinnen von sich selbst, hart zu bleiben statt (berechtigter) Angst oder Zweifeln nachzugeben. Alternative Erklärungen für das Verhalten der Pferde zu suchen, wurde von anderen Personen in ihrem Umfeld als Ausweichen abgetan.

Sozialwissenschaftliche Verhaltenstheorien legen auch nahe, dass Reiterinnen im Umkehrschluss ihre Pferde als widerwillig beschrieben, um sich selbst als tapfer wahrnehmen zu können, oder als vertrauenswürdig und bedürftig, wenn sie sich selbst in der Rolle des Versorgers sahen.

In jedem Fall, so die Autorin, macht es die Tapferkeit schwieriger, Risiken und  Handlungsbedarf richtig einzuschätzen. „Tapfere“ Reiterinnen und Reiter tendierten beispielsweise sowohl sich selbst als auch ihren Pferden gegenüber zu groben  Trainingsmethoden, verspätetem Erkennen von körperlichen Beschwerden und geringem Trainingsfortschritt.

Was Abhilfe schaffen könnte, sei die Förderung des Selbstbewusstseins von Reitern, ohne jedoch dabei Kampfgeist zu schüren oder sozialen Druck aufzubauen. Das, so schließt die Autorin, hätte wahrscheinlich gleichermaßen positive Auswirkungen auf Gesundheit und Sicherheit von Mensch und Pferd.