Forschung

Entspannte Pferde lernen besser

Ein Artikel von Redaktion | 19.01.2024 - 18:12
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Besserlerner fielen im Versuch durch einen Anstieg der Temperatur in ihrem linken Auge auf - möglicherweise ein Hinweis auf eine verstärkte Durchblutung der linken Gehirnhälfte, die für das Erlernen gezielter Reaktionen auf Reize zuständig ist. © Christiane Slawik, Würzburg, Germany

Konkret wollten die Wissenschaftler:innen von der Nottingham Trent University (GBR) herausfinden, wie das Erregungsniveau von Pferden ihre Leistung bei einer kognitiven Aufgabe beeinflusst. Dazu maßen sie physiologische Marker der Erregung, einschließlich der Herzfrequenzvariabilität und der Augentemperatur, sowohl in Ruhe als auch wärend des Lernvorganges.
 

In der Ruhe liegt die Kraft

Im Rahmen der Studie wurde einer Gruppe von 20 Pferden die Wahl zwischen zwei Zielobjekten gelassen, wobei das richtige zu einer Futterbelohnung führte. Nachdem die Pferde gelernt hatten, das richtige Zielobjekt auszuwählen, kehrten die Forscher die Aufgabe um, sodass die Pferde das gegenteilige Zielobjekt für die Belohnung auswählen mussten.

Wichtigste Erkenntnis, die sie dabei erlangten: Die Pferde, die sowohl im Ruhezustand als auch während des Lernens eine geringere Erregung zeigten, schnitten bei der kognitiven Herausforderung signifikant besser ab.
 

Linke Gehirnhälfte bei Schlaumeiern besonders aktiv

Das ist jetzt an und für sich nichts weltbewegend Neues, vermutlich jeder der mit Pferden zu tun hat, hätte wohl darauf getippt. Der Versuch förderte aber auch höchst Bemerkenswertes zutage: Bei Pferden, die in der Aufgabe besonders gut abschnitten, konnte eine Zunahme der Temperatur im linken Auge gemessen werden. Für die Forscher:innen könnte dies ein signifikanter Vorhersagefaktor für die Leistung der Tiere sein.

Als Grund für den Temperaturanstieg vermuten sie eine gesteigerte Durchblutung der linken Gehirnhälfte. Sie ist für das Erlernen gezielter Reaktionen auf Reize und für das Fressverhalten verantwortlich - beides war entscheidend für die Herausforderung, mit der man die Pferde im Versuch konfrontierte. "Dieser Hinweis erfordert weitere Untersuchungen, aber wenn eine Verbindung (zwischen Aktivitäten der linken Gehirnhälfte und Temperaturunterschiede im Auge) nachgewiesen werden kann, können wir erstmals hemisphärische Aktivitäten nicht-invasiv und in Echtzeit messen", ist die leitende Forscherin Louise Evans von der School of Animal, Rural and Environmental Sciences der Nottingham Trent University fasziniert.

Keinen Einfluss schien unterdessen die Blinzelrate auf die Leistung der Pferde zu haben, obwohl erwiesenermaßen ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Wimpernschlages und dem Botenstoff Dopamin steht - einem wichtigen Neurotransmitter für das Lernen bei Tieren wie auch bei Menschen.
 

Balance zwischen Flexibilität und Kontrolle

Die vorliegenden Erkenntnisse könnten nicht nur das Verständnis für das Lernverhalten von Pferden vertiefen, sondern auch die Vorhersage individueller Lernmuster ermöglichen. "Wir erwarten von domestizierten Pferden regelmäßig, dass sie unterschiedliche und komplexe Verhaltensweisen lernen", so Evans. "In ihrem täglichen Leben benötigen Pferde Verhaltensflexibilität, also die Fähigkeit, sich an sich ändernde Umgebungen anzupassen, etwa unterschiedliche Reiter und Betreuer. Gleichzeitig fordern wir Pferden eine ausgezeichnete kognitive Kontrolle ab, damit wir uns auf sie verlassen können, beispielsweise wenn es darum geht konsistente Reaktionen auf wichtige Befehle wie 'langsamer' oder 'stopp' zu liefern. Dieses feine Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Kontrolle macht Pferde zu so guten Teamkollegen. Wenn jedoch etwas schief geht, können gefährliche Konsequenzen die Folge sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir verstehen, wie Pferde lernen und ihre Lernleistung besser vorhersagen können."  

Die Studie, an der auch ein Forscher der School of Veterinary Medicine der University of Central Lancashire beteiligt war, wurde im Journal Applied Animal and Behaviour Science veröffentlicht.