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Studie warnt: Unnötiges Eindecken kann Pferden schaden

Ein Artikel von Pamela Sladky | 13.11.2018 - 10:44
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Unter Decken ist vielen Pferden schlicht zu warm.
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Pferde verfügen über ein sehr wirksames Thermoregulationsvermögen. Es ermöglich ihnen Temperaturen bis weit in den Minusbereich standzuhalten, aber auch Regen- und Schneeschauern und längeren Luftanströmungen trotzt ein dichtes Winterfell problemlos. Trotz dieser erstaunlichen Anpassungsfähigkeit türmen sich in vielen Reitstallspinten die Pferdedecken. Die Palette reicht von Insektenschutzdecken über Abschwitzdecken und leichte Regendecken bis hin zum dicken Winteranorak für Pferde. Weil es für viele Pferde mittlerweile zur Routine geworden ist, das ganze Jahr über eine Decke zu tragen, beschäftigt sich auch die Wissenschaft immer wieder damit. Als echter Augenöffner gilt die Studie von Hodgess et al. aus Großbritannien.
 

Eigenes Empfinden meist ausschlaggebend

Wie Menschen haben auch Pferde eine sogenannte thermoneutrale Zone (TNZ) – sie markiert den optimalen Temperaturbereich, in dem die Tiere bequem ihre eigene Körpertemperatur aufrechterhalten können. Bei erwachsenen Pferden in milden Klimazonen liegt sie zwischen 5 und 25 Grad Celsius. Anders der Mensch, der schon Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad Celsius benötigt, um sich ohne Kleidung wohl zu fühlen. “Das bedeutet, wenn wir Menschen Kälte empfinden, befinden sich Pferde immer noch in ihrer Wohlfühlzone“, erklärt Studienleiterin Kim Hodgess. Das Problem: Weil der Besitzer für das Pferd entscheidet, wann es eine Decke angezogen bekommt, ist oft das persönliche Empfinden für die Antwort auf die Frage „Decke ja oder nein“ entscheidend. „Häufig werden Pferde deshalb eindeckt, obwohl sie gar keinen zusätzlichen Schutz benötigen“, meint Studienleiterin Kim Hodgess.

In ihrer Arbeit beobachtete Hodgess Pferde, die regelmäßig eingedeckt wurden, zehn von ihnen wurden in der Box gehalten, zwei weitere auf der Weide. Drei der Tiere waren mit Ekzemerdecken ausgerüstet, sechs mit einer Fleecedecke und sechs mit einer leicht wattierten Decke. Zwei weitere blieben uneingedeckt, wovon eines im Stall verblieb und eines auf die Weide durfte.
 

Ganz schön heiß

Die Auswertung der Oberflächentemperatur der Pferde lieferten je nach Deckenart gravierend unterschiedliche Ergebnisse. Unter den Exkzemerdecken war es durchschnittlich um 4,2 Grad Celsius wärmer als ohne Decke. Bei den Fleecemodellen stieg der Wert bereits auf 11,2 Grad an, bei wattierten Stalldecken erreichte der Temperaturanstieg heiße 15,8 Grad.

„Vier der eingedeckten Pferde hatten bei einer Umgebungstemperatur von 4 bis 4,5 Grad Celcius (also geringfügig außerhalb der thermoneutralen Zone) eine Oberflächentemperatur zwischen 24 und 30 Grad Celsius, während die Pferde der Kontrollgruppe lediglich auf 12,5 und 18,5 Grad kamen“, so Hodgess. Die Oberflächentemperatur der eingedeckten Pferde lag damit deutlich über der pferdeeigenen Wohlfühltemperatur, was das Wohlbefinden der Tiere empfindlich stören könnte, so das Fazit der Forscher.

Ein weiterer Nachteil des übertrieben Eindeckens: Durch die permanente unnatürliche Wärmezufuhr verlieren Pferde nach und nach die Fähigkeit zur Thermoregulation. Das macht das Immunsystem anfälliger für Krankheiten. Wird die Hautatmung und der natürliche Feuchtigkeitsaustausch der Körperoberfläche gestört, bildet sich zudem ein idealer Nährboden für Hautpilzerkrankungen. Gesundheitlich bedenklich ist es übrigens auch, wenn die Decke nicht regelmäßig gewaschen wird, außen mist- und innen schweißverklebt ist. Denn dann kann die Atmungsaktivität beeinträchtigt sein.
 

Wann eine Decke sinnvoll ist

Bevor man zur Pferdedecke greift, sollte man deshalb individuell prüfen, ob das eigene Pferd tatsächlich einen Exramantel benötigt, so die Empfehlung der Forscher. Das kann dann der Fall sein, wenn kein ausreichendes Winterfell gebildet wird und die Temperaturen in kalten Winternächten unter -10 Grad Celsius fallen, erklärt Haltungsexperte DI Romo Schmidt. „Generell eingedeckt werden müssen ältere Pferde mit wenig Unterhautfettgewebe. Ganz besonders dann, wenn sie in Offenstallhaltung leben“, so Schmidt. Das gilt auch für Pferde, die aus wärmeren Ländern importiert werden. „Sie müssen oft mehrere Jahre im Winter eingedeckt werden, bis sie sich an das kalte Klima in unseren Breiten gewöhnt haben.“

Einen zusätzlichen Schutz benötigen außerdem nassgeschwitzte oder von Regen und Schnee bis auf die Haut durchnässte Tiere. Hier gehört so lange eine Decke drauf, bis das Fell wieder trocken ist und seine wärmeregulierende Funktion wieder aufnehmen kann.