Forscher von Kandoo Equine in New South Wales und der University of Sydney haben in ihrer Studie „The Effect of Noseband Tightening on Horses Behavior, Eye Temperature and Cardiac Responses" Stressreaktionen bei zwölf Pferden gemessen, die auf Kandare mit Unterlegtrense kombiniert mit einem schwedischen Reithalfter gezäumt waren – eine insbesondere in der Dressur sehr häufig anzutreffende Kombination. Die Besonderheit des schwedischen Reithalfters liegt in seiner Umlenkschnalle. Sie verhindert zwar, dass beim Verschließen des Nasenriemens Haut eingeklemmt werden kann, hat aber auch der Effekt, dass sich der Nasenriemen zugezogen werden kann – was leider häufig dazu führt, dass der in der Reitlehre vorgeschriebene Zwei-Finger-Abstand zwischen dem Riemen und dem knöchernem Nasenrücken deutlich unterschritten wird.
Den Studienpferden war im Vorfeld weder Kandare mit Unterlegtrense noch schwedisches Reithalfter bekannt – eine bewusste Entscheidung der Forscher:innen, die auf diese Weise einen Gewöhnungseffekt ausschließen wollten.
Die Studie
Über einen Zeitraum von vier Tagen wurde jedes Pferd täglich für 30 Minuten mit der Zaum-Gebiss-Kombination konfrontiert. Unterschiede gab es bei den vier Versuchen lediglich in der Festigkeit, mit der der Nasenriemen verschlossen wurde. Die Forscher:innen testeten die Varianten
- Nasenriemen unverschlossen
- Nasenriemen mit klassischem Zwei-Finger-Abstand verschnallt
- Nasenriemen mit der Hälfte des klassischen Zwei-Finger-Abstandes verschnallt
- Nasenriemen so fest zugezogen, dass es keinerlei Abstand zwischen Pferdenase und Nasenriemen mehr gab
Das Verhalten der Pferde wurde vor, während und nach dem Test gefilmt, gleichzeitig sammelten die Forscher:innen physiologische Basisdaten wie die Herzfrequenz und die Augentemperatur. "Das Auge wird oft als Fenster zum Gehirn bezeichnet", erklärt Kate Fenner, BSc, die mit dem Verhaltensforscher Paul McGreevy, PhD, MRCVS, an der Studie gearbeitet hat. "Die Aktivierung von Nervengewebe, einschließlich des Gehirns, ist mit einer erhöhten Blutversorgung verbunden, Auge gibt vor allem dann Wärme ab, wenn das Nervensystem herausgefordert wird."
Je strammer, desto größer der Stress
Die Analyse der Daten zeigte, dass Herzfrequenzen und Augentemperaturen besonders deutlich anstiegen, wenn der Nasenriemen am engsten verschnallt war. Für die Forscher:innen ein klarer Hinweis auf den physiologischen Stress, den die Pferde in dieser Situation erlebten. „Gähnen, Lecken und Kauen waren praktisch nicht vorhanden, und die Häufigkeit des Schluckens halbierte sich, wenn die Nasenriemen am engsten waren. Dafür stieg das Gähnen, Schlucken und Lecken im Vergleich zu den Ausgangsfrequenzen signifikant an, nachdem die Nasenriemen und Gebisse entfernt wurden, was auf einen Kompensationseffekt infolge vorheriger Unterdrückung dieser Verhaltensweisen hindeutet. Wir gehen davon aus, dass sich diese Effekte noch weiter verschärften, sobald zusätzlich Zug auf den Zügel und ein Reiter ins Spiel kommen.“
Die gezeigten Stressreaktionen könnten die Folge der unterdrückten normalen Verhaltensweisen sein, aber auch auf Schmerzen und Unbehagen oder eine Kombination aller Faktoren hindeuten.
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Ethisch schwer zu rechtfertigen
In ihrer Studie streichen die Forscher:innen die Wichtigkeit der Überprüfung der Zäumungen im Zuge von Wettbewerben heraus. "Stewards sollten auf Turnieren verpflichtend überprüfen, ob die Zäumung jedes Pferdes mit den Regeln übereinstimmt, die ein zu enges Verschnallen des Nasenriemens verbieten."
„Die Regeln des Dressursports, nach denen die Pferde ,Gehorsam' zeigen sollten, indem sie willig das Gebiss akzeptieren, lassen sich nicht aufrechterhalten, wenn die verwendete Ausrüstung ein normales orales Verhalten unterbindet und das Pferd genau das Gegenteil zeigt, nämlich Unbehagen und einen Mangel an Gehorsam“, so Fenner die klarstellt: „Aus ethischen Gründen ist die Anwendung von massivem Druck zur Verhinderung natürlicher oraler Verhaltensweisen um dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen nur schwer zu rechtfertigen."
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