Fütterung

Gesund zulegen: So kommen dünne Pferdesenioren vor dem Winter zu Kräften

Ein Artikel von Regina Käsmayr | Pamela Sladky | 16.10.2018 - 13:08
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Alte Pferde sollten vor dem Winter in einem guten Fütterungszustand sein, damit sie während der kalten Jahreszeit nicht zu stark abbauen. 
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Ist ein Pferd zu dünn, fehlen ihm wichtige Spurenelemente, Mineralien und Vitamine. Das kann zu Mangelerscheinungen und Folgeerkrankungen führen. Zudem steigt die Infektanfälligkeit, denn auch die körpereigenen Abwehrkräfte leiden unter dem Nährstoffmangel des Pferdes. Hinzukommen Abgeschlagenheit und Müdigkeit ob der fehlenden Energie. Vor allem von Letzterem braucht es im Winter aber mehr als gewöhnlich. Bei niedrigen Temperaturen erhöht sich der Stoffwechsel um die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten, hinzukommt der Fellwechsel und das Ende der Weidesaison. Wer jetzt ein dünnes Pferd im Stall hat, sollte deshalb die Zeit bis zum Kälteeinbruch nutzen, um noch etwas Gewicht auf den Oldie zu packen.

Rund sechs bis acht Wochen dauert solch eine Aufpeppelphase bei konsequent guter Fütterung in der Regel. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es keine gesundheitlichen Probleme gibt, die für das magere Erscheinungsbild verantwortlich sind. Bevor es ans Auffüttern geht, sollte deshalb ein Tierarzt ein Auge auf den Pferdesenior werfen. Sind die Zähne in Ordnung? Liegt ein Parasitenbefall vor? Gibt es irgendein organisches Problem, hat das Pferd Schmerzen? Davon abgesehen können noch andere Faktoren dafür verantwortliche sein, dass ein Pferd abmagert. Zum Beispiel, wenn die Heuqualität nicht stimmt und/oder zu wenig Heu gefüttert wird. Auch Stress mit anderen Pferden in der Herde oder mit dem Boxennachbar kann sich negativ auf das Gewicht auswirken. Das gilt ganz besondere dann, wenn der Pferdesenior bei der Nahrungsaufnahme gestört wird oder nicht ausreichend Ruhe bekommt.

Heu satt

Sind diese Faktoren abgeklärt, kann man sich dem Projekt „Gewicht zulegen“ widmen. Und hier sollte der Fokus ganz klar auf einem liegen: einer ausreichenden Menge qualitativ hochwertigen Heus. Wie das aussehen soll, erklärt Mikrobiologin und Tierärztin Dr. Dorothe Meyer von der Firma iWest Tier-Ernährung. „Das für diesen Zweck ideale Heu hat einen möglichst hohen Gehalt an Zellulose und Hemizellulose bei dennoch ausreichend guter Struktur. Ein früh geerntetes Heu, spätestens Mitte der Blüte, erfüllt diese Voraussetzungen in der Regel. Es ist gut im Griff, man fühlt die Struktur, es ist nicht weich und wollig, sondern blattreich, duftend und hygienisch einwandfrei.“ Gerade dünne Pferde sollten von dieser Leckerei reichlich bekommen, am liebsten ad libitum.

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Wichtigste Grundluge beim Auffüttern: viel hochwertiges Heu. © Slawik

Bei älteren Semestern, die aufgrund von Zahnproblemen Heu nur noch in geringen Mengen fressen oder nur schlecht verwerten können, tun Heuersatzprodukte wie Heu- oder Luzernehäksel sowie eingeweichte Wiesen- und Heucobs gute Dienste. Da es sich dabei um eine Alternative zu herkömmlichem Raufutter handelt, müssen derlei Produkte allerdings in ausreichender Menge verfüttert werden. Mit Kraftfutterportionen kommt man hier nicht weit.
 

Getreide – Futter mit Tücken

Meist überschätzt wird die Bedeutung von Kraftfutter bei der Gewichtszunahme. Grund dafür ist, dass der hohe Stärkeanteil in Mais, Gerste, Hafer und Co für das Pferd nicht ganz einfach zu verdauen ist. Gelangt zu viel davon in den Dickdarm, entstehen massive Fehlgärungen, die nicht nur Blähungen und Kotwasser verursachen können sondern auch Hufrehe und Koliken, warnt Fütterungsexpertin Dr. Christina Fritz. Und nicht nur das. Auch Diabetes und Stoffwechselerkrankungen können die Folge einer Überversorgung an Stärke sein.  „Füttert man Pferde schnell mit sogenannten Dickmachern wie Maiswürfeln, großen Mengen nahrhafter Müslis oder mit Heulage auf, dann kommt es in der Regel nicht nur zu einer falschen Gewichtszunahme in Form von Lympheinlagerungen oder Fetteinlagerung, sondern vor allem zu massiven Stoffwechselbelastungen, die letztlich zu Gesundheitsproblemen wie Ekzemen, Mauke, Strahlfäule oder Hufrehe führen können“, so Dr. Fritz.

Speziell Mais ist laut Dr. Meyer nicht das richtige Futter für ein dünnes Pferd. Ebenso wenig Gerste. Beide Getreidearten beinhalten schwer abbaubare Stärke, die die oben genannten Probleme hervorrufen kann. Besser können diese Getreidesorten verdaut werden, wenn sie hydrothermisch – also unter Wärmeeinwirkung – aufgeschlossen sind. Durch diese Technik können Mais und Gerste ähnlich gut verstoffwechselt werden wie Hafer. Expertin Meyer findet jedoch: „Warum dann nicht gleich gequetschen Hafer füttern?“ Klar ist also: Gutes Heu ad libitum ist die Grundlage der Auffütterung eines dünnen Pferdes.

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Getreide sollte, wenn, in Maßen und nur in für Pferde verträglicher Form angeboten werden. © Slawik

Öl, Mash und Rübenschnitzel

Öl ist eine Kalorienbombe, die ohne viel Aufwand über das Krippenfutter gekippt werden kann. Daher wird es gern bei der Fütterung dünner Pferde eingesetzt. Doch auch hier gilt wieder: Weniger ist mehr. Massen von Pflanzenöl lösen beim Pferd Durchfallerkrankungen aus. Dr. Christina Fritz warnt: „Öle und Fette können in größeren Mengen nicht gut verdaut werden und tragen auch nicht zur Energiegewinnung bei. Sie sorgen für Fetteinlagerung, fördern jedoch nicht den gesunden Muskelaufbau, der ja gewünscht ist.“ Dr. Meyer rät, nicht mehr als 50 ml Öl dreimal pro Tag mit den Mahlzeiten zu verabreichen, Dr. Fritz empfiehlt, Öl gänzlich wegzulassen.

Eingeweichte, unmelassierte Rübenschnitzel stehen hoch in der Gunst der meisten Experten, denn sie liefern gut verdauliche, weitgehend stärkefreie Energie. Zudem bilden sie Schleimstoffe und regulieren so die Darmtätigkeit. Dr. Fritz gibt allerdings zu bedenken, dass sie viel Zucker und Pektine enthalten, wobei letztere – wenn sie in großen Mengen in den Dickdarm gelangen – eine Absenkung des pH-Werts bewirken, was dann in Folge zu einer geringeren Nährstoffausbeute aus dem Heu führt.

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Heu- und Luzernecobs leisten beim auffüttern gute Dienste - vor allem, wenn die Zähne nicht mehr die besten sind.
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Magenschonend ist auch die Fütterung von Mash, das aus Weizenkleie, Leinsamen und Quetschhafer gekocht wird. Dr. Iben hat damit gute Erfahrungen gemacht. Sie empfiehlt, in den ersten sechs Wochen einer Auffütterung nur Heu und zusätzlich zwei bis dreimal pro Woche Mash anzubieten. Eine tägliche Fütterung wird nicht empfohlen, da Weizenkleie sehr phosphorreich ist, was auf Dauer das Kalzium- Phosphor-Verhältnis durcheinanderbringt und zu einer Entmineralisierung der Knochen führen kann.

Mit Maß und Ziel

Auffüttern und zwar möglichst schnell – diesen Gedanken haben viele Pferdehalter mit dünnen Vierbeinern. Denn obwohl jeder weiß, dass Übergewicht im Normalfall mehr schadet als Untergewicht, gilt ein dünnes Tier immer noch als Schande. Ein dickes wird allenfalls belächelt. Und auch wenn das eigene Pferd gerade frappierende Ähnlichkeit mit Don Quijotes klapprigen Schlachtross Rosinante hat, heißt es trotz allem: ruhig bleiben. Denn genau wie Gewichtsabnahme solle auch die Gewichtszunahme immer dosiert erfolgen. „Selbst wenn das bedeutet, dass man länger ein dünnes Pferd im Stall hat, das zwischen den meist übergewichtigen Stallkollegen oft wie ein Tierschutzfall aussieht. Aber lieber gesund und langsam Muskelmasse anfüttern – im Sinne einer das Training unterstützenden Fütterung – als schnell krankfüttern", empfiehlt Dr. Fritz.