Haltung

Houdinis bei der Arbeit: Pferde sind Weltmeister im Öffnen von Tür und Tor

Ein Artikel von Pamela Sladky | 02.07.2019 - 14:06
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Manche Pferde sind äußerst geschickt im Öffnen von Türen und Toren, die Lippe dient dabei als bevorzugtes Werkzeug. ©Goodpics - stock.adobe.com

Egal ob Stangen- oder Lattenkonstruktion, Drehschloss, Elektrozaungriff, Karabiner oder Schlüssel: Praktisch jeder Mechanismus, der ein Pferd vor Erkundungstouren auf eigene Faust abhalten soll, ist anfällig von Ausbrecherkönigen auf vier Hufen geknackt zu werden. In einer aktuellen Studie beschreibt ein Team deutsch-schottischer Forscher die beeindruckenden Fähigkeiten, die Equiden beim Versuch sich selbständig zu machen, an den Tag legen.

Die Studie basiert auf 513 Fallberichten, die das Team mit Hilfe eines Online-Aufrufs von Pferdehaltern auf der ganzen Welt und via Youtube zusammengetragen hat. Die von Pferden geknackten Schließmechanismen umfassten 260 Fälle von horizontalen und 155 Fälle von vertikale Stangen, in 43 Fällen wurden Drehverschlüsse geöffnet, gefolgt von 42 Türgriffen, 34 elektrischen Zaungriffen und 40 Karabinern. Zweimal konnten sogar Pferde dabei beobachtet werden, wie sie Schlösser mit Schlüsseln öffneten.

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Verschiedene Schließmechanismen und wie oft sie von Equiden geknackt wurden © 2019 Krueger et al.

„In unserer Umfrage wurde berichtet, dass die meisten Pferde Türen und Tore mit Scharnieren knacken, deren Stangen oder Griffe sich in einer Ebene mit nur wenigen Kopfbewegungen öffnen lassen“, berichtet das Forscherteam. „Eine beeindruckende Anzahl von Pferden handhabte jedoch kompliziertere Mechanismen, für die Bewegungen in mehr als einer Ebene und bestimmte Aktionssequenzen erforderlich waren.“ „Wir konnten keinen Grad an Komplexität eines Türverschlussmechanismus ausmachen, der über die Lernfähigkeit des Pferdes zum Öffnen hinausgeht. Daher sind alle häufig verwendeten Geräte, sogar Karabiner und elektrische Zaungriffe, potenziell anfällig dafür von Pferden geöffnet zu werden.“ Im Klartext heißt das: der Mechanismus, der zu hundert Prozent ausbruchssicher ist, ist noch nicht erfunden worden. Für Konstanze Krüger von der Universität Regensburg und ihre Kollegen steht damit fest: „Die Fähigkeit von Pferden und anderen Huftieren, von Menschen gefertigte Verschlüsse zu öffnen, muss neu überdacht werden, um die durch Flucht verursachten Schäden zu minimieren.“

Flucht häufigster Beweggrund

Die Gründe, warum sich ein Pferd aus dem Staub machen will, sind vielfältig. Der Großteil der untersuchten Fälle nutzte die neu gewonnene Freiheit schlicht zur Flucht. Für andere stand die Futterbeschaffung im Fokus oder der Kontakt zu Stallkameraden. Manche Pferde wiederum scheinen Schlösser aus reiner Neugier oder Verspieltheit zu knacken. Nach dem Öffnen der Türen und Tore einer Box, eines Geheges oder einer Weide gingen 87 Prozent der Tiere hinaus, 62 Prozent liefen in der Umgebung ihres Stalls herum, jeweils 22 Prozent gingen in andere Pferdeboxen oder Ställe oder drangen in Futterlager oder Häuser ein. In 15 Prozent der beobachteten Fälle befreiten die Ausbrecher Kumpels aus deren Boxen.

Bei letzterer Gruppe handelt es sich aber um sehr vereinzelte Fälle denn: „Die meisten Pferde öffneten nur eine Tür, ein Tor oder einen Mechanismus an einem einzigen Ort.“ Es gibt aber auch Pferde, die das Schlösserknacken perfektioniert haben: „Einige Tiere öffneten an mehreren Stellen die gleiche Art von Tür- oder Tormechanismus, andere betätigten verschiedene Arten von Mechanismen und manche waren sogar in der Lage, Türen und Tore zu öffnen, die mit verschiedenen Arten von Mechanismen an verschiedenen Positionen gesichert waren. Diese Pferde schienen das Konzept der verschlossenen Türen verstanden und verallgemeinert zu haben“, so die Forscher. Die richtigen Profis unter den beobachteten Pferden waren in der Lage bis zu fünf (!) verschiedene Verschlussarten zu öffnen. Eine bemerkenswerte Leistung!

Erlerntes Verhalten

In ihrer natürlichen Umgebung sind Pferde mit keinen vergleichbaren Mechanismen konfrontiert, der Erfolg im Umgang mit solchen von Menschen hergestellten Geräten muss demnach auf allgemeinen Lernkapazitäten beruhen. Die Pferde sind dabei entweder gute Beobachter oder Autodidakten. In der Studie hatten 70 Pferde die Möglichkeit, das Entriegelungsverhalten bei Stallkameraden zu beobachten, bevor sie sich selbst davonmachten. 183 jedoch nicht, was darauf hinweist, dass sie gelernt haben, Türen und Tore entweder durch Beobachtung von Menschen zu öffnen oder selbst darauf gestoßen sind.

Die kürzlich im Wissenschaftsmagazin PLOS ONE unter dem Titel "Animal behaviour in a human world: A crowdsourcing study on horses that open door and gate mechanisms" veröffentlichte Studie können Sie hier im Originalwortlaut nachlesen.