Leseprobe

Es gibt keine von Natur aus schlechten Hufe

Ein Artikel von Eva Schweiger | 03.05.2023 - 11:18
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Der Huf spiegelt unverfälscht innere und äußere Lebensbedingungen des Pferdes wider. Die Genetik des Pferdes spielt im Vergleich eine untergeordnete Rolle. © Goran Horvat | pixabay.com

Pferdehufe sind erstaunlich wandlungsfähig. Welche Mechanismen hinter dieser Anpassungsfähigkeit stecken und wann deren Grenzen erreicht sind – das liegt für die Wissenschaft zum Teil bis heute im Dunkeln. Sicher ist allerdings, dass die Hufe ein Pferdeleben lang auf ihre Umwelt reagieren, äußerlich wie auch im Inneren. Dabei spielt die Genetik des Pferdes eine Rolle, aber viel mehr noch zählen seine Lebensbedingungen und vor allen Dingen: die Zeit, die die Hufe bekommen, um sich neuen Anforderungen anzupassen. Eins ist jedenfalls sicher: Der Pferdehuf ist ein stets aktuelles Forschungsfeld, und neueste Studien zeigen, wie viel Erstaunliches noch in ihm steckt.
 

Was ist ein schlechter Huf?

Wer schon einmal versucht hat, ein beschlagenes Pferd ans Barhufgehen zu gewöhnen, weiß: So eine Umstellung ist eine heikle Angelegenheit. Oft wird unterschätzt, wie viel Zeit und wie viel sonstige Unterstützung in Form von langsam steigender Belastung in genau der richtigen Dosis, passenden Nährstoffen für Hufstoffwechsel und Hornwachstum sowie regelmäßiger Bearbeitung und Pflege der Pferdehuf während so eines Prozesses braucht. Manchmal misslingt die Umstellung auch trotz aller Bemühungen: Nicht jedes Pferd kann auf jedem Boden barhuf gehen. Es stellt sich die große Frage: Haben diese Pferde von Natur aus schlechte Hufe? „Kein Pferd hat von Natur aus schlechte Hufe“, meint Hannes Hofer, Hufschmied und Berufsschullehrer für angehende Hufschmied:innen. „Grundsätzlich kann jedes Pferd mit jedem Huf auf einem halbwegs guten Boden barhuf gehen. Jede Pferderasse bringt allerdings andere Hufformen und -qualitäten mit. Diese sind genetisch verankert, sodass die Pferde mit den Böden in den Ursprungszuchtgebieten optimal zurechtkommen. Für unsere Böden passen die Hufe dann oft einfach nicht. Deswegen kann man aber nicht von schlechten Hufen sprechen!“

Wenn es Probleme gibt, dann liege das also meistens nicht an der Hornqualität, sondern an der Umwelt und den Bodenbedingungen, die den Huf überfordern, oder an Erkrankungen, weiß der Fachmann. Aber auch (zum Teil bewusst gezüchtete) schwierige Gliedmaßenstellungen können dem Pferd Probleme machen.

Bei den britischen Shire Horses zum Beispiel ist eine Y-förmige Hinterbeinstellung erwünscht, außerdem erreichen sie wie viele Kaltblüter schon früh ein hohes Körpergewicht. Ihre Hufe sind dadurch hohen Belastungen ausgesetzt und brauchen oft sehr fachkundige Bearbeitung und Pflege, um leistungsfähig zu bleiben.
 

Gene für Hufgesundheit

In unserem heimischen Gelände sind weiche, breite Hufe wie die von Shire Horse oder Tinker klar im Nachteil. Auch Pferde, die im Sport großen Belastungen ausgesetzt sind, profitieren von möglichst festem Hornmaterial. „Gibt es Gene, die für harte Hufe sorgen?“, fragten sich daher bereits einige Wissenschaft ler:innen.

Erst wenige Monate alt ist die Studie eines Forschungsteams, das die Gene verschiedener chinesisch-mongolischer Pferderassen untersuchte. Ziel ihrer Arbeit war die Identifizierung jener Regionen im Pferdegenom, die sich durch jahrtausendelange züchterische und natürliche Selektion auf bestimmte Eigenschaften (Fellfarbe, Gangarten, Hufqualität) besonders verändert haben.

Eine der untersuchten Rassen war das „Baicha Iron Hoof“-Pferd. Dieser Gebirgsschlag des Mongolischen Pferdes ist in seinem Heimatgebiet landläufig auch schlicht als „Eisenhuf“ bekannt. Nomen est omen: Es ist berühmt für seine harten, starken Hufe. Mit dieser Studie gelang es, Gene zu finden, die zum Beispiel für gute Durchblutung des Hufs und kräftige Hornbildung sorgen und Entzündungsprozesse der Lederhaut unterdrücken. Besonders interessant: Einige Gene, die beim Menschen mit chronischer Polyarthritis assoziiert werden, waren bei den Eisenhuf-Pferden übermäßig aktiv. Wie sie die Hufgesundheit verbessern, ist jedoch noch völlig unklar.

Mehr lesen im Maiheft

Manche Pferde haben einfach schlechte Hufe, richtig? Stimmt nicht! Ob ein Pferd gesunde und leistungsfähige Hufe hat, bestimmt ein komplexes Zusammenspiel aus Genetik und Lebensbedingungen, das noch lange nicht ganz verstanden ist. Welche das sind und was es braucht, damit sich ein leistungsstarker Huf entwickeln kann, lesen Sie in der Maiausgabe der Pferderevue.

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