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Mit Liebe, Geduld und Passion: 100 Jahre Georg Wahl

Ein Artikel von Pamela Sladky | 21.02.2020 - 10:30
Georg Wahl und Reiter der SRS.jpg

Am 21. Februar hätte Georg Wahl seinen 100. Geburtstag gefeiert. © Spanische Hofreitschule, Bundesgestüt Piber GÖR, Herbert Graf

Am 21. Februar wäre der legendäre Meistertrainer Georg Wahl 100 Jahre alt geworden. Viele international bekannte Dressurgrößen hat der ehemalige Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule zu großen Erfolgen geführt, allen voran die Schweizer Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Christine Stückelberger. Aber auch vieler Amateure, egal auf welchem Niveau, hat er sich mit großer Hingabe angenommen, immer im Bestreben, den Reitern zu zeigen, wie sie ihr Pferd fördern können. Johann Riegler erlebte Georg Wahl noch als Eleve an der Spanischen Hofreitschule. Später konnte er dann intensiv vom Privattraining mit Georg Wahl profitieren.

Heute ist Riegler selbst erfolgreicher Trainer internationaler Dressurgrößen und betreibt einen Ausbildungsstall in Sulz im Wienerwald. Dr. Barbara Gorsler hat ihn für die Pferdrevue zum Gespräch gebeten:

Herr Riegler, inwiefern hat Georg Wahl Sie geprägt?

Johann Riegler: Georg Wahl hatte auf mich einen prägenden, nachhaltigen Einfluss und bleibt unvergessen. Eigentlich immer, wenn ich reite oder unterrichte, höre ich seine Worte im Hinterkopf. So sagte er etwa immer, wenn es darum ging, das Pferd weich durchs Genick zu reiten: „Du musst nicht am Kopf ziehen. Stell dir vor, du drückst einen Schwamm aus.“ Oder wenn ich eine Pirouette reite, kommt mir immer wieder in den Sinn, wie viel Wert er auf den Gebrauch des inneren Zügels legte, der in Verbindung mit dem inneren Schenkel das innere Hinterbein zum Abspringen animiert. Auch in der Piaffe sind mir Wahls Worte noch gewärtig: „Schau, dass das Pferd sich federnd anfühlt.“ Für jede Lektion sind mir seine Worte präsent.

Was machte Georg Wahl zum Meister?

Sicherlich seine Erfahrung mit den vielen verschiedenen Pferden und dann auch die profunde Pferdekenntnis, die er in seiner vierjährigen Tätigkeit im Zirkus Knie erworben hatte. So konnte er sich sehr individuell auf das jeweilige Pferd einstellen und, da er gedanklich immer „mitritt“, auch sofort die passende Hilfengebung erläutern. Sein Grundsatz war, dass die Entwicklung des Pferdes das Tempo der Ausbildung bestimmt, nicht das Alter. Was den wahren Meister ausmachte, ist meines Erachtens, dass er neben den technischen Anweisungen immer auch das Erspüren des Pferdes forderte. Und deshalb ist seine Frage „Hast du’s jetzt g’schpürt?“ fast schon legendär.

Gerne erzähle ich Ihnen noch eine Anekdote, die eindrücklich zeigt, wie Georg Wahl, der in manchen Dingen auch recht stur sein konnte, absolut offen war, sich zu ändern, wenn es um das Wohl der Pferde ging: In der Spanischen Hofreitschule stellten die Bereiter nach Abschluss der Arbeit immer die Pferde auf, damit sie von den Pflegern abgeholt werden. Eines Tages sprach ein Pferdepfleger Oberbereiter Wahl an: Er möge doch bitte nach dem Zuckergeben seine Hände nicht an der Mähne des Hengstes abwischen. Ich, damals Eleve, wäre am liebsten im Boden versunken, weil ich ob der Anmaßung ein Donnerwetter befürchtete. Wahl aber fragte den Pfleger nur: „Warum?“ Worauf dieser antwortete: „Nun, das verklebt die Mähne. Und wenn ich dann beim Reinigen wieder zu viele Haare ausreiße, bekomme ich einen Anschiss vom Oberstallmeister.“ Wahl rief in die Runde: „Ab sofort nicht mehr mit klebrigen Händen die Mähne anfassen.“

Das ist es, was den besonderen Pferdemenschen Wahl ausmachte: Alles Denken und Handeln drehte sich um das Wohl des Pferdes und seine Entwicklung zu einem ausdrucksvollen Athleten. Die Liebe zum Pferd stand stets im Vordergrund, nicht die persönliche Profilierung.
 

Letzter großer Zeuge der Ära Podhajsky

Georg Wahl wurde weltweit als großer Ausbilder und Meister der klassischen Dressur geschätzt wie kaum ein anderer. Zu seinen erfolgreichen SchülerInnen zählen neben seiner Lebensgefährtin Christine Stückelberger unter anderen auch OEPS Präsidentin und Olympiasiegerin Sissy Max-Theurer sowie Evelyn Haim-Swarovski. Wahl verstarb am 4. November 2013 im Alter von 93 Jahren in seinem Heim, inmitten seiner Pferde und seiner Hunde.