Forschung

Kampf gegen COVID-19: Liefern Pferde bald eine kostengünstige Therapie?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 16.09.2020 - 16:07
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Tierarzt Mauricio Arguedas Gómez mit einem der Testpferde © Laura Rodríguez Rodríguez

Die Idee hinter diesem Ansatz ist im Grunde nicht neu. Seit vielen Jahren werden Pferde zur Herstellung von sogenannten Antiveninen genutzt, Immunseren, die zur Behandlung von Bissverletzungen durch giftige Tiere – vornehmlich Schlangen – dienen. Dazu wird das Gift der betreffenden Tierart extrahiert und den Pferden verabreicht. Die injizierte Dosis bringt die Pferde zwar nicht um, aber sie reicht aus, um den Pferdekörper zur Produktion von Antikörpern zu veranlassen. Die so entwickelten Abwehrstoffe werden später mittels Blutabnahme gewonnen und als Gegengift für menschliche Patienten aufbereitet.

„Die Antikörper-Therapie für COVID-19-Patienten ist der Behandlung von Menschen mit Schlangenbissen durchaus ähnlich“,  erklärt Mikrobiologe Dr. Alberto Alape Girón, leitender Forscher des COVID-19-Projekts am Clodomiro Picado Institut der Universität Costa Rica. „Wir wollen in Pferden spezifische Antikörper gegen virale Strukturen erzeugen, sie aufbereiten und danach Patienten verabreichen, die am Beginn einer Infektion stehen, deren Immunsystem aber noch nicht genügend Abwehrstoffe bildet, um die Viruspartikel zu neutralisieren.“
 

Pferdeserum besonders konzentriert

Für die Antikörperproduktion wurden sechs von Privatpersonen zur Verfügung gestellte Pferde mit aufbereiteten Proteinen des SARS-CoV-2 Virus geimpft. Acht Wochen und drei Impfungen später hatten sie genügend Antikörper gebildet. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihnen Blut abgenommen, das Blutplasma von den roten Blutkörperchen getrennt, und letztere den Pferden wieder zugeführt um eine Anämie zu verhindern. Das Blutplasma durchlief weitere Reinigungsverfahren, in denen die Antikörper von anderen Proteinen getrennt wurden.

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© Instituto Clodomiro Picado | Universidad de Costa Rica

Auf diese Weise entstanden eintausend 10-ml-Reagenzgläser mit SARS-CoV-2 Antikörpern in hoch konzentrierter Form. „Ein einziges dieser Reagenzgläser enthält rund achtzigmal mehr Antikörper als man in 800 ml Rekonvalenszentenplasma – also Plasma, das von einem von COVID-19 genesenen Patienten gespendet wurde – findet“, erklärt Dr. Alape Girón.

Einige wenige der kostbaren Glasröhrchen schickte man für Wirksamkeitstests nach Washington an das Nationale Institut für Biologische Verteidigung und Infektionskrankheiten der George Mason Universität. Die dort in der Petrischale durchgeführten Versuche geben den Forschern Anlass zur Hoffnung. Die einer SARS-CoV-2-Zellkultur - in unterschiedlichen Verdünnungsgraden - zugeführten Pferde-Antikörper führten zur Neutralisierung des Virus. Die Ergebnisse der Studie sollen in Kürze veröffentlicht werden.

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© Laura Rodríguez Rodríguez

Erste Tests am Menschen noch im September

Der nächste Schritt – Tests mit Pferde-Antikörpern an COVID-19-Patienten – läuft aktuell in einer beschleunigten klinischen Studie. Dabei werden Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie an einer Gruppe von 26 Patienten mit COVID-19 untersucht, die stationär im Krankenhaus aufgenommen werden, aber keine intensivmedizinische Betreuung benötigen. Bis Ende September will man erste Ergebnisse vorlegen können. Sind sie positiv, ist der nächste Schritt eine groß angelegte Studie mit Hunderten Patienten.

Schon jetzt scheint der Therapieansatz so vielversprechend, dass parallel auch in Argentinien intensiv mit Pferdeplasma zur Bekämpfung von COVID-19 geforscht wird. In anderen Ländern greifen Wissenschaftler auf Lamas und Kühe zur Antikörper-Herstellung zurück. Das Ziel ihrer Bemühungen ist überall dasselbe: Leben zu retten, während die Welt auf die Verfügbarkeit eines sicheren und wirksamen Impfstoffs wartet.