Verhalten

Studie zeigt: Stuten nicht schwieriger als Wallache – im Gegenteil

Ein Artikel von Pamela Sladky | 07.09.2020 - 11:44
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Typisch Stute? Laut einer australischen Studie gibt es beim Reiten und im Umgang kaum geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Stuten und Wallachen.
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„Der Reiter bittet die Stute, befiehlt dem Wallach und konsultiert den Hengst“, so heißt es in einem alten Sprichwort. Es verpackt auf charmante Weise Vorurteile, die auch heute noch gang und gebe in der Reiterei sind. Stuten haben den Ruf launisch, schwierig und weniger zuverlässig zu sein, Wallach hingegen gelten als unkompliziert, brav und gehorsam.

Dass diese Pauschalurteile wenig mit der Realität gemein haben, zeigt eine neue Studie aus Australien. Ein Team um Kate Fenner von der Universität Sidney untersuchte Umfragedaten von über 1.200 Reitern. Da die Fragebögen rund 300 Fragen zu unterschiedlichsten Themen enthielten, war den teilnehmenden Personen nicht bewusst, dass die Untersuchungen der Forscher primär auf geschlechterspezifisches Verhalten von Pferden im Umgang und beim Reiten abzielten.
 

Problemverhalten bei Wallachen wahrscheinlicher

Wie die Auswertungen zeigten, gibt es diese zwar, allerdings scheinen sie weit weniger ausgeprägt als vielfach angenommen. In der Studie beschränkten sie sich zudem ausschließlich auf den Umgang. "Wir haben einige geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhalten festgestellt, die jedoch alle mit nicht gerittenen Situationen zusammenhängen", wird Studienleiterin Fenner im US-amerikanischen Pferdegesundheitsmagazin The Horse zititert. „Und im Gegensatz zu den gängigen Vorstellungen waren es in diesen Fällen nicht die Stuten, die komplizierter waren – außer beim Holen von der Koppel – es waren die Wallache, die diese weitgehend unerwünschten Verhaltensweisen zeigten.“

Die erwähnten Untugenden reichten von Herumkauen am Anbindestrick (Wallache + 20 %) Beknabbern von Satteldecke oder Sattelpad (Wallache + 12 %) und nicht Stillstehen beim Scheren des Kopfes (Wallache + 10 %), bis hin zu Anrempeln, wenn Futter angeboten wurde (Wallache + 10 %). Nur in einer Sache erwiesen sich Stuten als schwieriger: Wenn es darum ging, sich von der Koppel holen zu lassen, war die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Pferd vom Menschen wegbewegte, bei Stuten um 10 % höher als bei Wallachen.
 

Aufräumen mit Vorurteilen verbessert Stutenwohl

Es sei wichtig aufzuzeigen, dass viele vorgefasste (negative) Meinungen über Stuten jeglicher Grundlage entbehren, meint Kate Fenner. "Wenn Sie mit dieser Art von Voreingenommenheit in eine Reitstunde gehen, werden Sie kein proaktiver, sondern ein reaktiver Reiter sein, und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf Verhalten Ihres Pferdes mit Bestrafung reagieren", erklärt sie. Wer vorurteilsfrei ins Training geht, sucht die Ursache bei Problemen eher bei sich selbst, als sie automatisch der Stute zuzuschreiben „weil sie eben eine Stute ist“.

Doch woran liegt es nun, dass Stuten generell einen schlechteren Ruf haben, wenn sie sich im Umgang mit dem Menschen und beim Reiten doch kaum von ihren männlichen Kollegen unterscheiden? Für Fenner haben die Vorurteile ihren Ursprung aller Wahrscheinlichkeit nach in der menschlichen Welt. "Traditionell gibt es Stereotype Bilder von Frauen, denen zufolge sie launisch oder herrisch oder schwierig sind. Möglich, dass diese Vorurteile einfach auf die Pferde übertragen wurden."

Das Pferd nimmt hier übrigens eine Sonderstellung ein. Bei anderen Arten wie Hunden scheint der Mensch seine geschlechterspezifischen Vorurteile offenbar nicht zu übertragen. "Hier gibt es einen ganz anderen Blickwinkel, den es weiter zu untersuchen und erforschen gilt“, so Fenner.