Überlebenskünstler

Scarto und Nox: Der lange Weg der Zwillingsfohlen in ein normales Pferdeleben

Ein Artikel von Pamela Sladky | 22.04.2021 - 14:06
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Scarto (links) und Nox (rechts) sind heute beinahe zwei Jahre alt. Bis dahin war es für die Zwillinge aber ein steiniger Weg - auch für ihre Besitzerin Alexandra Begemann.
© Melva

„Die ersten 60 Stunden nach der Geburt war ich komplett wach, bin jede Stunde aufgestanden und habe mit Hilfe von sich abwechselnden Einstellern die Stute gemolken und den Kleinen die Milch erst per Spritze, dann mit der Flasche gegeben“, erinnert sich Alexandra Begemann an die fordernde Zeit. Acht Tage lang wurden die Fohlen intensiv versorgt und stündlich per Hand gefüttert, der Tierarzt war in dieser Zeit Dauergast auf dem kleinen Pferdehof im niedersächsischen Bad Essen.

Es dauerte mehr als eine Woche, bis die Zwillinge aus eigener Kraft aufstehen und selbständig trinken konnten. Ein immenser Aufwand, der nur dank der Unterstützung vieler helfender Hände möglich war. „Wären nicht so viele Helfer da gewesen und wäre der Tierarzt nicht direkt zur Stelle gewesen, hätten es die zwei bestimmt nicht geschafft - und möglicherweise auch die Stute nicht“, ist Alexandra Begemann auch heute noch überzeugt.

Scarto und Nox: Wie alles begann

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© privat

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Der Kampf geht weiter

Viele Monate sind seither vergangenen, im Mai jährt sich Scartos und Nox‘ Geburtstag zum zweiten Mal. Dass sie ihn überhaupt erleben dürfen, grenzt fast an ein Wunder. Denn nur wenige Wochen nach der Geburt – gerade als Alexandra Begemann in dem Glauben war, das Schlimmste endlich überstanden zu haben – ging der Kampf um das Leben der beiden von Neuem los.

Beide Fohlen litten an einer schweren Anämie. „Es hieß, dass Scarto und Nox keine roten Blutkörperchen bilden können und ihre Überlebenschancen wieder bei nur 10 Prozent liegen würden.“ Während die meisten Pferdebesitzer angesichts einer derart niederschmetternden Diagnose vermutlich endgültig das Handtuch geworfen hätten, glaubte Begemann weiterhin fest an den Überlebenswillen der Zwillinge. In einer Pferdeklinik versuchte man mit Vollbluttransfusionen das Leben der Hengstfohlen zu retten. Die Behandlung fruchtete. Scarto und Nox sprangen dem Tod ein zweites Mal von der Schippe – wider Erwarten.

Entspannt zurücklehnen konnte sich Alexandra Begemann aber auch nach dieser dramatischen Episode nicht. „Die ersten eineinhalb Jahre waren die beiden eigentlich immer irgendwie angeschlagen. Der Kleine, Nox, immer etwas mehr als sein Bruder. Im Sommer letzten Jahres musste er wieder in die Klinik“, berichtet die Tierheilpraktikerin und Pferdephysiotherapeutin. Diesmal lautete die Diagnose Magenbluten aufgrund eines Magengeschwürs. „Aber auch das haben wir geschafft“, so Begemann.

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Nox, der kleinere der Brüder, ist immer für ein Späßchen zu haben.   © Melva

Endlich Ruhe

Seit einigen Monaten ist nun endlich so etwas wie Ruhe eingekehrt im Pensionsstall der Familie. „Seit einem knappen halben Jahr ist der Tierarzt tatsächlich nicht mehr jede Woche bei uns“, lacht Alex Begemann, die hofft, dass das auch weiterhin so bleibt.

Derzeit stehen die beiden im Offenstall – zusammen mit einem siebenjährigen Wallach, der den Erzieher für die lebenslustigen Zwillinge gibt. „Scarto und Nox spielen eigentlich den ganzen Tag miteinander und haben nur Blödsinn im Kopf, wobei Scarto, der größere der Brüder, charakterlich eher zurückhaltend ist, während Nox vor Selbstbewusstsein nur so strotzt.“ Davon abgesehen seien beide aber „super anhänglich und wirklich sehr lieb“, verrät ihre Besitzerin.

Wie groß die Zwillinge noch werden, ist weiterhin nur schwer abzusehen. Mutters Maße werden sie deutlich unterschreiten, so viel lässt sich schon jetzt mit Gewissheit sagen. Für ihre Besitzerin spielt die Größe der Brüder aber ohnehin keine Rolle. Gesund sollen sie bleiben, das sei das Wichtigste. Und nach den vielen Strapazen ihrer frühen Jugend hoffentlich endlich ein ganz normales Pferdeleben führen dürfen.