Zucht

Doppeltes Glück: Stute überrascht mit Zwillingsgeburt

Ein Artikel von Pamela Sladky | 07.06.2019 - 15:20
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Die beiden Zwillingsfohlen Scarto und Nox sind nach vielen Tagen des Bangens und Hoffens gesund und putzmunter. © tierfotografie-by-melva

Die Geburt der beiden Zwillingsfohlen Scarto und Nox sorgte im Pensionsstall Begemann im niedersächsischen Bad Essen bei Osnabrück für eine handfeste Überraschung. Stute Nanda hatte ihr Geheimnis bis zum Schluss nicht preisgeben wollen. Bei keiner der vier Ultraschalluntersuchungen, durchgeführt von verschiedenen Tierärzten, war die Zwillingsträchtigkeit sichtbar geworden. „Jedes Mal hieß es: Immer noch tragend, eine Frucht, alles gut“, sagt Nandas Besitzerin Alexandra Begemann.

Umso größer war die Überraschung am Tag der Geburt. Nach 15 Minuten Wehen brachte Nanda ein kleines Rappfohlen zur Welt. Als der Tierarzt wenig später kam und den Neuling sah, fiel Begemann aus allen Wolken. „Er sagte nur ‚Hier stimmt was nicht. Das ist viel zu klein.’ Das war mir in der ersten Aufregung gar nicht aufgefallen!“

Bei der nachfolgenden Untersuchung der Stute stellte der Tierarzt fest, dass noch ein weiteres Fohlen im Anmarsch war. „Er griff nochmal rein und zog nach anfänglichen Schwierigkeiten den Zweiten raus. Wir waren alle platt.“ Die Überlebenschancen der beiden Rapphengstchen schätzte der Veterinär auf ernüchternde 10 Prozent für die erste Stunde ein. „Sie bekamen eine Lungenreifespritze und wir haben gerubbelt, was das Zeug hält. Später kamen immer mehr Leute helfen. Einer brachte neues Stroh, einer Decken, der nächste holte Wärmelampen, einer hat die Stute abgemolken.“ Nach zwei Nasenschlundsonden, über die die Fohlen mit Muttermilch versorgt wurden, war der Einsatz der Hilfscrew beendet. Vorerst zumindest. Für Alexandra Begemann begann nun die lange Zeit des Hoffens und Bangens. „Die ersten 60 Stunden war ich komplett wach, bin jede Stunde aufgestanden und habe mit Hilfe von sich abwechselnden Einstellern die Stute gemolken und den Kleinen die Milch erst per Spritze, dann mit der Flasche gegeben.“

Acht Tage lang wurden die Fohlen intensiv versorgt und stündlich per Hand gefüttert, bis sie mehr als eine Woche nach der aufregenden Geburt endlich aus eigener Kraft aufstehen und selbständig trinken konnten. Ein immenser Aufwand, der nur dank der Unterstützung vieler helfender Hände möglich war. „Wären nicht so viele Helfer da gewesen und wäre der Tierarzt nicht direkt zur Stelle gewesen, hätten es die zwei und wahrscheinlich auch die Stute bestimmt nicht geschafft“, ist Alexandra Begemann überzeugt.

Fohlen trotzen Prognose

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Erst nach acht Tagen waren die beiden Hengstfohlen in der Lage ohne menschliche Unterstützung zu stehen und bei ihrer zu Mutter trinken. Für extra Wärme sorgten eigens besorgte Decken für Hunde. © privat

Der aufopfernde Einsatz zur Rettung der Fohlen hat sich letztlich bezahlt gemacht. Inzwischen sind die Rappzwillinge 36 Tage alt und putzmunter. „Sie sind zwar immer noch viel kleiner als andere Fohlen, aber es geht täglich bergauf. Ich weiß, dass sie nie die Größe von normalen Pferden erreichen werden und vielleicht werden sie auch nie richtig belastbar sein. Für mich spielt das keine Rolle. Ich bin einfach unendlich froh, dass es ihnen gut geht. Die beiden sind für mich meine kleinen Wunder“, sagt Alex Begemann.

Die anfängliche Annahme, dass es sich bei Scarto und Nox um extrem seltene eineiige Zwillinge handeln könnte, hat sich inzwischen als falsch herausgestellt. „Ich habe einen Gentest machen lassen. Trotz der gleichen Farbe, des gleichen Geschlechts und der einen Nachgeburt sind sie nicht eineiig“, erzählt die deswegen nicht minder stolze Fohlenbesitzerin. Warum bei vier Ultraschalluntersuchungen durch unterschiedliche Tierärzte immer nur eine einzige Frucht zu sehen war, bleibt allerdings weiterhin ein Rätsel.

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Schoßpferdchen: Die Rappzwillinge sind deutlich kleiner als gleichaltrige Fohlen.
© tierfotografie-by-melva

Zwillingsträchtigkeiten fast immer problematisch

Der Körper einer Stute ist von Natur aus nur für ein Fohlen ausgelegt. Zwillingsträchtigkeiten sind fast immer problematisch, weil zwei Föten im Mutterleib nicht genügend Platz, Nahrung und Sauerstoff erhalten, um gesund und vollkommen ausgewachsen auf die Welt zu kommen. Meist stirbt deshalb zumindest eines der Tiere bereits im Mutterleib. Auch für die Mutter ist eine Zwillingsgravidität mit einem großen Risiko verbunden. Meist wird bei Entdecken deshalb ein Abbruch vorgenommen bzw. einer der Embryos im Mutterleib "abgedrückt". Dieses Vorgehen dient dem Schutz der Mutter und des verbliebenen Fötus. Die Chancen für eine normale Weiterentwicklung der Trächtigkeit sind danach sehr gut.