UNESCO

Deutschland: Klassische deutsche Reitlehre zum immateriellen Kulturerbe ernannt

Ein Artikel von Redaktion | 16.03.2023 - 12:02
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Reitmeisterin Ingrid Klimke - im Bild mit ihrem Spitzenpferd Franziskus - ist eines der Aushängeschilder der klassischen deutschen Reitlehre in  Reinkultur.
© Petra Kerschbaum

Im Mai 2022 war die klassische deutsche Reitlehre zum Immateriellen Kulturerbe im Bundeland Nordrhein-Westfalen ernannt worden. Nun folgte die Aufnahme auf Bundesebene. Den Antrag gestellt hatte die Bundesvereinigung der Berufsreiter im Deutschen Reiter- und Fahrerverband.

Auf der Webseite der deutschen Unesco heißt es: „Die klassische Reitlehre ist eine Ausbildungsmethode von Pferden, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und sich an den Bedürfnissen sowie den natürlichen und individuellen Anlagen des Pferdes orientiert.“

Die Methoden und Inhalte zur Ausbildung von Reitenden und Pferden hätten sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt und mit der Zeit die klassische Reitlehre geformt, die sowohl mündlich von Ausbildern an Schüler:innen weitergegeben als auch in diversen Schriften und Büchern festgehalten worden sei.

„So wie sie überliefert, gelehrt und praktiziert wird, orientiert sich die klassische Reitlehre laut den Trägergruppen an der Natur, das heißt an den Bedürfnissen sowie den natürlichen und individuellen Anlagen des Pferdes, berücksichtigt seine körperlichen Voraussetzungen und sein natürliches Verhalten. Die Arbeit mit einem Pferd gemäß der klassischen Reitlehre respektive der Richtlinien ist sowohl abwechslungsreich als auch vielseitig angelegt“, heißt es vonseiten der Unesco.
 

Pferde- und Reiterausbildung ‚Made in Germany‘

Seine Bemühungen um die Aufnahme in die Liste der immateriellen Kulturebe begründet der  Berufsreiterverband wie folgt:

„Intention für die Bewerbung war der Wunsch, das jahrhundertealte Wissen rund um das Kulturgut Pferd in der Geschichte des Menschen zu bewahren. Es geht um die zeitlose Ausbildung von Pferd/Reiter nach klassischen Grundsätzen und um die Ausbildung als jahrhundertealte Handwerks- und Kunstform, die regional, national und inzwischen auch international fast in der gesamten Welt betrieben wird, und auf der der weltweit einzigartige Berufsstand der Berufsreiter basiert.

Reiten gilt als gesundheitsfördernd, es bringt Bewegung an der frischen Luft und kann bis ins hohe Alter ausgeübt werden. Reiten ist naturverbunden und führt zu einem nachhaltigen Naturverständnis. Die Beschäftigung mit dem Pferd/Reiten hat besonders auf Heranwachsende einen positiven Einfluss und fördert neben körperlichen Fertigkeiten vor allem auch soziale Kompetenzen: Verantwortungsbewusstsein, Mut, Respekt, Durchhaltevermögen, Selbstbewusstsein, Teamgeist und Freundschaft.

Die Reiterei in Deutschland orientierte sich ab dem 19. Jahrhundert vor allem am Ausbildungssystem Eduard Gustav Steinbrechts (1808-1885), der als „Vater der deutschen Reitlehre“ gilt. Sein Buch „Gymnasium des Pferdes“ gilt heute noch als „die Bibel“ der klassischen Reitlehre deutscher Couleur und ist im weitesten Sinne die Grundlage der heute in Deutschland geltenden „Richtlinien für Reiten und Fahren“. Namen wie Stensbeck, von Heydebreck, Müseler, Lörke, Wätjen oder Bürger stehen für Reitmeister des 20. Jahrhunderts.

Die zeitlose, klassische deutsche Reitlehre übernimmt Verantwortung für die Kreatur. Sie orientiert sich an der Natur sowie den natürlichen und individuellen Anlagen des Pferdes, berücksichtigt seine körperlichen Voraussetzungen und sein natürliches Verhalten und ist bei regelkonformer Anwendung artgerecht und gesundheitsfördernd. Die klassische deutsche Reitlehre hat nichts mit dem Dressieren oder Unterwerfen eines Tieres zu tun, sie zielt vielmehr auf eine ausgewogene Gymnastizierung und Kräftigung seines Körpers und damit auf seine Förderung ab. Diese Arbeit eines Pferdes ist sowohl abwechslungsreich als auch vielseitig angelegt und schafft und erhält ein leistungsbereites, willig und vertrauensvoll mitarbeitendes Pferd. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der „Skala der Ausbildung“, die auf die H.Dv.12 zurückgeht. Die ‚Skala der Ausbildung/Ausbildungsskala‘ gilt inzwischen weltweit als das Markenzeichen guter Pferde-/Reiterausbildung ‚Made in Germany‘.“