14909509662584.jpg

Laura Graves führte die USA mit dem einzigen 80-Prozent-Ritt des Tages zur Zwischenführung im Dressur-Nationenpreis. © Cara Grimshaw/FEI

Dressur

Aachen: Laura Graves Top, Isabell Werth Flop

Ein Artikel von CHIO Aachen | Pamela Sladky | 20.07.2018 - 12:05

Satte 80,606 Prozent gaben die Richter der US-Amazone Laura Graves für ihre Vorstellung auf dem Florett As-Sohn Verdades im Grand Prix - dem ersten Teil des Dressur-Nationenpreises in Aachen. Ein starkes Ergebnis und die deutliche Führung. Aber Graves musste bis zum letzten Paar warten, ehe sie über ihren Sieg jubeln durfte. Denn als letzte Starter ritten Isabell Werth und Emilio im gut gefüllten Deutsche Bank Stadion ein. Allerdings verlief die Vorstellung des routinierten Paares nicht ganz sowie man es sonst von ihm gewohnt ist.

Den ersten dicken Patzer gab's bereits in der ersten Piaffe. Da machte Emilio Ansätze zu steigen. Isabell Werth managte diese Situation mit der gewohnten Routine. Allerdings blieb es nicht bei diesem einen Aussetzer. Immer wieder wurde deutlich, dass dem Wallach etwas nicht passte. Die Fehler häuften sich, am Ende kam das Duo mit höchst wohlwollenden 72,516 Prozent aus dem Viereck. Rang 17, ein Negativrekord für Werth, den so niemand erwartet hatte. Erklären konnte sich die Rekordreiterin den missglückten Auftritt nicht so recht: „Ich weiß nicht, was passiert war. Da muss ich erst mal eine Nacht drüber schlafen. Für den Nationenpreis in Aachen stellt man sich eigentlich etwas anderes vor …“

Hinter der Siegerin Laura Graves platzierte sich die EM-Dritte Cathrine Dufour mit ihrem Caprimond-Sohn Cassidy an zweiter Stelle (78,494 Prozent). Obwohl auch sie einen dicken Fehler hatte, als der 15-jährige Wallach sich beim Übergang aus dem versammelten Schritt in die Passage erschreckte und einen Satz nach vorne machte. Aber danach war er gleich wieder konzentriert. „Ansonsten ist die Prüfung für uns aber sehr gut gelaufen“, betonte sie später.

Langehanenberg schafft das Wunder von Aachen

Rang drei könnte man ein wenig als das Wunder von Aachen bezeichnen: Gerade einmal vier Wochen ist es her, dass Helen Langehanenberg ihre zweite Tochter Finja zur Welt gebracht. Wenige Tage später kündigte sie an, in Aachen reiten zu wollen. Den Plan hatte sie schon im Frühjahr in Neumünster am Rande des Weltcup-Turniers von Neumünster verlautbaren lassen – mit dem Zusatz: „Das müsste dann aber schon eine Punktlandung sein.“ Tochter Finja tat ihr den Gefallen. Schon fünf Tage nach der Geburt saß Langehanenberg erstmals wieder auf ihrem Mannschaftseuropameister Damsey. Der war während der Babypause seiner Reiterin von ihrem „super Team“ fit gehalten worden und hatte nichts verlernt. Gut so, denn am Freitag rief die Bundestrainerin Monica Theodorescu bei Helen Langehanenberg an und teilte ihr mit, dass sie statt der CDI4*-Tour im Team für den Lambertz Nationenpreis reiten soll. „Da hatte ich erstmal drei Sekunden lang Schnappatmung“, so Helen Langehanenberg. Aber Nervosität ist ein Fremdwort für sie: „Ich bin eh nicht der Typ der aufgeregt ist. Und mehr als gut reiten kann ich ja nicht.“ Gut geritten ist Langenhanenberg. Mehr als das. 77,034 Prozent bedeuten einen persönlichen Aachen-Rekord für sie und Damsey im Grand Prix und das beste deutsche Ergebnis an diesem Tag. Monica Theodorescu kommentierte: „Ich kann das ja nicht beurteilen, weil ich nie ein Kind bekommen habe, aber dass sie so stark reitet – irre!“

Vierte im Preis der Familie Tesch wurde Jessica von Bredow-Werndl auf Aachen-Debütantin Dalera BB mit 76,848 Prozent. Für die elfjährige Trakehner Stute war dies erst der sechste Grand Prix ihres Lebens. Und die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich heute in Aachen präsentierte, erstaunte selbst ihre Reiterin: „Die geht da rein und rockt das Ding!“, freute sich nach ihrem gelungenen Auftritt.

Die vierte deutsche Mannschaftsreiterin Dorothee Schneider auf Sammy Davis Jr. wurde in der Gesamtwertung Sechste mit 75,916 Prozent. Die beiden lieferten einen super Ritt. Bis plötzlich ein Flitzer der besonderen Art über das Viereck hoppelte: Ein Hase hatte sich ins Deutsche Bank Stadion verirrt. Dorothee Schneider und Sammy Davis Jr. waren so konzentriert, dass sie das gar nicht gemerkt haben – obwohl Meister Lampe direkt über die Diagonale huschte, auf der Sammy gerade mit den Einerwechseln beschäftigt war. Ein Raunen ging durchs Publikum, das Dorothee Schneider zutiefst verunsicherte: „Ich wusste absolut nicht, was los war: Hatte ich mich verritten? Hat mein Pferd sein nicht vorhandenes Schweiftoupet verloren?“ Die Verwirrung war denn wohl auch Schuld, dass Sammy Davis Jr. einen Fehler in die Einerwechsel hatten. Trotzdem: Der Rest der Prüfung lief.

USA führen im Nationenpreis

Der Preis der Familie Tesch war der erste Teil des Lambertz Nationenpreis der Dressurreiter. Teil zwei ist der Grand Prix Spécial, der MEGGLE Preis. Es ist also noch nichts entschieden. Eigentlich hatte man damit gerechnet, dass die deutsche Mannschaft auch ohne den aufgrund eines Infekts verhinderten Cosmo von Sönke Rothenberger ein lockeres Heimspiel haben würde. Stattdessen liegen die Gäste aus Übersee mit 231,988 Punkten in Führung, gefolgt von Deutschland mit 229,798 Zählern und Dänemark, die es auf 223,106 Punkte brachten.

Ordentlich gepunktet hatten für die USA nicht nur die Siegerin Laura Graves, sondern auch Kasey Perry-Glass, die mit ihrem dänischen Diamond Hit-Sohn Goerklintgaards Dublet nach einer sehr harmonischen Runde mit 76,801 Prozent Fünfte wurde. Komplettiert wird das führende US-Team mit Adrienne Lyle auf Salvino (74,581 Prozent) und Steffen Peters mit Rosamunde (71,351).

Für die drittplatzierten Dänen reiten neben Cathrine Dufour auf Cassidy auch Anna Zibrandtsen mit Arlando (70,434), Anders Dahl auf Selten HW (70,093) und Daniel Bachmann Andersen mit Blue Hors Zack (74,177).

Belinda_Weinbauer_Soehnlein_Brilliant_Aachen18_P4I7808_Tomas_Holcbecher.jpg

Volle Kraft voraus: Belinda Weinbauer und Söhnlein Brilliant MJ im starken Galopp durchs Deutsche Bank Stadion
© Tomas Holcbecher/holcbecher.com

Durchwachsene 5*-Premiere für Weinbauer und Söhnlein Brilliant

Nicht ganz so wie erhofft lief die CDI5*-Premiere in Aachen für Belinda Weinbauer und Söhnlein Brilliant MJ. Für das Paar war es der erste Start seit dem Weltcupfinale in Paris, wo es mit einem starken zehnten Platz im Grand Prix begeistert hatte. Der erste Freilauftritt der Saison und die spannungsgeladene Atmosphäre im Deutsche Bank Stadion ließ den sonst so routinierten Hannoveraner von Shakespeare in Love offenbar nicht ganz kalt. "Söhnlein war doch etwas aufgeregt", gestand Weinbauer im Pferderevue-Interview. "Die Trabtour ist uns gut gelungen, damit war ich eigentlich sehr zufrieden. Richtig gepatzt haben wir nur in den Einerwechseln, aber die kosten halt doppelt. Insgesamt gab's ein paar kleinere Unsicherheiten, die in Aachen bei einer solchen Konkurrenz eben schwerer wiegen. Aber damit waren wir heute nicht alleine, wie man gesehen hat", meinte die Burgenländerin in Anspielung auf Isabell Werths Ritt. "Nach der Prüfung habe ich zu Isabell gesagt: 'Heute Nacht kann ich sicher besser schlafen, weil ich weiß, dass dir das auch passieren kann'", scherzte Weinbauer. 68,649 Prozent bedeuteten Rang 26 für die 42-Jährige.

Für den Spécial am Samstag hat sich die Belinda Weinbauer vor allem eines vorgenommen: "Keine Fehler machen, dann passt das schon." Luft nach oben hat das Paar allemal.

Die Ergebnisse im Detail gibt's hier.