Europameisterschaften Rotterdam 2019

Fucking Cool: Gold für Isabell Werth und Bella Rose

Ein Artikel von Ernst Kopica | PS | 22.08.2019 - 23:32
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Feiert ihr 19. EM-Gold, als wäre es ihr erstes: Isabell Werth (GER) © FEI/Liz Gregg

Isabell Werth ist die neue Europameisterin im Grand Prix Spécial. Im Sattel ihrer Fuchsstute Bella Rose knallte die amtierende Weltmeisterin eine fehlerlose Runde ins Dressurstadion, die ihr den siebenten EM-Einzel-Titel ihrer Karriere und die 19. EM-Goldmedaille einbrachte. Bella Rose zeigte sich heute einmal mehr von ihrer genialen Seite, sogar ihr eigentlicher Schwachpunkt, der Starke Trab, gelang besser als zumeist. Werth präsentierte die Belissimo-M-Tochter in schönem Rahmen, die Nase meist an oder vor der Senkrechten, leicht in der Anlehnung, dazu ungemein durchlässig. Den perfekten Rahmen für diese von großer Exaktheit und Harmonie geprägten Vorstellung lieferte die Stadionmusik, die gut und gerne auch als neue Kür-Musik von Werth und Bella Rose durchgehen hätte können.

„That was fucking cool today“, ließ Werth ihren Emotionen im Siegerinterview freien Lauf. Die erfolgreichste Reiterin aller Zeiten scheint auch nach dem gefühlt millionsten Sieg ihrer Karriere immer noch kein bisschen erfolgsmüde. Zumindest nicht, wenn sie im Sattel ihres Lebenspferdes Bella Rose sitzt. „Es ist einfach unglaublich, wie großartig sie heute war. Bella war total fokussiert, ich denke, Piaffe und Passage hätten sich heute sogar eine Zwölf verdient“, gab sich Werth überschwänglich. Die Zwölf gab’s zwar nicht von den Richtern, dafür aber jede Menge Zehner, in Summe landete das Paar auf 86,520 Prozent.

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Für Dorothee Schneider glänzte die Silbermedaille heute wie Gold.
© FEI/Liz Gregg

Große Emotionen sah man auch bei Werths Landsfrau Dorothee Schneider. Lange Zeit war sie mit Showtime in der Prüfung vor Isabell Werth gelegen. Der dunkelbraune Strahlemann zeigte energiegeladene, dynamische Trabverstärkungen und tolle Traversalen mit ungemein weitem Kreuzen, in der Passage hagelte es Neuner und immer wieder auch die Zehn.

Einen kleinen Schreckmoment gab es, als Schneider in den Einerwechseln aus dem Bügel rutschte. „Ich glaube, ich muss zurück an die Longe und ein bisschen an meinem Sitz arbeiten“, scherzte die sympathische Reiterin, die aus dem Strahlen gar nicht mehr herauskam. Kein Wunder, immerhin bedeuteten ihre 85,456 Prozent Platz zwei, EM Silber. Für Schneider ist es die erste Einzelmedaille ihrer Karriere. „Das ist der beste Tag meines Lebens. Im Viereck, das war heute wie Fliegen. Es war einfach ein großartiges Gefühl.“

Wie schon 2017 ging Bronze auch diesmal an die Dänin Catherine Dufour und ihren Routinier Cassidy. Die Sieger der CDI4*-Kür-Tour in Aachen zeigten einmal mehr einfach schönes Reiten, und zwar von der Grußaufstellung bis zum Schluss. Der 16-jährige Cassidy ließ sich sein schon etwas fortgeschrittenes Alter zu keinem Zeitpunkt anmerken. Die Passage mit viel Gummi, die Piaffe bergauf mit gutem Rhythmus und deutlich gebeugten Hanken, dazu Galoppwechsel zum Niederknien, schnurgerade, bergauf, mit viel Raumgriff – da mochte man von Anfang bis Ende gerne zusehen. Das empfanden wohl auch die Richter so, die das dänische Duo mit 81,337 Prozent für seine rundum gelungen Vorstellung belohnten.

Deutlich hinter den Erwartungen blieb der auf Gold mitfavorisierte Sönke Rothenberger. Für den jungen Deutschen läuft es bei dieser EM einfach nicht so, das zeigte sich bereits im Grand Prix am Dienstag und heute auch im Spezial. Dem Paar unterliefen teure Fehler. Die erste Piaffe gelang nicht optimal, weil Cosmo kurz davor äppeln musste, der nächste teure Patzer unterlief dem Paar in den Zweierwechseln und dann sprang Cosmo zu allem Übel auch noch zu früh aus dem starken Galopp um – in den Kreuzgalopp! Danach folgte noch ein Fehler in den Einerwechseln. Da half auch die starke Schlusslinie nichts mehr, das Paar fiel mit 78,116  Prozent auf Rang sechs zurück. Pech für Rotheberger: In der Kür sind nur maximal drei Reiter einer Nation startberechtigt, und da Jessica von Bredow-Werndl und Dalera für ihre Runde mit 78,541 Prozent bewertet wurden, wird nun dieses Paar das übermächtige Kür-Team der Deutschen komplettieren.

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Nach einem starken Auftakt häuften sich heute bei Florian Bacher und Fidertraum die Fehler.
© Tomas Holcbecher/holcbecher.com

Kein Glück für Florian Bacher

Für Florian Bacher, Österreichs einzigem Vertreter im Grand Prix Spécial, begann die Prüfung eigentlich ausgezeichnet, denn nach der Piaffe-Passage-Tour lag er bei 71,5 Prozent. Dann passierten dem EM-Debütanten und seinem Fidertraum aber drei teure Fehler, die sie schließlich auf 67,644 Prozent zurückwarfen. „Zur ersten Piaffe war er noch super drauf, aber zum Wenden gab es ein Missverständnis, da war auch das Angaloppieren kaputt. Dann fingen wir uns wieder und auch in den Einerwechseln dachte ich es geht, aber am Ende kam ein saublöder Fehler. Leider folgte auch im verstärkten Trab noch ein Taktfehler und mit diesen Patzern ist man einfach weg.“

So musste sich Bacher am Ende mit Rang 28 begnügen. Sein Gesamtfazit: „Die EM war auf alle Fälle eine super Erfahrung für uns und auch der Teamzusammenhalt war sehr gut. Speziell Karo Valenta, die kurzfristig eingesprungen ist, hat einen tollen Job gemacht. Zu meiner Leistung: Nachher ist man immer klüger, was man hätte besser machen können. Aber heute bin ich schon sehr enttäuscht, denn ich weiß, dass Fidertraum mehr kann.“
 

Brugger verpasst Kür-Finale knapp

Gar nicht zufrieden zeigte sich auch Österreichs vierter Para-Reiter Bernd Brugger nach seinem Ritt mit Bellagio im Grade IV. Mit den erzielten 66,293 Prozent verpasste er als Zehnter um 0,707 Prozent das Kür-Finale am Sonntag. „Ich bin schon sehr enttäuscht. Was dafür verantwortlich war müssen wir erst analysieren. Gemeinsam mit meinen Trainern sehen wir uns jetzt das Protokoll an und dann schauen wir weiter. Aber es ist schon frustrierend, wenn man viel Zeit und Arbeit, aber auch Geld investiert, und man bleibt immer bei den gleichen Noten hängen oder sie werden sogar schlechter. Natürlich gab es in der Prüfung ein paar Feinheiten, die man hätte besser machen können. Aber generell war ich mit meinem Ritt zufrieden.“

Jubeln durfte ein anderer Vertreter des Teams Austria: Pepo Puch nahm seine siebente EM-Goldmedaille in Empfang. Das Österreicherlager hatte endlich Grund zum Fahnenschwenken und der Parade-Para-Reiter strahlte: „Die Stimmung bei der Siegerehrung war echt toll, da war ja ordentlich was los. Mir hat es die Haare aufgestellt. An so was gewöhnt man sich nicht, das ist immer wieder schön. Jetzt geht es in den Stall, dort trinken wir einmal ein Bier!“

Alle Ergebnisse im Detail gibt es hier.