Dressur

Karoline Valentas Diego ist tot

Ein Artikel von Pamela Sladky | 02.07.2020 - 16:09
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Karoline Valenta und ihr Diego bei einem der vielen Highlights ihrer gemeinsamen Karriere - dem ersten gemeinsamen Start beim CHIO in Aachen.
© Tomas Holcbecher

Bei Karoline Valenta sind Trauer und Schmerz über den Verlust groß. Diego war nicht nur das Pferd, mit dem sie erfolgreich den Weg von den Jungen Reitern bis zur Allgemeinen Klasse bestritt, er war viel mehr als das. Ihr ein und alles, ihr Lebensmittelpunkt, wie die 27-jährige Niederösterreicherin selbst sagt.

Der Schock über die Ereignisse vom 25. Mai sitzt immer noch tief. „Weil es regnete, wollten die Pfleger die Pferde von den Paddocks in den Stall bringen. Dabei bemerkten sie, dass Diego nicht mehr auf seinen linken Vorderfuß auftreten konnte. Schon als ich den Anruf erhalten habe, habe ich gespürt, dass es ernst ist, obwohl man noch versucht hat mich zu beruhigen. Im Stall stand Diego gleich in einer Box neben dem Paddock. Weiter hat er es nicht geschafft. In dem Augenblick, als er mich sah, hat er mir laut entgegengewiehert. Ich konnte seine Angst und seinen Schmerz in seinen Augen erkennen. Er hat mir sogar sein Bein entgegengestreckt, ganz so, als ob er mir zeigen wollte, dass er sich verletzt hat. Es war herzzerreißend, aber ich wusste, ich muss stark sein und ihn beruhigen, bis die Tierärzte kommen“, schildert Karo die bangen Momente. Leider sollten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten.

„Der Anblick der sich Dr. Sterrer, Diegos langjährigem Tierarzt, und mir beim Entfernen der Bandage bot, ließ meinen größten Albtraum Wirklichkeit werde. Diego wurde geröngt, die Bilder wurden an alle Kliniken weitergeleitet – die Tierärzte haben super schnell reagiert. Alles was ich wollte war ihn zu retten. Ich hätte ihn sein restliches Leben gepflegt und einfach nur liebgehabt. Ich wäre nie wieder aufgestiegen, ich wäre bereit gewesen alles zu tun. Nur gehen lassen wollte ich ihn nicht. Aber leider konnte keiner der Tierärzte meine Hoffnung bestätigen, dass man noch etwas machen kann.“


Bilderbuchkarriere

Diego, ein Hannoveraner von Desperados aus der Zucht von Klaus Michaelis in Niedersachsen, kam 2013 im Alter von sieben Jahren zu Karo Valenta. Im April 2014 gab das Paar beim Osterturnier in Stadl-Paura sein internationales Debüt. Schon da zeigte sich, dass sich hier zwei mit Potenzial für mehr zusammengefunden hatten. Der erste 70-Prozent-Ritt konnte bereits beim dritten gemeinsamen Auftritt abgehakt werden. Ein Monat später, beim CDI in Lipica, gab’s gleich drei davon – und drei Siege en suite. Das nächste Debüt stand nur sechs Wochen später ins Haus: Bei den Nachwuchseuropameisterschaften in Arezzo (ITA) ging das Duo als Teil der österreichischen Junge-Reiter-Equipe an den Start – und qualifizierte sich auf Anhieb für das Kürfinale der besten 18, das es auf dem respektablen 13. Platz beendete.

Die 2015er Saison starteten Karo und Diego als Vorbereitung auf die U25-Klasse in der Kleinen Tour – und auch da ließen die Erfolge nicht lange auf sich warten. In Stadl-Paura und Caselle di Sommacampagna (ITA) landete das Paar wiederholt auf dem Podest.

Einer der gemeinsamen Karrierehöhepunkte war sicherlich die Heim-U25-EM in Lamprechtshausen im September 2017. Bereits im Teambewerb präsentierten sich die Betriebswirtin und ihr Rappe in absoluter Top-Form, die Richter werteten das von Erfolgstrainer Christian Schumach gecoachte Duo mit einem sechsten Platz mitten ins hochkarätig besetzte Spitzenfeld. Nur ein paar Hundertstelprozent verhinderten in der darauffolgenden Einzelentscheidung die Bronzemedaille für das rot-weiß-rote Erfolgspaar. Doch die Blecherne glänzte an diesem Tag für Karo Valenta und Dressur-Österreich fast wie Edelmetall.

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Um ein Haar wäre es Bronze geworden: Karo und Diego bei der U25-Heim-EM in Lamprechtshausen © Fotoagentur Dill

Nach der wetterbedingten Absage des EM-Kür-Finales feierte das Duo anlässlich der Amadeus Horse Indoors einen umjubelten Kür-Sieg mit über 76 %. Zum Drüberstreuen wurde das Paar bei diesem Anlass auch noch mit der Auszeichnung „Rookie of the Year 2017 Dressur“ geehrt.

2018 beendeten Karo und Diego ihre gemeinsame U25-Karriere mit einem erfolgreichen Start beim CHIO Aachen und weiteren Top-Platzierungen bei der EM in Exloo. Der Übergang in die Allgemeine Klasse gelang scheinbar mühelos. Das zeigte sich im Oktober desselben Jahres beim CDI-W im polnischen Zakrzow, das mit zwei Top-Ten-Platzierungen und ersten Weltcuppunkten nicht viel besser hätte laufen können.

Auf diese gelungene Premiere folgten weitere starke Turnierauftritte, die dem Duo eine Nominierung als Reservepaar für die EM 2019 in Rotterdam einbrachte – Karos erklärtes Saisonziel, das Mitte August nach dem kurzfristigen Ausfall von Victoria Max-Theurer tatsächlich Wirklichkeit wurde. Trotz der kurzen Vorbereitungszeit und des großen Drucks (für Österreich stand nicht weniger als die Olympiaqualifikation auf dem Spiel) behielten die Nachrücker die Nerven und erzielten in der ersten und traditionell eher niedrig bewerteten Startgruppe gute 69,379 % – das zweitbeste Ergebnis der rot-weiß-roten Equipe.

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Karo Valenta und Valenta's Diego bei der EM 2019 in Rotterdam - das Championatsdebüt des Paares in der Allgemeinen Klasse
© Tomas Holcbecher

Zwischen Genie und Wahnsinn

„Es war nicht immer leicht mit Diego, er war ein Pferd zwischen Genie und Wahnsinn", erinnert sich Christian Schumach, der das Erfolgsduo von Anfang an als Trainer begleitet hat. "Aber im Laufe der Jahre sind wir als Team zunehmend zusammengewachsen. Da war einfach grenzenloses Vertrauen da. Zwischen Karo und Diego zum einen. Aber auch zwischen den beiden und mir als Trainer. Das macht mich unheimlich stolz. Die Arbeit war eine Herausforderung, Diego hat uns immer wieder Rätsel aufgegeben. Aber wenn es darauf ankam, hat er 150 Prozent gegeben“, so Schumach. Für ihn sind Karo Valenta und Diego das Meisterstück seiner bisherigen Trainerlaufbahn. „Mitzuerleben, wie die beiden über sich hinausgewachsen sind und sich immer wieder selbst übertroffen haben, das war schon etwas ganz Besonderes. Ich bin wahnsinnig dankbar für die gemeinsame erfolgreiche Zeit. Für mich wird Diego immer ein Ausnahmepferd bleiben, das es mit den Besten der Welt aufnehmen konnte.“
 

 Schmerzlicher Abschied

"Es fällt mir immer noch sehr schwer, das alles zu realisieren und zu verkraften", sagt Karo Valenta. „Das ist eine harte Zeit für mich. Ich habe mich lange geweigert mit jemanden über diese Geschichte zu sprechen. Aber Diego war etwas ganz Besonders und deswegen will ich ihn auch verabschieden, wie er es verdient hat. Ich möchte nicht, dass er einfach verschwindet, als ob er nie dagewesen wäre.

Ich kann nicht in Worte fassen welches Loch Diego hinterlässt. Als ich nach unseren ‚Highlights‘ gefragt wurde konnte ich die Frage gar nicht beantworten. Diego selbst war einfach mein Highlight. Wir haben so viele Emotionen gemeinsam durchlebt, die ich gar nicht beschreiben kann.

Alle, die uns kennen wissen, was für eine unglaubliche Verbindung wir zueinander hatten und wie sehr wir einander vertraut haben. Ich habe Diego nicht nur meine gesamte Karriere zu verdanken, sondern so viel mehr. Er war nicht nur mein Pferd, er war mein bester Freund, ihm konnte ich nichts vormachen, er kannte meine Stimmungslagen oft besser als ich selbst. Er war mein Lehrer, er hat mich immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt, aber er mich etwas ganz Wichtiges für mein Leben gelehrt: Egal wie groß die Herausforderung ist, verlier unser Ziel nicht aus den Augen und hör auf unser Gefühl - denn gemeinsam schaffen wir alles!

Und dann war er auch sehr oft wie ein unsicheres Kind, das ganz viel Bestätigung, Zuspruch und Sicherheit gebraucht hat, damit er sich entfalten konnte. Auch wenn ich im Moment einfach sehr verloren bin ohne ihn, bin ich dankbar, dass ich ihm diese Sicherheit und Geborgenheit bis zur letzten Sekunde geben konnte und er mit ganz viel Liebe und Zuspruch auf meinem Schoß in Ruhe einschlafen konnte."

Wie geht es weiter?

Der Tod des Hannoveraners hinterlässt eine große Lücke. Emotional, aber auch sportlich. Ein Nachwuchspferd hat Karo Valenta derzeit nicht. Darüber, wie es weitergehen soll, hat sich die Niederösterreicherin noch keine Gedanken gemacht. „Wir haben zwei Pferde selbst gezüchtet, einen Hengst, der nun zwei Jahre alt wird und eine Stute, die wie ein kleines Wunder vor drei Tagen zu meinem Geburtstag auf die Welt gekommen ist und plötzlich in der Früh auf der Koppel stand. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt."