EM Riesenbeck

Paris, wir kommen! Österreichs Dressur-Team löst Olympiaticket, Briten gewinnen Gold

Ein Artikel von Ernst Kopica | 07.09.2023 - 17:39
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Victoria Max-Theurer und Abegglen lieferten mit 73,23 % den Highscore im österreichischen Team.
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Equipechefin Uschi Barth jubelte nach der fixen Qualifikation: „Liebe Grüße an die Springreiter, wir kommen auch! Nein im Ernst, das ist mehr als positiv. Denn es ist schwer so eine Leistung zu planen. Das ist nur möglich wenn jeder das abliefert was möglich ist. Und das ist gelungen. Es hat keiner umgeschmissen, keiner unter 70 Prozent!“ Teamgeist vor Einzelleistung, diese Taktik hatte sich bezahlt gemacht.

Für die 38-jährige Victoria Max-Theurer war die Europameisterschaft in Riesenbeck bereits die zehnte in ihrer erfolgreichen Karriere. Seit drei Jahren reitet sie Abegglen und war mit ihm schon vor zwei Jahren bei der EM in Hagen am Start, damals erreichten die beiden im Grand Prix 73,106 %. Diesmal waren die Umstände ungleich nervenaufreibender, aber die Oberösterreicherin bewies in der Morgensession, dass man immer mit ihr rechnen kann. Am Ende standen 73,230 % am Scoreboard, ein etwas verwackelter Schritt kostete leider ein paar Punkte. Aber sonst konnte das gesamt Team zufrieden sein.

Das fand auch Vici selbst: „Er ist ein sehr sensitives Pferd und wir wollte kein volles Risiko eingehen. Ich wollte ihm Vertrauen geben, sicher kann man die eine oder andere Lektionen noch besser reiten. Beim Einreiten merkte man ihm noch an, 'hoppla jetzt gehts los!', dann war er aber doch super relaxed. Im Schritt war er sicherlich etwas hibbelig, aber er ist ein sensibles Pferd, da kann das passieren. Dafür gab es wieder andere Highlights, ich denke es war sehr harmonisch, was wir zeigten. Wir sind happy, dass wir fürs Team ein solides Ergebnis abgeliefert haben und ich bin auch dankbar, dass ich dabei sein darf!“

Etwas ungewohnt war die Startreihenfolge für die fünffache Olympiateilnehmerin: „Wir haben das im Team so durchgesprochen und es ist bisher alles gut aufgegangen. Ich bin ja auch schon als Zweite oder Dritte geritten, wir sind da flexibel!“

Auf ihre Zusammenarbeit mit Isabell Werth angesprochen, die hier in Riesenbeck ja selbst Wettkampfstress hat und sich trotzdem erstaunlich intensiv beim Team Austria einbringt, meinte Max-Theurer: „Die Zusammenarbeit beim Abreiten und ihre Tipps sind so wertvoll und ich bin froh, dass sie sich die Zeit nimmt für mich und Stefan, mittlerweile hat sich da eine richtige Freundschaft entwickelt hat.“

Am Vormittag gab sich ihr Freund Stefan Lehfellner noch entspannt und locker und bekannte: „Ich bin bei Vicis Ritten viel nervöser als bei meinen eigenen. Natürlich hat man als Schlussreiter eine etwas höhere Anspannung, aber das gehört einfach beim Sport dazu.“
 

Ritt auf der Rasierklinge

Vor dem Schlussreiter lag Österreich damit sogar sensationell auf Rang 5! Aber die unmittelbaren Konkurrenten Spanien, Portugal und Belgien lauerten nur knapp dahinter. Und man konnte die Spannung im Stadion förmlich spüren als Stefan Lehfellner auf seinem Roberto Carlos einritt. Beim Interview bekannte Lehfellner dann auch: „Das war ein Ritt auf der Rasierklinge!“ Und die Richter blieben mit ihren Noten anfangs noch zurückhaltend, erst gegen Ende der Prüfung wagten sie sich in die 75%-Zone. Am Ende wurden es 71,165 % und das rot-weiß-rote Team musste abwarten was in den folgenden Ritten passiert.

Aber gleich beim nächsten Teilnehmer, dem Spanier Juan Antonio Jimenez Cobo, war die Messe gelesen - Österreich hatte die Qualifikation geschafft! Und ein erleichterter und jubelnder Stefan Lehfellner stellte sich den Reporterfragen. „Das war wirklich ein Ritt auf der Rasierklinge, wie so oft mit Roberto. Der Ritt zeigte mir aber, dass wir beide sehr stark zusammengewachsen sind. Ich kenne ihn gut und weiß, was ich wann machen kann, damit ich verhindere, dass er seine Geister sieht. Wir waren hier um uns für unser Land für Olympia zu qualifizieren, und dass wir es geschafft haben, ist fantastisch!“

Später analysierte er noch detaillierter: „Der Ritt war im Vergleich zu Aachen etwas unsicherer gewesen, weil er mehr geguckt hat und nicht so an meinen Hilfen blieb. Nichtsdestotrotz hat er die Kernlektionen des Grand Prix gut absolviert. Ich bin sehr stolz, dass er das heute so gemacht hat.“ Aber Lehfellner konnte auch auf seine Leistung stolz sein: „Die Umstände bei so einer Veranstaltung machen schon sehr viel Druck. Natürlich war ich auch vorher nervös, aber sobald ich einreite weiß ich, dass ich alles geben muss und mich auf mein Pferd verlassen kann.“ Und ähnlich wie Christian Schumach und Te Quiero am ersten Tag gelang dem Paar eine fulminante Schlusslinie, die sich auch mit wichtigen Punkten in der Wertung niederschlug.


Max-Theurer und Bacher im Spécial

Neben der Freude über das große Ziel Paris gibt es auch noch ein Zuckerl für Victoria Max-Theurer (17. im Grand Prix) und Florian Bacher ( 24.): Sie dürfen am Freitag auch im Grand Prix Spécial der Top-30 antreten, Stefan Lehfellner verpasste die Teilnahme als 32. nur knapp, Christian Schumach wurde 39.


Österreichischer Pferdesport im Höhenflug

Die letzten Wochen brachten damit Riesenerfolge für den österreichischen Pferdesport, der bei den Europameisterschaften mit Qualität aufhorchen ließ.

Und so wird Österreich in Paris mit jeweils drei Reiter:innen plus Ersatzreiter fix in Dressur und Springen vertreten sein. In der Vielseitigkeit liegt Lea Siegl in der Einzelqualifikationsliste souverän in Führung und hat damit ebenso die Chance bei Olympia dabei zu sein. Das letzte Mal war es in Athen 2004, dass Österreichs Reitsport zwei komplette Teams (damals Dressur und Vielseitigkeit) entsenden konnte.

Die beiden übrigen Startplätze für Paris eroberten bei der EM übrigens die Belgier und die Spanier, während Portugal in allerletzter Sekunde auf der Strecke blieb. Der Kampf um die Mannschafts-Medaillen war eine klare Sache: Großbritannien holte Gold, die Deutschen gewannen Silber und Bronze wanderte nach Dänemark.
 

1:0 für Dalera

Im lange erwarteten direkten Schlagabtausch zwischen "Olympiasiegerin Dalera" und "Weltmeister Glamourdale" ging die erste Runde ganz klar an Jessica von Bredow-Werndls Superstute. Dem deutschen Dreamteam gelang vielleicht der beste Grand Prix seiner bisherigen Karriere, 84,612 % bedeuteten jedenfalls ein neues Personal Best für das Erfolgsduo, während Glamourdale unter Charlotte Fry (GBR) heute vor allem in den Piaffen einige Punkte liegen ließen. Mit 81,258 mussten sich die Doppelweltmeister sogar hinter ihren Teamkollegen Charlotte Dujardin und Imhotep (82,422 %) einreihen.

Alle Ergebnisse im Detail gibt's hier.