Justin Verboomen und Zonik Plus begeistern die Dressurwelt - nicht nur durch technische Qualität, sondern vor allem durch ihre tiefe Verbundenheit und ihr harmonisches Miteinander. © FEI/Leanjo de Koster
2025 war das Jahr von Justin Verboomen. Wie aus dem Nichts tanzte er sich mit seinem erst neunjährigen Hengst Zonik Plus beim CHIO Aachen in die erste Reihe und verblüffte mit zwei Siegen, vor Isabell Werth und Wendy de Fontaine. Für die Europameisterschaften in Crozet galt das belgische Paar damit auf Anhieb als enger Favorit – und bestätigte diese Einschätzung mit den Einzeltiteln im Grand Prix Spécial und in der Kür. Für Verboomen, der sich im ruhigen Umfeld seiner Stallungen wohler fühlt als im Rampenlicht, war es ein kometenhafter Aufstieg. Im exklusiven Gespräch mit Equita Lyon lässt er die für ihn ebenfalls völlig unerwartete Saison Revue passieren und gibt Einblicke in seine Gefühlswelt.
Ihre Saison 2025 war ein echter Wendepunkt – mit Crozet und Aachen. Für viele ist 2025 bereits das „Jahr Verboomen“. Wie war es für Sie, plötzlich im Rampenlicht zu stehen, und wie kam es überhaupt dazu?
Das war alles völlig unerwartet. Wir haben im November 2024 mit einem kleinen internationalen Turnier begonnen. Für 2025 war eigentlich nichts geplant, und am Ende hat sich einfach alles wunderbar gefügt. Wir wurden nach Mechelen eingeladen – das lief wirklich gut. Dann beschlossen wir, auch in Lier zu starten, um in der Nähe zu bleiben und dem Pferd lange Reisen zu ersparen. Alles ergab sich ganz natürlich – aber geplant war ursprünglich überhaupt nichts.
Ist dieser Erfolg für Sie vornehmlich eine große Befriedigung, oder erhöht er den Druck, ständig Bestleistungen zu bringen?
Der Druck war immer da. Aber ich mache ihn mir selbst – da brauche ich niemanden von außen!
Wenn Sie Ihre Saison 2025 mit einem Wort beschreiben müssten – welches wäre das?
Einfach ... unwirklich.
Sie haben im Grand Prix Spécial von Aachen erstmals die 80 % überschritten. In welchen Bereichen sehen Sie noch Entwicklungspotenzial, um Ihre Leistung auf das nächste Niveau zu bringen?
Vor allem in Präzision und Entspannung des Pferdes. Er ist noch sehr jung und hatte bislang nur wenige Turniere. Ich glaube, je mehr Erfahrung er sammelt, desto schneller wird er sich auf Turnierplätzen entspannen. Ich hoffe, dass ich ihn dabei bestmöglich unterstützen kann, damit wir gemeinsam weiter Fortschritte machen.
Erzählen Sie uns, wie Sie Zonik Plus zum ersten Mal begegnet sind. Was hat Sie sofort an ihm fasziniert?
Ich war in Portugal unterwegs, um ein Pferd zu suchen. Ich hatte schon einige gesehen, aber keines hat mich wirklich überzeugt. Am Ende des Tages meinte ein Freund: „Ich glaube, ich habe vielleicht ein Pferd für dich.“ Wir fuhren zu einem Stall, und die Pferde wurden eines nach dem anderen in die Außenbahn gebracht ... und dann erschien Zonik. Schon als ich ihn in der Ferne sah, dachte ich: „Das kann nicht sein, dass sie dieses Pferd verkaufen wollen.“ Er war einfach großartig – ausdrucksstark, mit drei hervorragenden Grundgangarten und einer Sensibilität, die mich sofort berührte.
Man sagt, ein Pferd spiegele seinen Reiter wider – was, glauben Sie, verrät Zonik Plus über Sie?
Wir teilen eine tiefe Verbundenheit, die er mir jeden Tag zeigt. Das berührt mich am meisten. Er ist so sanft und freundlich – kein Funken Bosheit in ihm, was bei Pferden ohnehin selten ist – und immer positiv, gut gelaunt. Er ist ein Sonnenschein.
Wenn Sie Ihre Beziehung zu Zonik Plus mit einem Wort beschreiben müssten – welches wäre das?
Schwer zu sagen. Es lässt sich nicht in einem Wort ausdrücken. Ich liebe mein Pferd wirklich. Er ist mein Lebensgefährte. Ohne ihn hätte ich wahrscheinlich nicht erreicht, was wir dieses Jahr geschafft haben. Alles, was jetzt passiert, verdanke ich zum großen Teil ihm. Meine Zuneigung zu diesem Pferd war immer aufrichtig, und dieses Jahr hat unsere Bindung nur noch stärker gemacht.
Sie standen dieses Jahr wiederholt auf dem Podium – manchmal sogar vor Ikonen wie Isabell Werth. Wie sind Sie mit dieser plötzlichen Veränderung umgegangen?
Es ging alles sehr schnell. Vielleicht sogar zu schnell. Aber es war völlig unerwartet. Mein Ziel war einfach, mein Bestes zu geben. Bis jetzt hat das funktioniert. Wir werden sehen, was kommt.
Obwohl alles so rasant läuft, betonen Sie oft die Bedeutung von Geduld. Können Sie ein Beispiel nennen, wo Sie bewusst gewartet haben, bevor Sie einen Schritt weitergegangen sind?
Es ging weniger darum, mit bestimmten Lektionen zu warten – Zonik war sehr früh sehr talentiert. Aber ich wollte mit dem Einstieg in die Grand-Prix-Klasse warten. Er war schon länger bereit, doch ich wollte mir Zeit lassen, ihn nur auf wenige Turniere schicken, damit er reifen kann.
Die Anforderungen im Dressursport entwickeln sich hin zu noch mehr Harmonie. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Diese Entwicklung hat uns in diesem Jahr wahrscheinlich in die Karten gespielt. Und auf gewisse Weise strebe ich diese Harmonie täglich in meiner Arbeit an – mit all meinen Pferden. Ich versuche, zur Reinheit der Bewegung zurückzukehren. Auf Turnieren ist das schwierig, weil die Atmosphäre dort ganz anders ist, aber wir arbeiten stetig daran.
Sie gelten als das neue Gesicht des belgischen Dressursports. Glauben Sie, dass es so etwas wie einen „belgischen Stil“ gibt?
Nein, eigentlich nicht. Ich treffe mich mit anderen belgischen Reitern, wir tauschen uns aus, sprechen über unsere Erfahrungen – und wir alle verfolgen dasselbe Ziel: noch mehr Harmonie zu erreichen. Das gilt für alle Reiter, egal aus welchem Land. Auch ich arbeite in meinem eigenen Stil darauf hin.
Sie haben in der vergangenen Saison ein spektakuläres Weltcup-Debüt gegeben. Was sind Ihre Ziele für das kommende Jahr?
Mein Hauptziel sind die Weltmeisterschaften 2026. Für das nächste Jahr ist noch nichts entschieden – ich möchte sehen, wie sich Zonik entwickelt, und das Programm entsprechend anpassen. Das Ziel ist, dass er sich ruhig und kontinuierlich weiterentwickelt.
Das Rampenlicht ist nicht seine Welt, in Interviews fehlen ihm oft die Worte - am wohlsten fühlt sich Justin Verboomen im Stall, in der freien Natur und im Kreis seiner Familie. © FEI/Leanjo de Koster
Sie gelten als stiller Reiter, der sich im Rampenlicht nicht besonders wohlfühlt. Wie kommen Sie mit dieser plötzlichen Bekanntheit zurecht?
Um ehrlich zu sein – nicht sehr gut. Ich bin gerne im Stall, in ruhiger Umgebung, mit den Menschen, mit denen ich täglich arbeite. Da fühle ich mich am wohlsten und konzentriertesten. Ich habe nichts gegen Journalisten, aber dieser Teil des Jobs fällt mir schwerer.
Gab es in Ihrer Karriere Momente, in denen Sie daran gezweifelt haben, dieses Niveau zu erreichen?
Natürlich. Ich glaube, jeder von uns hat Zweifel – besonders, wenn man mit Pferden arbeitet. Es hängt auch davon ab, wem man begegnet: Trainern, Pferden, Besitzern. Ich hatte das Glück, auf Menschen zu treffen, die mir sehr geholfen haben – und Zonik ebenfalls. Aber ja, es gibt diese Momente, in denen man sich fragt: „Werde ich das je schaffen?“
Welche Opfer fielen Ihnen in Ihrer Karriere am schwersten?
Die persönlichen – vor allem in Bezug auf Familie und Freunde. Was wir tun, erfordert so viel Zeit und Einsatz. Man muss sich voll und ganz hingeben.
Wenn Sie nicht reiten – wie schaffen Sie es, abzuschalten und eine Balance zu finden?
Am besten entspanne ich zuhause. Ich habe das Glück, an einem wunderschönen Ort zu leben, umgeben von meinen Tieren, meinen Hunden und meiner Familie. Dort kann ich wirklich abschalten. Ich liebe die Natur, brauche frische Luft, Bewegung draußen. Ich bin ein Mensch, der im Freien leben muss.
Gibt es Persönlichkeiten – aus dem Reitsport oder anderen Bereichen – die Sie besonders inspirieren?
Wenn ich eine nennen müsste, dann wäre es eindeutig Carl Hester. Ich bewundere seine präzise und klassische Reitweise sehr. Es gibt viele andere, die ich nennen könnte – aber wenn ich nur eine Person wählen dürfte, dann ihn.
Was war bisher der Höhepunkt Ihrer Karriere – Crozet, Aachen ... oder vielleicht ein persönlicher Moment, den niemand kennt?
Dieses Jahr ganz klar Aachen. Es war das erste Mal, dass ich auf einem so großen Turnier gestartet bin. Ich war tief berührt von der Reaktion des Publikums – es schien genau das zu fühlen, was ich empfinde, wenn ich mit Zonik reite. Das war unglaublich bewegend. Das deutsche Publikum jubelte einem bis dahin unbekannten belgischen Reiter zu – einfach unvergesslich.
Zwei Siege beim CHIO Aachen - für Justin Verboomen bislang das Highlight seiner Karriere © CHIO Aachen/Diana Wahl
Was lieben Sie am meisten an der Dressur – den Wettkampf, das tägliche Training oder den Auftritt vor Publikum?
Ganz klar das Training zuhause. Jeden Tag ein bisschen besser zu werden, das Gefühl mit dem Pferd zu verfeinern, es besser zu verstehen – das ist das, was mich antreibt. Der Wettkampf ist nur die Krönung dieser Arbeit, aber nicht das Ziel an sich. Die Pferde stehen im Mittelpunkt von allem, was ich tue. Sie sind der Grund, warum ich diesen Sport liebe. Mein Vater war Reiter und Ausbilder, ich bin mit Pferden aufgewachsen. Ihre Nähe, ihre Sensibilität – das hat mich inspiriert, von ihnen zu lernen und die Verbindung zu vertiefen. Und letztlich geht es mir genau darum, und nicht ums Gewinnen.