Zum Geburtstag

"Fahrsport ist super!"

Ein Artikel von Jaqueline Zimmermann | 12.07.2022 - 14:02
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Philipp Aigner meistert das Leben mit allen Höhen und Tiefen auf die beste Weise: mit einem Lächeln. © hippoevent

In Philipp Aigner hat der österreichische Fahrsport einen ganz besonderen Botschafter, und das nicht etwa, weil er ein Sportler mit Down-Syndrom ist, sondern weil der 30-Jährige durch seine Herzlichkeit und sein Einfühlungsvermögen im Umgang mit Menschen und Tieren sowie seine Liebe zum Gespannfahren die Fahrsportgemeinschaft weltweit begeistert. Und das zu Recht, denn der Oberösterreicher ist, was seinen Einsatz im Gespannfahrsport betrifft, ein richtiger Hansdampf in allen Gassen: Er hält nicht nur gerne selber die Leinen in der Hand, sondern ist auch ein begehrter Groom, Turnierhelfer bei nationalen und internationalen Veranstaltungen und hochtalentierter analytischer Hobby-Parcoursdesigner.


Von Klein auf dabei

Philipp, der „fast auf der Kutsche geboren wurde“, wie seine Mutter lachend erzählt, besuchte bereits sein erstes Fahrturnier im Wagen – genauer: im Kinderwagen. Und für seine ersten Gehversuche hat sich Philipp den Kegelparcours eines Fahrturniers ausgesucht. Seine pferdesportliche Karriere begann er jedoch zunächst im Sattel und feierte als Reiter auch seine ersten sportlichen Erfolge, etwa bei den Vereinsmeisterschaften des RFV Viechtwang. Doch es zog ihn immer mehr auf den Kutschbock, und schließlich lernte Philipp mit dem Shetland Pony Karli das Gespannfahren. Auch hier ließen die ersten Erfolge nicht lange auf sich warten, und er bewies sein Talent bei Wettkämpfen. „Fahrsport ist super! Das Fahren ist einfach meine große Liebe, und gemeinsam mit dem Pony zu lernen und zu trainieren, ist so schön. Jede Stunde auf der Kutsche ist eine tolle Zeit. Wenn ich absteige und das Pony in den Stall bringe und versorge, freue ich mich schon auf das nächste Mal“, schwärmt Philipp.

Unterstützung findet der bemerkenswerte junge Mann bei seiner Familie, die selbst tief mit dem Gespannfahrsport verbunden ist. Bereits Harald Aigner, der Großvater von Philipp, war internationaler FEI Parcoursbauer und ist als Fahrsportrichter der höchsten Kategorie in Österreich aktiv. Großmutter Gerda ist eine immer willkommene Hilfe bei Turnieren und Fahrsportveranstaltungen. Philipps Mutter Astrid ist als Groom (auch bei Großevents wie den FEI World Equestrian Games), als Parcoursdesignerin und als Gespannfahrerin im Einsatz. Somit dreht sich im Hause Aigner irgendwie immer alles um den Fahrsport, häufig wird intensiv über Dressurergebnisse, Hindernispläne und Regeln diskutiert. Der Humor bleibt dabei aber nicht auf der Strecke, und es wird viel und ausgiebig miteinander gelacht – was nicht zuletzt an Philipp und seinem sonnigen Wesen liegt: „Unser Philipp ist ein ganz besonderes Geschenk des Himmels“, sagt Großvater Harald liebevoll über seinen Enkel.

Philipp hat viel von der jahrelangen Erfahrung seines Großvater profitiert, ihm verdankt er sein umfassendes Wissen über den Sport, dessen Tradition und Kultur. Mittlerweile kennt er das Regelwerk besser als viele andere Fahrer und lässt es sich auch nicht nehmen, ’mal eine Kurssetzung seines Opas zu kritisieren, seine Meinung kundzutun oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

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Auf dem Kutschbock fühlt sich Philipp Aigner am wohlsten – natürlich stets top gestylt. © Daria Borovleva | hippoevent

Außergewöhnlicher Schüler

Derzeit trainiert Philipp mit dem vielfachen Österreichischen Staatsmeister Rudolf Pirhofer, der den jungen Mann voller Vertrauen seine besten Pferde im Stall fahren lässt. Casanova, der mit Jacqueline Pirhofer bei Welt- und Europameisterschaften erfolgreich war, ist der aktuelle vierbeinige Trainings- und Turnierpartner von Philipp. „Dass ich Casi fahren darf, ist super, von ihm kann ich so viel lernen!“, erzählt Philipp voller Begeisterung von dem Pony, mit dem er auch schon bei Fahrertreffen erfolgreich war. Aber auch das bekannte Österreichische Warmblut Baritello, mit dem Rudi Pirhofer zweimal an Einspänner-Weltmeisterschaften teilgenommen hat, darf Philipp regelmäßig fahren. „Es ist wirklich eine große Freude, mit Philipp zu fahren, ihn auszubilden und zu trainieren. Er ist mit so viel Engagement und Begeisterung bei der Sache“, freut sich Rudi Pirhofer über seinen besonderen Schüler. „Ich gebe ihm oft theoretische ,Hausaufgaben‘ wie zum Beispiel das Zeichnen von Hufschlagfiguren oder Hindernispassagen, und er meistert das alles vorbildlich. Philipp hat so viel Talent und versprüht so viel Freude beim Fahren, dass ich mich wirklich auf jede Trainingseinheit mit ihm freue. Außerdem ist Philipp am Turnier mein bester Beifahrer, er merkt sich so manchen Kegelparcours besser als ich“, schätzt Pirhofer das beeindruckende Gedächtnis von Philipp für Kegelparcours und Marathonhindernisse.

Diese bemerkenswerte Fähigkeit und sein gutes Gefühl für eine harmonische Linienführung sind auch in der Fahrsportszene gut bekannt, was Philipp zu einem gefragten Beifahrer macht. Und mit Philipps extrem gutem Gedächtnis für Parcoursskizzen hat auch schon so manch großer Parcoursbauer Bekanntschaft gemacht, als er von Philipp dabei ertappt wurde, eine Hindernispassage nicht zum ersten Mal gebaut zu haben.

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Philipp liebt seine Funktion als "Einlasser" bei Fahrsportturnieren © Ann Kathrin Drumm | hippoevent

Aktiv im Turniersport

Die Liebe zu den Pferden steht für Philipp an erster Stelle. Ob als aktiver Gespannfahrer, als Groom oder engagierter Turnierhelfer, wichtig ist für ihn: Der Sport muss pferdefreundlich und fair sein – und den Pferden und Athleten Spaß machen. Spaß ist für ihn auch bei einer seiner Lieblingstätigkeiten bei Turnieren ganz wichtig: Mit Begeisterung übernimmt er die Aufgabe, beim Einlass – stets mit Hut oder Zylinder top gekleidet – für Ordnung zu sorgen und jedem einzelnen Teilnehmer noch einmal aufmunternde Worte mit auf den Weg zu geben: „Für mich ist das eine ganz besondere und sehr ehrenvolle Aufgabe. Jeden Fahrer und alle Ponys begrüße ich beim Einlass und wünsche jedem Einzelnen viel Glück. Beim Hindernisfahren wird es dann ja richtig spannend. Ich und mein Glücksschweinchen fiebern dann mit jedem Gespann bei jedem Kegelpaar mit. Es ist mir eine Ehre, vor allen Teilnehmern den Hut zu ziehen, und wenn es für ein Gespann nicht so gut funktioniert hat, dann versuche ich, den Fahrer beim Rausfahren mit einem freundlichen Lächeln ein bisschen zu trösten. Dass das Daumendrücken für alle auch dazugehört, ist eh klar. Aber ein bisschen fester drücke ich schon für die österreichischen Fahrer“, berichtet er stolz von seiner wichtigen Aufgabe, die er auch schon mehrfach bei internationalen Turnieren in Österreich wahrgenommen und mit Bravour gemeistert hat.

Höhepunkt in seiner Karriere als „Portier“ war mit Sicherheit die Pony-WM in Minden (GER) 2017, und trotz des Leistungsdrucks freuten sich auch dort alle, wenn Philipp durch das Fahrerlager spazierte und für jeden freundliche und aufmunternde Worte hatte.


Ehre, wem Ehre gebührt

Philipps Freude, sein Engagement und seine Begeisterung blieben auch nicht unbemerkt und wurden 2014 entsprechend gewürdigt: Im Rahmen des International Drivingsport Congress erhielt er von keinem Geringeren als dem Vierspänner-Superstar Boyd Exell aus Australien den Hippoevent Award überreicht – eine Auszeichnung, die für Liebe und Achtung gegenüber dem Sportpartner Pferd und für die gelebte Begeisterung für den Fahrsport steht.

Besonders beim Fahren ist viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für den vierbeinigen Partner notwendig. Die Kommunikation, die nur über die Leinen und die Stimme möglich ist, funktioniert nur dann gut, wenn Fahrer und Pferde einander vollkommen vertrauen – und genau hier liegt die Stärke von Philipp Aigner, der wie alle Menschen mit Trisomie 21 (wie das Down-Syndrom auch genannt wird) die Gabe hat, Emotionen auf eine ganz besondere Art zu zeigen und zu leben. Seine sehr einfühlsame nonverbale Kommunikation und die enge Bindung zu seinem Pony Karli oder seinem Jack Russell Terrier Karlos sind dafür der beste Beweis.

2017 später sein Engagement und seine Leistungen ein weiteres Mal gewürdigt: Anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages am 21. März hat der oberösterreichische Privatsender LT1 einen Kurzfilm über ihn produziert. Dieser Film wurde alleine in den Social-Media-Kanälen über 800.000-mal angesehen.

Der Pferdesport und das intensive Miteinander mit den Sport- und Freizeitpartner Pferd haben bei Philipp maßgeblich dazu beigetragen, dass er in seiner Entwicklung und Integration so weit fortgeschritten ist. Er ist eine große Bereicherung für den Pferdesport und ein gutes Beispiel für das Wichtigste in diesem Sport: die Liebe zu den Pferden. Er ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie man besondere Herausforderungen am besten meistert: mit einem Lächeln.