Zucht

Deutschlands erste reine Embryonen-Auktion startet

Ein Artikel von Eva Schweiger | 24.07.2021 - 15:12
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Viele Sportpferde entstehen heute bereits unter Einsatz von Embryonentransfers. © www.Slawik.com

Am 26. Juli geht in Deutschland eine züchterische Premiere über die Bühne: Das Westfälische Pferdestammbuch veranstaltet eine Auktion, bei der ausschließlich Embryonen versteigert werden. Zwölf ungeborene Fohlen, die die Genetik von Spitzenhengsten und sportlich geprüften Mutterstuten in sich tragen, sollen dabei ihre zukünftigen Besitzer:innen finden. Sechs davon sind bereits in Empfängerstuten, Leihmüttern, implantiert, zwei werden durch ihre biologischen Mütter ausgetragen und vier stehen tiefgefroren zum Verkauf. Wer einen der Springpferde-Embryos ersteigern möchte, kann ab sofort sein Gebot online auf der Website des Westfälischen Pferdestammbuchs abgeben.

Embryonentransfer – Wie funktioniert das eigentlich?

In der Sportpferdezucht werden Embryonentransfers seit vielen Jahren eingesetzt. Es gibt sogar Pferderassen, die fast ausschließlich über diese Methode vermehrt werden: Das Argentinische Polopferd (Polo Argentino) ist ein Beispiel. Hier macht man sich die Vorteile dieses Verfahrens zunutze: Züchterisch vorzügliche Mutterstuten können jedes Jahr eine Vielzahl von Fohlen produzieren, ohne jemals selbst eine Trächtigkeit und alle dazugehörigen Risiken auf sich nehmen zu müssen. Die besten Stuten können selbst im Sport aktiv bleiben, während Geschlechtsgenossinnen ihre Fohlen austragen und aufziehen. Auch Stuten, die aus gesundheitlichen Gründen keine Fohlen (mehr) gebären können, können so weiterhin zur Zucht eingesetzt werden.

Damit ein Embryonentransfer gelingt, braucht es einige erfüllte Voraussetzungen. Ein Beispiel ist die Synchronisation von Spender- und Empfängerstute: Beide müssen sich hormonell in derselben Zyklusphase befinden, damit der entnommene Embryo ideale Bedingungen in seiner neuen Umgebung vorfindet. Zum Zeitpunkt der Ovulation wird die Spenderstute besamt. Hat sie aufgenommen, wird ihre Gebärmutter am Tag sechs bis neun nach dem Eisprung gespült und der Embryo damit entnommen. Dieser kann der Leihmutter dann entweder innerhalb von 24 Stunden direkt implantiert oder aber tiefgefroren und für spätere Implantierung konserviert werden. Etwa acht Tage nach dem Einsetzen des Embryos kann die Leihmutter auf Trächtigkeit untersucht werden.

Als Empfängerstuten eigenen sich möglichst junge Stuten (drei bis zwölf Jahre), die im Idealfall bereits selbst erfolgreich abgefohlt haben, gesund und zuchttauglich sind. Auch ganze Empfängerstutenherden stehen mittlerweile zur Verfügung, aus denen eine Leihmutter für den zukünftigen Spitzennachwuchs geleast oder gekauft werden kann. Informationen hierzu findet man beispielsweise auf der Website der VetmedUni Wien

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Argentinische Poloponies werden seit Jahrzehnten fast ausschließlich über Embryonentransfers vermehrt. © www.Slawik.com

Neueste Technik: Ovum-Pick-Up

Der neueste Ansatz der Reproduktionsmedizin beim Pferd ist das sogenannte Ovum-Pick-Up (OPU, Eizellenentnahme) in Kombination mit darauffolgender Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Hiermit ist man sogar von der natürlichen Ovulation der Spenderstute unabhängig, weil die Eizellen direkt aus den Eierstöcken entnommen werden können. Es handelt sich dabei um unreife Eizellen, die nach der Entnahme in einem Brutschrank für zwei bis drei Tage reifen, bevor eine einzelne Samenzelle direkt in die Eizelle injiziert wird. Die weitere Entwicklung des Embryos erfolgt dann wieder im Brutschrank. Nach etwa einer Woche kann der Embryo entweder direkt in die Empfängerstute implantiert oder tiefgefroren und konserviert werden. Da so entstandene Embryonen besonders gut konservierbar zu sein scheinen, ist man vom Zyklus der Empfängerstute unabhängiger als beim direkten Embryotransfer.

Durch OPU/ICSI können also auch Stuten, die aufgrund von Erkrankungen der Eileiter oder Gebärmutter unfruchtbar sind, als genetische Mütter genutzt werden. Da zugleich nur sehr wenige Samenzellen nötig sind, können auch Hengste mit niedriger Fruchtbarkeit (geringer Spermienanzahl oder -beweglichkeit) eingesetzt werden. 

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Chacco Blue ist einer der Vererber, dessen Nachwuchs in der Auktion des Westfälischen Pferdestammbuchs als Embryo versteigert wird. © holcbecher.com

Embryonentransfers sind in der Sportpferdezucht mittlerweile praxistauglich und werden laufend und seit vielen Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Welche ethischen Aspekte dabei zu beachten wären, rückt in der Diskussion dabei in den Hintergrund. Denn die Vorteile und Vereinfachungen in der Sportpferdezucht, die sie mit sich bringen, sind groß, und werden in Zukunft wohl auch hierzulande zum Standard werden.