Platz 8 im WM-Finale: Indigo ANW schreibt unter Marcus Hermes österreichische Zuchtgeschichte bei der WM der jungen Dressurpferde. © www.sportfotos-lafrentz.de
Herr Wagner, zwei 8. Plätze bei der Jungpferde-WM in Verden, ein historisches Ergebnis für die österreichische Warmblutpferdezucht. Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?
Andreas Wagner: Wir wussten, dass Marcus Hermes ein wahnsinnig guter Reiter ist und dass Indigo im Viereck immer 100 Prozent gibt. Das hat er bis jetzt überall gezeigt. Er zählt eindeutig nicht zu den berühmten Trainingsweltmeistern. Auch Wolfram Wittig, der Marcus als Trainer unterstützt, ist ganz begeistert, wie sich das Pferd weiterentwickelt hat. Das bedeutet uns viel. Wolfram Wittig ist ja einer der ganz großen Trainer in Deutschland mit unheimlich viel Erfahrung.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Marcus Hermes?
Andreas Wagner: Das hat mit unserem Pferd Dante’s Fürst angefangen. Meine Frau hat ihn bis Kleine-Tour-Niveau ausgebildet, Marcus hat ihn dann in den Grand Prix gebracht bevor er nach Frankreich an Laurence Vanommeslaghe verkauft wurde. Diese Zusammenarbeit war menschlich wie sportlich etwas Besonderes. Auch einen unserer Vierjährigen hat Marcus hervorragend ausgebildet. Deshalb haben wir nicht lange überlegt, auch Indigo zu ihm zu geben. Wir sind inzwischen ein richtiges Team. Vom österreichischen Fanclub war am Sonntag in Verden nicht mehr viel da. Dafür haben Marcus‘ Leute richtig Stimmung für uns gemacht. Alle, die Stallbesitzer, deren Kinder, Marcus Familie, seine Eltern, sind voll ausgerüstet mit österreichischen Flaggen als Fanclub aufgetreten. Und bei Indigos Rückkehr aus Verden haben sie ihn im Stall gebührend empfangen, und dazu zwei Ponys mit Österreich-Flaggen geschmückt – ganz so, als ob ein Österreicher nach Österreich kommt. Das war Wahnsinn.
Vierbeiniges Empfangskommittee für WM-Sensation Indigo ANW bei seiner Ankunft im Stall von Marcus Hermes. © privat
Was schätzen Sie an der Arbeit von Marcus Hermes besonders?
Andreas Wagner: Marcus stellt immer das Wohl des Pferdes an erste Stelle. Das passt perfekt zu unserer Philosophie. Bei uns steht nicht primär der Erfolg im Fokus, wir wollen, dass es den Pferden gut geht. Unsere ganze Historie ist aus der echten Leidenschaft zum Pferd heraus entstanden. Meine Frau kommt aus einer erfolgreichen Züchterfamilie. Sie ist schon mit drei Jahren auf dem Pferd gesessen und bereits in ihrer Jugend viele Pferde angeritten und selbst. ausgebildet. Ich hingegen komme nicht aus der Pferdewelt. Ich bin einfach ein Tierliebhaber und bin da nach und nach reingewachsen.
Was bedeutet Ihnen dieses WM-Ergebnis persönlich?
Andreas Wagner: Für unsere Zucht, unseren Betrieb und unseren Namen ist das ein neuer Level. Pferdetechnisch war es das emotionalste Wochenende, das wir jemals erlebt haben. Indigo ist mein Herzenspferd – dass er so im Rampenlicht steht und so viel Lob bekommt, ist ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist.
Nina Wagner: Für die AWÖ-Zucht ist das ein starkes Lebenszeichen. Pferde wie Indigo zeigen, wie viel Qualität in unserer Zucht steckt. Wenn das richtige Pferd mit dem richtigen Reiter zusammenkommt, kann man auch international auf sich aufmerksam machen.
Dreamteam: Nina und Andreas Wagner (ganz links und 3. v. l.), Indigo ANW und Marcus Hermes © www.sportfotos-lafrentz.de
War Indigo schon früh im Sport erfolgreich?
Nina Wagner: Überhaupt nicht. Er war vierjährig bei der Materialprüfung und wurde dort zweiter Reservesieger. Sechsjährig haben wir ihn nach Stadl-Paura mitgenommen, das war im Prinzip sein erstes Turnierwochenende. Er ist am Freitag eine A gegangen, am Samstag L und am Sonntag LM. Er war immer Zweiter mit sehr guten Noten. Nach einem Turnier in Amstetten ist er beim Bundeschampionat eine DPM gestartet, wo er zweimal über 80 % bekam. Danach ist er zu Marcus gekommen. Insgesamt war er also nicht oft auf einem Turnier, und trotzdem hat er sich von der Atmosphäre in Verden nicht ablenken lassen und war immer bei seinem Reiter. Für so ein junges Pferd mit kaum Routine war das schon sehr erstaunlich.
Andreas Wagner: Das ist Indigos große Stärke. Egal wo wir hingekommen sind, selbst wenn er am Abreiteplatz noch ein bisschen abgelenkt war – im Viereck performt er. Marcus hat nach der ersten S mit ihm, die er gleich gewonnen hat, angerufen, noch am Pferd sitzend und die schönste Botschaft war: „Der war so schön zu reiten, der war so bei mir, der hat alles gemacht!“ In Verden hat man das jetzt wieder gesehen. Er löst alle Aufgaben mit einer solchen Gelassenheit, das macht uns sehr stolz.
Ist das etwas, worauf sie in ihrer Zucht besonderes Augenmerk legen – eine gute Rittigkeit?
Nina Wagner: Absolut. Ich sage immer: Wir züchten Reitpferde, keine Showpferde. Indigo ist das beste Beispiel: Als Fohlen hat er es beim Bundeschampionat knapp nicht ins Finale geschafft, weil er der Kommission nicht edel genug war. Manchmal würde ich mir wünschen, dass bei der Beurteilung auf andere Dinge Wert gelegt wird, als auf eine hübsche Optik. Unsere Stuten sind geprüfte, gerittene Staats- oder Verbandsprämienstuten. Bei Hengsten setzen wir auf sporterfolgreiche, bewährte Pferde. Frisch gekörte Dreijährige, die noch keine Erfahrung unter dem Reiter haben, nehmen wir nur in Ausnahmefällen. Ich bin kein Fan von Freilauf-Championaten. Wir sitzen lieber drauf. Erst dann merkt man ja, ob das Pferd rittig ist und wie es sich wirklich ausbilden lässt!
Ich sage immer: Wir züchten Reitpferde, keine Showpferde. Indigo ist das beste Beispiel: Als Fohlen hat er es beim Bundeschampionat knapp nicht ins Finale geschafft, weil er der Kommission nicht edel genug war.
Andreas Wagner: In unserer Zucht kommen die hoch qualitativen Pferde eigentlich jetzt erst, wir haben 2016 zu züchten begonnen. Indigo war unser zweites Fohlen, seither haben wir über 100 gezüchtet, ca. 60 davon sind noch in unserem Besitz. Während des Sichtungsprozesses für die WM ist Dr. Ulf Möller auf mich zugekommen und hat gesagt: „Sie haben alles richtig gemacht. Sie haben ein sehr gutes Pferd einem sehr, sehr guten Reiter gegeben.“ Das ist vielleicht auch der entscheidende Faktor bei uns. Wir versuchen groß und vor allem nachhaltig zu denken. Unser Ziel ist es, die heimische Zucht zu einem Aushängeschild zu machen, das auch international Beachtung findet.
Als Züchter muss man ja leider auch immer die wirtschaftliche Seite im Auge haben. Wie soll es jetzt weitergehen mit Indigo? Wird er bei Marcus Hermes bleiben? Oder gibt es bereits Kaufangebote?
Andreas Wagner: Das nächste Ziel ist die Qualifikation für den Nürnberger Burg-Pokal – danach soll er behutsam in Richtung Grand-Prix-Niveau gefördert werden. Natürlich muss man bei einem großen Kaufangebot überlegen. 2028 sind die Spiele in L.A. Da gibt es viele, die auf der Suche nach einem guten Pferd sind. Aber grundsätzlich ist unser Wunsch ganz klar: Indigo soll seine Entwicklung bei Marcus fortsetzen – und ich glaube, Marcus wünscht sich das mittlerweile auch.